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Schliemann, Heinrich: Trojanische Alterthümer. Bericht über die Ausgrabungen in Troja. Leipzig, 1874.

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grösse trojas ursprünglich und zu homer's zeit.
halb derselben ausdehnte und daher im Plural Athenai
genannt wurde. Ebenso ist es wahrscheinlich auch mit
der von Homer als goldreich beschriebenen Stadt
Mukenai geschehen, die (Ilias, IV, 52) auch im Singular
vorkommt.

Aber das kleine Troja war für damalige Verhält-
nisse unermesslich reich, denn ich finde hier einen
Schatz von goldenen und silbernen Sachen, wie man
ihn jetzt kaum in einem kaiserlichen Palast finden kann;
und da die Stadt reich war, so war sie auch mächtig
und herrschte über ein grosses Gebiet.

Trojas Häuser waren, wie aus der Dicke der Mauern
und der kolossalen Schuttaufhäufung hervorgeht, alle
sehr hoch und hatten mehrere Etagen; aber nehmen
wir selbst dreistöckige und dicht nebeneinander-
stehende Häuser an, so kann die Stadt doch nicht mehr
als 5000 Einwohner gehabt und nicht über 500 Soldaten
gestellt haben, aber sie mochte immerhin aus ihren Unter-
thanen ein ansehnliches Heer zusammenbringen, und da
sie reich und mächtig war, so bekam sie Hülfstruppen
von allen Seiten.

Eine besondere Akropolis hatte Troja also nicht,
dieselbe war aber für die grossen Thaten der Ilias
nöthig, wurde daher von Homer hinzugedichtet und von
ihm Pergamos genannt, ein Wort ganz unbekannter
Abstammung.

Da ich in keinem meiner Brunnen Spuren der
Töpferwaare der Nachfolger der Trojaner bis zur An-
kunft der griechischen Colonie finde, so ist auch mit
Bestimmtheit anzunehmen, dass sich Troja zu Homer's
Zeit nur um das Wenige vergrössert hatte, was durch

grösse trojas ursprünglich und zu homer’s zeit.
halb derselben ausdehnte und daher im Plural Ἀϑῆναι
genannt wurde. Ebenso ist es wahrscheinlich auch mit
der von Homer als goldreich beschriebenen Stadt
Μυκῆναι geschehen, die (Ilias, IV, 52) auch im Singular
vorkommt.

Aber das kleine Troja war für damalige Verhält-
nisse unermesslich reich, denn ich finde hier einen
Schatz von goldenen und silbernen Sachen, wie man
ihn jetzt kaum in einem kaiserlichen Palast finden kann;
und da die Stadt reich war, so war sie auch mächtig
und herrschte über ein grosses Gebiet.

Trojas Häuser waren, wie aus der Dicke der Mauern
und der kolossalen Schuttaufhäufung hervorgeht, alle
sehr hoch und hatten mehrere Etagen; aber nehmen
wir selbst dreistöckige und dicht nebeneinander-
stehende Häuser an, so kann die Stadt doch nicht mehr
als 5000 Einwohner gehabt und nicht über 500 Soldaten
gestellt haben, aber sie mochte immerhin aus ihren Unter-
thanen ein ansehnliches Heer zusammenbringen, und da
sie reich und mächtig war, so bekam sie Hülfstruppen
von allen Seiten.

Eine besondere Akropolis hatte Troja also nicht,
dieselbe war aber für die grossen Thaten der Ilias
nöthig, wurde daher von Homer hinzugedichtet und von
ihm Pergamos genannt, ein Wort ganz unbekannter
Abstammung.

Da ich in keinem meiner Brunnen Spuren der
Töpferwaare der Nachfolger der Trojaner bis zur An-
kunft der griechischen Colonie finde, so ist auch mit
Bestimmtheit anzunehmen, dass sich Troja zu Homer’s
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[306/0372] grösse trojas ursprünglich und zu homer’s zeit. halb derselben ausdehnte und daher im Plural Ἀϑῆναι genannt wurde. Ebenso ist es wahrscheinlich auch mit der von Homer als goldreich beschriebenen Stadt Μυκῆναι geschehen, die (Ilias, IV, 52) auch im Singular vorkommt. Aber das kleine Troja war für damalige Verhält- nisse unermesslich reich, denn ich finde hier einen Schatz von goldenen und silbernen Sachen, wie man ihn jetzt kaum in einem kaiserlichen Palast finden kann; und da die Stadt reich war, so war sie auch mächtig und herrschte über ein grosses Gebiet. Trojas Häuser waren, wie aus der Dicke der Mauern und der kolossalen Schuttaufhäufung hervorgeht, alle sehr hoch und hatten mehrere Etagen; aber nehmen wir selbst dreistöckige und dicht nebeneinander- stehende Häuser an, so kann die Stadt doch nicht mehr als 5000 Einwohner gehabt und nicht über 500 Soldaten gestellt haben, aber sie mochte immerhin aus ihren Unter- thanen ein ansehnliches Heer zusammenbringen, und da sie reich und mächtig war, so bekam sie Hülfstruppen von allen Seiten. Eine besondere Akropolis hatte Troja also nicht, dieselbe war aber für die grossen Thaten der Ilias nöthig, wurde daher von Homer hinzugedichtet und von ihm Pergamos genannt, ein Wort ganz unbekannter Abstammung. Da ich in keinem meiner Brunnen Spuren der Töpferwaare der Nachfolger der Trojaner bis zur An- kunft der griechischen Colonie finde, so ist auch mit Bestimmtheit anzunehmen, dass sich Troja zu Homer’s Zeit nur um das Wenige vergrössert hatte, was durch

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Zitationshilfe: Schliemann, Heinrich: Trojanische Alterthümer. Bericht über die Ausgrabungen in Troja. Leipzig, 1874, S. 306. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schliemann_trojanische_1874/372>, abgerufen am 02.05.2024.