Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schliemann, Heinrich: Trojanische Alterthümer. Bericht über die Ausgrabungen in Troja. Leipzig, 1874.

Bild:
<< vorherige Seite

chanai tepe.
Entfernung von Ilieon kome bis zum Hellespont ganz
im Widerspruch steht mit den Angaben Homer's, denn
die griechischen Truppen drangen ja an einem Tage
zweimal fechtend vom Lager bis zur Stadt vor und
kehrten zweimal fechtend zurück. Der Abstand der
Stadt von den Schiffen kann daher nach meiner Mei-
nung höchstens eine Stunde gewesen sein. Herr Calvert
antwortet mir darauf, dass die ganze Ebene von Troja
Alluvialboden sei und dass zur Zeit des Trojanischen
Krieges seine Baustelle dem Hellespont näher gelegen
haben müsse. Ich bin aber schon vor drei Jahren, in
meinem Werke "Ithaque, le Peloponnese et Troie", be-
müht gewesen, zu beweisen, dass die Ebene von Troja
entschieden kein Alluvialboden sei.

Eine andere Merkwürdigkeit jenes Landguts ist der
dicht beim Tempel des Apollo gelegene "Chanai Tepe",
ein 10 Meter hoher, runder Hügel, der an der Basis
66 Meter im Durchmesser hat. Er wurde früher für
einen natürlichen Hügel angesehen, bis Herr Frank
Calvert im Jahre 1856 einen Einschnitt machte und auf
einem 5 Meter hohen platten Felsen einen von einer
2 Meter hohen Mauer umgebenen Kreis fand. Der ganze
innere Raum bis zum Rande der Ringmauer war an-
gefüllt mit calcinirten Knochen, die von den Chirurgen
der englischen Flotte als Menschenknochen erkannt
wurden. Im Mittelpunkte fand Herr Calvert das Skelet
eines Menschen. Das Ganze war mit 3 Meter Erde
bedeckt.

Die trojanische Ebene wird von Südost nach Nord-
west durchströmt vom Skamander, der 35 Minuten Wegs
vom Hissarlik entfernt ist, und dessen Bett ich durch die

Schliemann, Troja. 2

chanaï tépé.
Entfernung von Ἰλιέων κώμη bis zum Hellespont ganz
im Widerspruch steht mit den Angaben Homer’s, denn
die griechischen Truppen drangen ja an einem Tage
zweimal fechtend vom Lager bis zur Stadt vor und
kehrten zweimal fechtend zurück. Der Abstand der
Stadt von den Schiffen kann daher nach meiner Mei-
nung höchstens eine Stunde gewesen sein. Herr Calvert
antwortet mir darauf, dass die ganze Ebene von Troja
Alluvialboden sei und dass zur Zeit des Trojanischen
Krieges seine Baustelle dem Hellespont näher gelegen
haben müsse. Ich bin aber schon vor drei Jahren, in
meinem Werke „Ithaque, le Péloponnèse et Troie“, be-
müht gewesen, zu beweisen, dass die Ebene von Troja
entschieden kein Alluvialboden sei.

Eine andere Merkwürdigkeit jenes Landguts ist der
dicht beim Tempel des Apollo gelegene „Chanaï Tépé“,
ein 10 Meter hoher, runder Hügel, der an der Basis
66 Meter im Durchmesser hat. Er wurde früher für
einen natürlichen Hügel angesehen, bis Herr Frank
Calvert im Jahre 1856 einen Einschnitt machte und auf
einem 5 Meter hohen platten Felsen einen von einer
2 Meter hohen Mauer umgebenen Kreis fand. Der ganze
innere Raum bis zum Rande der Ringmauer war an-
gefüllt mit calcinirten Knochen, die von den Chirurgen
der englischen Flotte als Menschenknochen erkannt
wurden. Im Mittelpunkte fand Herr Calvert das Skelet
eines Menschen. Das Ganze war mit 3 Meter Erde
bedeckt.

Die trojanische Ebene wird von Südost nach Nord-
west durchströmt vom Skamander, der 35 Minuten Wegs
vom Hissarlik entfernt ist, und dessen Bett ich durch die

Schliemann, Troja. 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0083" n="17"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#k">chanaï tépé</hi>.</fw><lb/>
Entfernung von &#x1F38;&#x03BB;&#x03B9;&#x03AD;&#x03C9;&#x03BD; &#x03BA;&#x03CE;&#x03BC;&#x03B7; bis zum Hellespont ganz<lb/>
im Widerspruch steht mit den Angaben Homer&#x2019;s, denn<lb/>
die griechischen Truppen drangen ja an einem Tage<lb/>
zweimal fechtend vom Lager bis zur Stadt vor und<lb/>
kehrten zweimal fechtend zurück. Der Abstand der<lb/>
Stadt von den Schiffen kann daher nach meiner Mei-<lb/>
nung höchstens eine Stunde gewesen sein. Herr Calvert<lb/>
antwortet mir darauf, dass die ganze Ebene von Troja<lb/>
Alluvialboden sei und dass zur Zeit des Trojanischen<lb/>
Krieges seine Baustelle dem Hellespont näher gelegen<lb/>
haben müsse. Ich bin aber schon vor drei Jahren, in<lb/>
meinem Werke &#x201E;Ithaque, le Péloponnèse et Troie&#x201C;, be-<lb/>
müht gewesen, zu beweisen, dass die Ebene von Troja<lb/>
entschieden kein Alluvialboden sei.</p><lb/>
        <p>Eine andere Merkwürdigkeit jenes Landguts ist der<lb/>
dicht beim Tempel des Apollo gelegene &#x201E;Chanaï Tépé&#x201C;,<lb/>
ein 10 Meter hoher, runder Hügel, der an der Basis<lb/>
66 Meter im Durchmesser hat. Er wurde früher für<lb/>
einen natürlichen Hügel angesehen, bis Herr Frank<lb/>
Calvert im Jahre 1856 einen Einschnitt machte und auf<lb/>
einem 5 Meter hohen platten Felsen einen von einer<lb/>
2 Meter hohen Mauer umgebenen Kreis fand. Der ganze<lb/>
innere Raum bis zum Rande der Ringmauer war an-<lb/>
gefüllt mit calcinirten Knochen, die von den Chirurgen<lb/>
der englischen Flotte als Menschenknochen erkannt<lb/>
wurden. Im Mittelpunkte fand Herr Calvert das Skelet<lb/>
eines Menschen. Das Ganze war mit 3 Meter Erde<lb/>
bedeckt.</p><lb/>
        <p>Die trojanische Ebene wird von Südost nach Nord-<lb/>
west durchströmt vom Skamander, der 35 Minuten Wegs<lb/>
vom Hissarlik entfernt ist, und dessen Bett ich durch die<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#k">Schliemann</hi>, Troja. 2</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[17/0083] chanaï tépé. Entfernung von Ἰλιέων κώμη bis zum Hellespont ganz im Widerspruch steht mit den Angaben Homer’s, denn die griechischen Truppen drangen ja an einem Tage zweimal fechtend vom Lager bis zur Stadt vor und kehrten zweimal fechtend zurück. Der Abstand der Stadt von den Schiffen kann daher nach meiner Mei- nung höchstens eine Stunde gewesen sein. Herr Calvert antwortet mir darauf, dass die ganze Ebene von Troja Alluvialboden sei und dass zur Zeit des Trojanischen Krieges seine Baustelle dem Hellespont näher gelegen haben müsse. Ich bin aber schon vor drei Jahren, in meinem Werke „Ithaque, le Péloponnèse et Troie“, be- müht gewesen, zu beweisen, dass die Ebene von Troja entschieden kein Alluvialboden sei. Eine andere Merkwürdigkeit jenes Landguts ist der dicht beim Tempel des Apollo gelegene „Chanaï Tépé“, ein 10 Meter hoher, runder Hügel, der an der Basis 66 Meter im Durchmesser hat. Er wurde früher für einen natürlichen Hügel angesehen, bis Herr Frank Calvert im Jahre 1856 einen Einschnitt machte und auf einem 5 Meter hohen platten Felsen einen von einer 2 Meter hohen Mauer umgebenen Kreis fand. Der ganze innere Raum bis zum Rande der Ringmauer war an- gefüllt mit calcinirten Knochen, die von den Chirurgen der englischen Flotte als Menschenknochen erkannt wurden. Im Mittelpunkte fand Herr Calvert das Skelet eines Menschen. Das Ganze war mit 3 Meter Erde bedeckt. Die trojanische Ebene wird von Südost nach Nord- west durchströmt vom Skamander, der 35 Minuten Wegs vom Hissarlik entfernt ist, und dessen Bett ich durch die Schliemann, Troja. 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schliemann_trojanische_1874
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schliemann_trojanische_1874/83
Zitationshilfe: Schliemann, Heinrich: Trojanische Alterthümer. Bericht über die Ausgrabungen in Troja. Leipzig, 1874, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schliemann_trojanische_1874/83>, abgerufen am 30.04.2024.