Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schliemann, Heinrich: Trojanische Alterthümer. Bericht über die Ausgrabungen in Troja. Leipzig, 1874.

Bild:
<< vorherige Seite

becher mit mannesgesicht, abwesenheit von säulen.
sechs Monaten in der Vase auf dem Urboden noch nie in
in irgendeiner der vorgriechischen Schuttschichten
dieses Berges Menschengerippe vorgekommen. Wie
wir aus Homer wissen, wurden alle Leichname verbrannt
und die Asche in Urnen beigesetzt, deren ich eine
grosse Menge in den Trümmerschichten aller Nationen
fand, welche diese Anhöhe vor der griechischen Colonie
bewohnt haben; aber die Knochen waren immer zu
wirklicher Asche verbrannt, und höchstens habe ich
dann und wann einen heilen Zahn, nie einen andern
ganzen Knochen darin gefunden.

Im Schutt desselben trojanischen Hauses unweit
des Gerippes fand ich das Bruchstück eines gelben
Bechers mit sehr ausdrucksvollem Mannesgesicht; die
Nase ist sehr lang und etwas gebogen. Ausserdem
fand ich dort sieben jener runden Terracotten in Gestalt
von flachen Carrousels, worunter eins von 6 Centimeter
im Durchmesser, welches vollkommen die Form eines
Rades hat; es hat im Kreise um die Nabe fünf
aufgehende Sonnen; wie immer sind diese Verzie-
rungen eingravirt und mit einer weissen Masse aus-
gefüllt.

Von Säulen habe ich bisjetzt keine Spur in Troja
gefunden, und wenn es daher wirklich Säulen gab, so
müssen sie jedenfalls von Holz gewesen sein. Uebrigens
findet sich das Wort "kion" ja auch nie in der Ilias,
und nur in der Odyssee. Einen hübsch geschnittenen
sehr harten Kalkstein in der Form eines Halbkreises
mit einem runden, 4 Centimeter tiefen Loch, fand ich
in einem Hause in 12 Meter Tiefe und vermuthe, dass
derselbe in einer Thür gedient haben mag.

becher mit mannesgesicht, abwesenheit von säulen.
sechs Monaten in der Vase auf dem Urboden noch nie in
in irgendeiner der vorgriechischen Schuttschichten
dieses Berges Menschengerippe vorgekommen. Wie
wir aus Homer wissen, wurden alle Leichname verbrannt
und die Asche in Urnen beigesetzt, deren ich eine
grosse Menge in den Trümmerschichten aller Nationen
fand, welche diese Anhöhe vor der griechischen Colonie
bewohnt haben; aber die Knochen waren immer zu
wirklicher Asche verbrannt, und höchstens habe ich
dann und wann einen heilen Zahn, nie einen andern
ganzen Knochen darin gefunden.

Im Schutt desselben trojanischen Hauses unweit
des Gerippes fand ich das Bruchstück eines gelben
Bechers mit sehr ausdrucksvollem Mannesgesicht; die
Nase ist sehr lang und etwas gebogen. Ausserdem
fand ich dort sieben jener runden Terracotten in Gestalt
von flachen Carrousels, worunter eins von 6 Centimeter
im Durchmesser, welches vollkommen die Form eines
Rades hat; es hat im Kreise um die Nabe fünf
aufgehende Sonnen; wie immer sind diese Verzie-
rungen eingravirt und mit einer weissen Masse aus-
gefüllt.

Von Säulen habe ich bisjetzt keine Spur in Troja
gefunden, und wenn es daher wirklich Säulen gab, so
müssen sie jedenfalls von Holz gewesen sein. Uebrigens
findet sich das Wort „κίων“ ja auch nie in der Ilias,
und nur in der Odyssee. Einen hübsch geschnittenen
sehr harten Kalkstein in der Form eines Halbkreises
mit einem runden, 4 Centimeter tiefen Loch, fand ich
in einem Hause in 12 Meter Tiefe und vermuthe, dass
derselbe in einer Thür gedient haben mag.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0235" n="169"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#k">becher mit mannesgesicht, abwesenheit von säulen.</hi></fw><lb/>
sechs Monaten in der Vase auf dem Urboden noch nie in<lb/>
in irgendeiner der vorgriechischen Schuttschichten<lb/>
dieses Berges Menschengerippe vorgekommen. Wie<lb/>
wir aus Homer wissen, wurden alle Leichname verbrannt<lb/>
und die Asche in Urnen beigesetzt, deren ich eine<lb/>
grosse Menge in den Trümmerschichten aller Nationen<lb/>
fand, welche diese Anhöhe vor der griechischen Colonie<lb/>
bewohnt haben; aber die Knochen waren immer zu<lb/>
wirklicher Asche verbrannt, und höchstens habe ich<lb/>
dann und wann einen heilen Zahn, nie einen andern<lb/>
ganzen Knochen darin gefunden.</p><lb/>
        <p>Im Schutt desselben trojanischen Hauses unweit<lb/>
des Gerippes fand ich das Bruchstück eines gelben<lb/>
Bechers mit sehr ausdrucksvollem Mannesgesicht; die<lb/>
Nase ist sehr lang und etwas gebogen. Ausserdem<lb/>
fand ich dort sieben jener runden Terracotten in Gestalt<lb/>
von flachen Carrousels, worunter eins von 6 Centimeter<lb/>
im Durchmesser, welches vollkommen die Form eines<lb/>
Rades hat; es hat im Kreise um die Nabe fünf<lb/>
aufgehende Sonnen; wie immer sind diese Verzie-<lb/>
rungen eingravirt und mit einer weissen Masse aus-<lb/>
gefüllt.</p><lb/>
        <p>Von Säulen habe ich bisjetzt keine Spur in Troja<lb/>
gefunden, und wenn es daher wirklich Säulen gab, so<lb/>
müssen sie jedenfalls von Holz gewesen sein. Uebrigens<lb/>
findet sich das Wort &#x201E;&#x03BA;&#x03AF;&#x03C9;&#x03BD;&#x201C; ja auch nie in der Ilias,<lb/>
und nur in der Odyssee. Einen hübsch geschnittenen<lb/>
sehr harten Kalkstein in der Form eines Halbkreises<lb/>
mit einem runden, 4 Centimeter tiefen Loch, fand ich<lb/>
in einem Hause in 12 Meter Tiefe und vermuthe, dass<lb/>
derselbe in einer Thür gedient haben mag.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[169/0235] becher mit mannesgesicht, abwesenheit von säulen. sechs Monaten in der Vase auf dem Urboden noch nie in in irgendeiner der vorgriechischen Schuttschichten dieses Berges Menschengerippe vorgekommen. Wie wir aus Homer wissen, wurden alle Leichname verbrannt und die Asche in Urnen beigesetzt, deren ich eine grosse Menge in den Trümmerschichten aller Nationen fand, welche diese Anhöhe vor der griechischen Colonie bewohnt haben; aber die Knochen waren immer zu wirklicher Asche verbrannt, und höchstens habe ich dann und wann einen heilen Zahn, nie einen andern ganzen Knochen darin gefunden. Im Schutt desselben trojanischen Hauses unweit des Gerippes fand ich das Bruchstück eines gelben Bechers mit sehr ausdrucksvollem Mannesgesicht; die Nase ist sehr lang und etwas gebogen. Ausserdem fand ich dort sieben jener runden Terracotten in Gestalt von flachen Carrousels, worunter eins von 6 Centimeter im Durchmesser, welches vollkommen die Form eines Rades hat; es hat im Kreise um die Nabe fünf aufgehende Sonnen; wie immer sind diese Verzie- rungen eingravirt und mit einer weissen Masse aus- gefüllt. Von Säulen habe ich bisjetzt keine Spur in Troja gefunden, und wenn es daher wirklich Säulen gab, so müssen sie jedenfalls von Holz gewesen sein. Uebrigens findet sich das Wort „κίων“ ja auch nie in der Ilias, und nur in der Odyssee. Einen hübsch geschnittenen sehr harten Kalkstein in der Form eines Halbkreises mit einem runden, 4 Centimeter tiefen Loch, fand ich in einem Hause in 12 Meter Tiefe und vermuthe, dass derselbe in einer Thür gedient haben mag.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schliemann_trojanische_1874
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schliemann_trojanische_1874/235
Zitationshilfe: Schliemann, Heinrich: Trojanische Alterthümer. Bericht über die Ausgrabungen in Troja. Leipzig, 1874, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schliemann_trojanische_1874/235>, abgerufen am 27.04.2024.