Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schlözer, August Ludwig von: August Ludwig Schlözers [...] Vorstellung seiner Universal-Historie. Bd. 1. Göttingen u. a., 1772.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

VI. Araber.
geschlossen, und wegen seiner natürlichen
Vormauer allen Eroberern fast 3000 J. hin-
durch unbezwinglich, im 7ten Jahrhunderte
nach Christo aus seinen Sandwüsten hervor-
schwärmte, und den Erdkreis in seinen drei
bekannten Theilen erschütterte.

Mohämmed, ein edler Araber aus
dem Stamme Koreisch, ward A. 622 zufälli-
ger Weise der Stifter dieses Reichs: kein gros-
ser Geist, aber auch kein Dummkopf; anfäng-
lich kein Betrüger, sondern ein gutmeinen-
der sanguinisch-melancholischer Schwärmer;
ein Projetteur, wie alle Projetteurs, nur
glücklicher als alle, deren Namen die Ge-
schichte kennet; vielleicht der einzige Projet-
teur, dessen unbescheidene Erwartungen das
Glück nicht nur erfüllt, sondern sogar über-
troffen hat. Als Kind war er bereits von
Zückungen oder Würmern geplagt: als Jüng-
ling speculirte er, aus Antrieb seines Tempe-
raments, ohne Einsicht und Gelehrsamkeit,
über die Religion: als Mann von vierzig
Jahren schloß er sein Handels-Comtoir zu,
hieng einsam, in Ermangelung regelmäßiger
Geschäfte, seinen Grillen nach, und hatte
Träume und Gesichter, an die zuerst sein altes
Weib Chadidschah, sein Sklave Said, und
sein zehenjähriger Vetter Ali, glaubten. Nun

ward
N 4

VI. Araber.
geſchloſſen, und wegen ſeiner natuͤrlichen
Vormauer allen Eroberern faſt 3000 J. hin-
durch unbezwinglich, im 7ten Jahrhunderte
nach Chriſto aus ſeinen Sandwuͤſten hervor-
ſchwaͤrmte, und den Erdkreis in ſeinen drei
bekannten Theilen erſchuͤtterte.

Mohaͤmmed, ein edler Araber aus
dem Stamme Koreiſch, ward A. 622 zufaͤlli-
ger Weiſe der Stifter dieſes Reichs: kein groſ-
ſer Geiſt, aber auch kein Dummkopf; anfaͤng-
lich kein Betruͤger, ſondern ein gutmeinen-
der ſanguiniſch-melancholiſcher Schwaͤrmer;
ein Projetteur, wie alle Projetteurs, nur
gluͤcklicher als alle, deren Namen die Ge-
ſchichte kennet; vielleicht der einzige Projet-
teur, deſſen unbeſcheidene Erwartungen das
Gluͤck nicht nur erfuͤllt, ſondern ſogar uͤber-
troffen hat. Als Kind war er bereits von
Zuͤckungen oder Wuͤrmern geplagt: als Juͤng-
ling ſpeculirte er, aus Antrieb ſeines Tempe-
raments, ohne Einſicht und Gelehrſamkeit,
uͤber die Religion: als Mann von vierzig
Jahren ſchloß er ſein Handels-Comtoir zu,
hieng einſam, in Ermangelung regelmaͤßiger
Geſchaͤfte, ſeinen Grillen nach, und hatte
Traͤume und Geſichter, an die zuerſt ſein altes
Weib Chadidſchah, ſein Sklave Said, und
ſein zehenjaͤhriger Vetter Ali, glaubten. Nun

ward
N 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0211" n="199"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">VI.</hi> Araber.</hi></fw><lb/>
ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en, und wegen &#x017F;einer natu&#x0364;rlichen<lb/>
Vormauer allen Eroberern fa&#x017F;t 3000 J. hin-<lb/>
durch unbezwinglich, im 7ten Jahrhunderte<lb/>
nach Chri&#x017F;to aus &#x017F;einen Sandwu&#x0364;&#x017F;ten hervor-<lb/>
&#x017F;chwa&#x0364;rmte, und den Erdkreis in &#x017F;einen drei<lb/>
bekannten Theilen er&#x017F;chu&#x0364;tterte.</p><lb/>
            <p><hi rendition="#fr">Moha&#x0364;mmed,</hi> ein edler Araber aus<lb/>
dem Stamme Korei&#x017F;ch, ward A. 622 zufa&#x0364;lli-<lb/>
ger Wei&#x017F;e der Stifter die&#x017F;es Reichs: kein gro&#x017F;-<lb/>
&#x017F;er Gei&#x017F;t, aber auch kein Dummkopf; anfa&#x0364;ng-<lb/>
lich kein Betru&#x0364;ger, &#x017F;ondern ein gutmeinen-<lb/>
der &#x017F;anguini&#x017F;ch-melancholi&#x017F;cher Schwa&#x0364;rmer;<lb/>
ein Projetteur, wie alle Projetteurs, nur<lb/>
glu&#x0364;cklicher als alle, deren Namen die Ge-<lb/>
&#x017F;chichte kennet; vielleicht der einzige Projet-<lb/>
teur, de&#x017F;&#x017F;en unbe&#x017F;cheidene Erwartungen das<lb/>
Glu&#x0364;ck nicht nur erfu&#x0364;llt, &#x017F;ondern &#x017F;ogar u&#x0364;ber-<lb/>
troffen hat. Als Kind war er bereits von<lb/>
Zu&#x0364;ckungen oder Wu&#x0364;rmern geplagt: als Ju&#x0364;ng-<lb/>
ling &#x017F;peculirte er, aus Antrieb &#x017F;eines Tempe-<lb/>
raments, ohne Ein&#x017F;icht und Gelehr&#x017F;amkeit,<lb/>
u&#x0364;ber die Religion: als Mann von vierzig<lb/>
Jahren &#x017F;chloß er &#x017F;ein Handels-Comtoir zu,<lb/>
hieng ein&#x017F;am, in Ermangelung regelma&#x0364;ßiger<lb/>
Ge&#x017F;cha&#x0364;fte, &#x017F;einen Grillen nach, und hatte<lb/>
Tra&#x0364;ume und Ge&#x017F;ichter, an die zuer&#x017F;t &#x017F;ein altes<lb/>
Weib Chadid&#x017F;chah, &#x017F;ein Sklave Said, und<lb/>
&#x017F;ein zehenja&#x0364;hriger Vetter Ali, glaubten. Nun<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">N 4</fw><fw place="bottom" type="catch">ward</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[199/0211] VI. Araber. geſchloſſen, und wegen ſeiner natuͤrlichen Vormauer allen Eroberern faſt 3000 J. hin- durch unbezwinglich, im 7ten Jahrhunderte nach Chriſto aus ſeinen Sandwuͤſten hervor- ſchwaͤrmte, und den Erdkreis in ſeinen drei bekannten Theilen erſchuͤtterte. Mohaͤmmed, ein edler Araber aus dem Stamme Koreiſch, ward A. 622 zufaͤlli- ger Weiſe der Stifter dieſes Reichs: kein groſ- ſer Geiſt, aber auch kein Dummkopf; anfaͤng- lich kein Betruͤger, ſondern ein gutmeinen- der ſanguiniſch-melancholiſcher Schwaͤrmer; ein Projetteur, wie alle Projetteurs, nur gluͤcklicher als alle, deren Namen die Ge- ſchichte kennet; vielleicht der einzige Projet- teur, deſſen unbeſcheidene Erwartungen das Gluͤck nicht nur erfuͤllt, ſondern ſogar uͤber- troffen hat. Als Kind war er bereits von Zuͤckungen oder Wuͤrmern geplagt: als Juͤng- ling ſpeculirte er, aus Antrieb ſeines Tempe- raments, ohne Einſicht und Gelehrſamkeit, uͤber die Religion: als Mann von vierzig Jahren ſchloß er ſein Handels-Comtoir zu, hieng einſam, in Ermangelung regelmaͤßiger Geſchaͤfte, ſeinen Grillen nach, und hatte Traͤume und Geſichter, an die zuerſt ſein altes Weib Chadidſchah, ſein Sklave Said, und ſein zehenjaͤhriger Vetter Ali, glaubten. Nun ward N 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schloezer_universalhistorie01_1772
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schloezer_universalhistorie01_1772/211
Zitationshilfe: Schlözer, August Ludwig von: August Ludwig Schlözers [...] Vorstellung seiner Universal-Historie. Bd. 1. Göttingen u. a., 1772, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schloezer_universalhistorie01_1772/211>, abgerufen am 23.11.2024.