Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schliemann, Heinrich: Trojanische Alterthümer. Bericht über die Ausgrabungen in Troja. Leipzig, 1874.

Bild:
<< vorherige Seite

urnen mit kränzen; assyr. kunst.
näherer Betrachtung aber findet man, dass es blosse
Verzierungen sind. Die Scherben dieser Vase zeigen
eine Dicke von 21/2 Centimeter. Noch zwei andere, ganz
zerbrochene, ungeheuere Wasser-, Wein- oder Leichen-
urnen, mit Verzierungen in der Form von mehreren ganz
herumlaufenden Kränzen, wurden am 22. und 23. d. M.
in 6 bis 7 Meter über der Plateforme, also in 8 oder
7 Meter senkrechter Tiefe gefunden. Beide müssen über
2 Meter hoch gewesen sein und über 1 Meter im Durch-
messer gehabt haben, denn die Scherben zeigen eine
Dicke von 5 Centimeter. Die Kränze sind ebenfalls in
Basrelief und zeigen theils ineinandergreifende doppelte
Dreiecke mit Kreisen, theils Blumen, theils drei Reihen
oder auch nur eine Reihe Kreise. Diese letztere Ver-
zierung sieht man auch auf einem im Jahre 1810 von
Lord Elgin in der Schatzkammer Agamemnon's in
Mykene ausgegrabenen Fries von grünem Stein, der
jetzt im British Museum ist. Sowohl dieser Fries als
obige in den Tiefen Iliums von mir entdeckten Urnen
weisen entschieden assyrische Kunst auf, und kann ich
sie nicht betrachten, ohne mit Wehmuth daran zu denken,
mit welchen Freudenthränen und mit welchem Jubel-
geschrei der grosse, unvergessliche deutsche Gelehrte
Julius Braun, der leider vor drei Jahren seinen über-
mässigen Anstrengungen erlegen ist, diese trojanischen
Urnen begrüsst haben würde; denn er war nicht nur
der grosse Verfechter der Theorie, dass das homerische
Troja nur tief unter den Ruinen von Ilium gesucht
werden dürfe, sondern er war auch der gewaltige Ver-
theidiger der Doctrin, dass die plastischen Künste und
ein Theil der Götterlehre von Aegypten und Assyrien

urnen mit kränzen; assyr. kunst.
näherer Betrachtung aber findet man, dass es blosse
Verzierungen sind. Die Scherben dieser Vase zeigen
eine Dicke von 2½ Centimeter. Noch zwei andere, ganz
zerbrochene, ungeheuere Wasser-, Wein- oder Leichen-
urnen, mit Verzierungen in der Form von mehreren ganz
herumlaufenden Kränzen, wurden am 22. und 23. d. M.
in 6 bis 7 Meter über der Plateforme, also in 8 oder
7 Meter senkrechter Tiefe gefunden. Beide müssen über
2 Meter hoch gewesen sein und über 1 Meter im Durch-
messer gehabt haben, denn die Scherben zeigen eine
Dicke von 5 Centimeter. Die Kränze sind ebenfalls in
Basrelief und zeigen theils ineinandergreifende doppelte
Dreiecke mit Kreisen, theils Blumen, theils drei Reihen
oder auch nur eine Reihe Kreise. Diese letztere Ver-
zierung sieht man auch auf einem im Jahre 1810 von
Lord Elgin in der Schatzkammer Agamemnon’s in
Mykene ausgegrabenen Fries von grünem Stein, der
jetzt im British Museum ist. Sowohl dieser Fries als
obige in den Tiefen Iliums von mir entdeckten Urnen
weisen entschieden assyrische Kunst auf, und kann ich
sie nicht betrachten, ohne mit Wehmuth daran zu denken,
mit welchen Freudenthränen und mit welchem Jubel-
geschrei der grosse, unvergessliche deutsche Gelehrte
Julius Braun, der leider vor drei Jahren seinen über-
mässigen Anstrengungen erlegen ist, diese trojanischen
Urnen begrüsst haben würde; denn er war nicht nur
der grosse Verfechter der Theorie, dass das homerische
Troja nur tief unter den Ruinen von Ilium gesucht
werden dürfe, sondern er war auch der gewaltige Ver-
theidiger der Doctrin, dass die plastischen Künste und
ein Theil der Götterlehre von Aegypten und Assyrien

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0129" n="63"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#k">urnen mit kränzen; assyr. kunst.</hi></fw><lb/>
näherer Betrachtung aber findet man, dass es blosse<lb/>
Verzierungen sind. Die Scherben dieser Vase zeigen<lb/>
eine Dicke von 2½ Centimeter. Noch zwei andere, ganz<lb/>
zerbrochene, ungeheuere Wasser-, Wein- oder Leichen-<lb/>
urnen, mit Verzierungen in der Form von mehreren ganz<lb/>
herumlaufenden Kränzen, wurden am 22. und 23. d. M.<lb/>
in 6 bis 7 Meter über der Plateforme, also in 8 oder<lb/>
7 Meter senkrechter Tiefe gefunden. Beide müssen über<lb/>
2 Meter hoch gewesen sein und über 1 Meter im Durch-<lb/>
messer gehabt haben, denn die Scherben zeigen eine<lb/>
Dicke von 5 Centimeter. Die Kränze sind ebenfalls in<lb/>
Basrelief und zeigen theils ineinandergreifende doppelte<lb/>
Dreiecke mit Kreisen, theils Blumen, theils drei Reihen<lb/>
oder auch nur eine Reihe Kreise. Diese letztere Ver-<lb/>
zierung sieht man auch auf einem im Jahre 1810 von<lb/>
Lord Elgin in der Schatzkammer Agamemnon&#x2019;s in<lb/>
Mykene ausgegrabenen Fries von grünem Stein, der<lb/>
jetzt im British Museum ist. Sowohl dieser Fries als<lb/>
obige in den Tiefen Iliums von mir entdeckten Urnen<lb/>
weisen entschieden assyrische Kunst auf, und kann ich<lb/>
sie nicht betrachten, ohne mit Wehmuth daran zu denken,<lb/>
mit welchen Freudenthränen und mit welchem Jubel-<lb/>
geschrei der grosse, unvergessliche deutsche Gelehrte<lb/>
Julius Braun, der leider vor drei Jahren seinen über-<lb/>
mässigen Anstrengungen erlegen ist, diese trojanischen<lb/>
Urnen begrüsst haben würde; denn er war nicht nur<lb/>
der grosse Verfechter der Theorie, dass das homerische<lb/>
Troja nur tief unter den Ruinen von Ilium gesucht<lb/>
werden dürfe, sondern er war auch der gewaltige Ver-<lb/>
theidiger der Doctrin, dass die plastischen Künste und<lb/>
ein Theil der Götterlehre von Aegypten und Assyrien<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[63/0129] urnen mit kränzen; assyr. kunst. näherer Betrachtung aber findet man, dass es blosse Verzierungen sind. Die Scherben dieser Vase zeigen eine Dicke von 2½ Centimeter. Noch zwei andere, ganz zerbrochene, ungeheuere Wasser-, Wein- oder Leichen- urnen, mit Verzierungen in der Form von mehreren ganz herumlaufenden Kränzen, wurden am 22. und 23. d. M. in 6 bis 7 Meter über der Plateforme, also in 8 oder 7 Meter senkrechter Tiefe gefunden. Beide müssen über 2 Meter hoch gewesen sein und über 1 Meter im Durch- messer gehabt haben, denn die Scherben zeigen eine Dicke von 5 Centimeter. Die Kränze sind ebenfalls in Basrelief und zeigen theils ineinandergreifende doppelte Dreiecke mit Kreisen, theils Blumen, theils drei Reihen oder auch nur eine Reihe Kreise. Diese letztere Ver- zierung sieht man auch auf einem im Jahre 1810 von Lord Elgin in der Schatzkammer Agamemnon’s in Mykene ausgegrabenen Fries von grünem Stein, der jetzt im British Museum ist. Sowohl dieser Fries als obige in den Tiefen Iliums von mir entdeckten Urnen weisen entschieden assyrische Kunst auf, und kann ich sie nicht betrachten, ohne mit Wehmuth daran zu denken, mit welchen Freudenthränen und mit welchem Jubel- geschrei der grosse, unvergessliche deutsche Gelehrte Julius Braun, der leider vor drei Jahren seinen über- mässigen Anstrengungen erlegen ist, diese trojanischen Urnen begrüsst haben würde; denn er war nicht nur der grosse Verfechter der Theorie, dass das homerische Troja nur tief unter den Ruinen von Ilium gesucht werden dürfe, sondern er war auch der gewaltige Ver- theidiger der Doctrin, dass die plastischen Künste und ein Theil der Götterlehre von Aegypten und Assyrien

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schliemann_trojanische_1874
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schliemann_trojanische_1874/129
Zitationshilfe: Schliemann, Heinrich: Trojanische Alterthümer. Bericht über die Ausgrabungen in Troja. Leipzig, 1874, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schliemann_trojanische_1874/129>, abgerufen am 22.11.2024.