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Schliemann, Heinrich: Trojanische Alterthümer. Bericht über die Ausgrabungen in Troja. Leipzig, 1874.

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georgios photidas, der unteraufseher.
liegen bleibt, mit leichter Mühe hinunter geschaufelt
werden kann, während ich anfänglich die Hälfte der
Zeit mit dem Hinunterschaffen des Schuttes verlor. Da
aber beim Aushauen der Schornsteine und Abbrechen
der riesigen Erdklötze immerhin eine gewisse Geschick-
lichkeit und Vorsicht nöthig ist, so habe ich noch, als
dritten Unteraufseher, mit 7 Frcs. Lohn per Tag, Geor-
gios Photidas aus Paxos angenommen, der sieben Jahre
als Bergmann in Australien gearbeitet und sich dort
besonders mit dem Anlegen von Tunnels beschäftigt
hat. Durchs Heimweh ins Vaterland zurückgetrieben,
hat er sich, ohne selbst das tägliche Brot zu haben, in
jugendlichem Leichtsinn und aus Patriotismus mit einer
funfzehnjährigen armen Landsmännin verheirathet. Erst
nach der Hochzeit ist er durch die Qual der häuslichen
Sorgen zur Besinnung gekommen und, da er gehört
hatte, dass ich hier grabe, so ist er auf gut Glück hier-
her geeilt, um mir seine Dienste anzubieten. Da er
mir von vornherein betheuerte, dass seine Anstellung
bei mir eine Lebensfrage für ihn, seine Frau und ihre
Nachkommenschaft sei, so habe ich ihn auch sofort
acceptirt, um so mehr, als ich gerade einen solchen
Minen-, Tunnel- und Brunnenbauer nothwendig ge-
brauche. Er ist mir ausserdem an Sonn- und Festtagen
von grossem Nutzen, indem er griechisch schreibt und
somit im Stande ist, meine griechischen Aufsätze für
die Zeitungen und gelehrten Gesellschaften im Orient
zu copiren; denn nichts war mir bisher so unausstehlich,
als meine langen Berichte über eine und dieselbe Sache
dreimal auf griechisch niederzuschreiben, um so mehr,
als ich mir die Zeit dazu vom Schlafe stehlen musste.

georgios photidas, der unteraufseher.
liegen bleibt, mit leichter Mühe hinunter geschaufelt
werden kann, während ich anfänglich die Hälfte der
Zeit mit dem Hinunterschaffen des Schuttes verlor. Da
aber beim Aushauen der Schornsteine und Abbrechen
der riesigen Erdklötze immerhin eine gewisse Geschick-
lichkeit und Vorsicht nöthig ist, so habe ich noch, als
dritten Unteraufseher, mit 7 Frcs. Lohn per Tag, Geor-
gios Photidas aus Paxos angenommen, der sieben Jahre
als Bergmann in Australien gearbeitet und sich dort
besonders mit dem Anlegen von Tunnels beschäftigt
hat. Durchs Heimweh ins Vaterland zurückgetrieben,
hat er sich, ohne selbst das tägliche Brot zu haben, in
jugendlichem Leichtsinn und aus Patriotismus mit einer
funfzehnjährigen armen Landsmännin verheirathet. Erst
nach der Hochzeit ist er durch die Qual der häuslichen
Sorgen zur Besinnung gekommen und, da er gehört
hatte, dass ich hier grabe, so ist er auf gut Glück hier-
her geeilt, um mir seine Dienste anzubieten. Da er
mir von vornherein betheuerte, dass seine Anstellung
bei mir eine Lebensfrage für ihn, seine Frau und ihre
Nachkommenschaft sei, so habe ich ihn auch sofort
acceptirt, um so mehr, als ich gerade einen solchen
Minen-, Tunnel- und Brunnenbauer nothwendig ge-
brauche. Er ist mir ausserdem an Sonn- und Festtagen
von grossem Nutzen, indem er griechisch schreibt und
somit im Stande ist, meine griechischen Aufsätze für
die Zeitungen und gelehrten Gesellschaften im Orient
zu copiren; denn nichts war mir bisher so unausstehlich,
als meine langen Berichte über eine und dieselbe Sache
dreimal auf griechisch niederzuschreiben, um so mehr,
als ich mir die Zeit dazu vom Schlafe stehlen musste.

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[69/0135] georgios photidas, der unteraufseher. liegen bleibt, mit leichter Mühe hinunter geschaufelt werden kann, während ich anfänglich die Hälfte der Zeit mit dem Hinunterschaffen des Schuttes verlor. Da aber beim Aushauen der Schornsteine und Abbrechen der riesigen Erdklötze immerhin eine gewisse Geschick- lichkeit und Vorsicht nöthig ist, so habe ich noch, als dritten Unteraufseher, mit 7 Frcs. Lohn per Tag, Geor- gios Photidas aus Paxos angenommen, der sieben Jahre als Bergmann in Australien gearbeitet und sich dort besonders mit dem Anlegen von Tunnels beschäftigt hat. Durchs Heimweh ins Vaterland zurückgetrieben, hat er sich, ohne selbst das tägliche Brot zu haben, in jugendlichem Leichtsinn und aus Patriotismus mit einer funfzehnjährigen armen Landsmännin verheirathet. Erst nach der Hochzeit ist er durch die Qual der häuslichen Sorgen zur Besinnung gekommen und, da er gehört hatte, dass ich hier grabe, so ist er auf gut Glück hier- her geeilt, um mir seine Dienste anzubieten. Da er mir von vornherein betheuerte, dass seine Anstellung bei mir eine Lebensfrage für ihn, seine Frau und ihre Nachkommenschaft sei, so habe ich ihn auch sofort acceptirt, um so mehr, als ich gerade einen solchen Minen-, Tunnel- und Brunnenbauer nothwendig ge- brauche. Er ist mir ausserdem an Sonn- und Festtagen von grossem Nutzen, indem er griechisch schreibt und somit im Stande ist, meine griechischen Aufsätze für die Zeitungen und gelehrten Gesellschaften im Orient zu copiren; denn nichts war mir bisher so unausstehlich, als meine langen Berichte über eine und dieselbe Sache dreimal auf griechisch niederzuschreiben, um so mehr, als ich mir die Zeit dazu vom Schlafe stehlen musste.

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Zitationshilfe: Schliemann, Heinrich: Trojanische Alterthümer. Bericht über die Ausgrabungen in Troja. Leipzig, 1874, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schliemann_trojanische_1874/135>, abgerufen am 02.05.2024.