daß Zusäze gemacht sind als Erklärungen und Vervollständigun- gen dem Begriffe nach. Denn es giebt auch in den didaktischen Schriften solche Parallelen, weil immer ein bestimmter Kreis von Vorstellungen behandelt wird, worin oft dieselben Elemente sich wiederholen, nur anders ausgedrückt. So konnten also bei der einen andere ähnliche Stellen beigeschrieben werden. Man muß daher auch in den didaktischen Büchern bei der Differenz der längeren und kürzeren Leseart, nächstdem daß man sie aus mechanischen Irrun- gen zu erklären sucht, darnach sehen, ob nicht etwas den Cha- rakter eines Glossems hat. Darin liegt denn aber kein absichtli- ches Verändernwollen des Textes, sondern es ist später in den Text hineingebracht, was ursprünglich nicht hineingehörte.
Hieran knüpft sich eine andere Aufgabe der Kritik.
Ebenfalls durch einzelne Worte, geringe Veränderungen oder Verschiedenheiten entsteht Gewißheit oder Ungewißheit über den Verfasser einer Schrift. Es fragt sich, wie steht es mit dieser Aufgabe, welche eine ganz andere zu sein scheint?
Die Frage, ob der Brief an die Hebräer Paulinisch sei oder nicht, ist keine kritische Frage in unsrem Sinn. Denn es giebt keinen Text, der dazu Veranlassung gäbe, keine Handschrift, welche den Namen des Apostels in der Überschrift trüge oder im Text vorkommen ließe. Von diesem Standpunkte ist der Brief ein anonymer, und die Aufgabe, den Verfasser zu ermitteln, eine Aufgabe der historischen Kritik, mit der wir es hier nicht zu thun haben. Eben so ist es mit der Frage, ob der zweite Brief Petri echt sei, und mit der, ob das Evangelium des Mat- thäus ein Werk des Apostels sei oder nicht. Was das leztere be- trifft, so giebt es keine Überschrift, welche dem Namen den Titel eines Apostels beilegte. Hier ist eben so wenig eine kritische Frage in unsrem Sinne, wie bei dem dritten Evangelium und der Apostelgeschichte, ob diese von dem Lukas herrühre, der den Apo- stel Paulus begleitete.
daß Zuſaͤze gemacht ſind als Erklaͤrungen und Vervollſtaͤndigun- gen dem Begriffe nach. Denn es giebt auch in den didaktiſchen Schriften ſolche Parallelen, weil immer ein beſtimmter Kreis von Vorſtellungen behandelt wird, worin oft dieſelben Elemente ſich wiederholen, nur anders ausgedruͤckt. So konnten alſo bei der einen andere aͤhnliche Stellen beigeſchrieben werden. Man muß daher auch in den didaktiſchen Buͤchern bei der Differenz der laͤngeren und kuͤrzeren Leſeart, naͤchſtdem daß man ſie aus mechaniſchen Irrun- gen zu erklaͤren ſucht, darnach ſehen, ob nicht etwas den Cha- rakter eines Gloſſems hat. Darin liegt denn aber kein abſichtli- ches Veraͤndernwollen des Textes, ſondern es iſt ſpaͤter in den Text hineingebracht, was urſpruͤnglich nicht hineingehoͤrte.
Hieran knuͤpft ſich eine andere Aufgabe der Kritik.
Ebenfalls durch einzelne Worte, geringe Veraͤnderungen oder Verſchiedenheiten entſteht Gewißheit oder Ungewißheit uͤber den Verfaſſer einer Schrift. Es fragt ſich, wie ſteht es mit dieſer Aufgabe, welche eine ganz andere zu ſein ſcheint?
Die Frage, ob der Brief an die Hebraͤer Pauliniſch ſei oder nicht, iſt keine kritiſche Frage in unſrem Sinn. Denn es giebt keinen Text, der dazu Veranlaſſung gaͤbe, keine Handſchrift, welche den Namen des Apoſtels in der Überſchrift truͤge oder im Text vorkommen ließe. Von dieſem Standpunkte iſt der Brief ein anonymer, und die Aufgabe, den Verfaſſer zu ermitteln, eine Aufgabe der hiſtoriſchen Kritik, mit der wir es hier nicht zu thun haben. Eben ſo iſt es mit der Frage, ob der zweite Brief Petri echt ſei, und mit der, ob das Evangelium des Mat- thaͤus ein Werk des Apoſtels ſei oder nicht. Was das leztere be- trifft, ſo giebt es keine Überſchrift, welche dem Namen den Titel eines Apoſtels beilegte. Hier iſt eben ſo wenig eine kritiſche Frage in unſrem Sinne, wie bei dem dritten Evangelium und der Apoſtelgeſchichte, ob dieſe von dem Lukas herruͤhre, der den Apo- ſtel Paulus begleitete.
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daß Zuſaͤze gemacht ſind als Erklaͤrungen und Vervollſtaͤndigun-
gen dem Begriffe nach. Denn es giebt auch in den didaktiſchen
Schriften ſolche Parallelen, weil immer ein beſtimmter Kreis von
Vorſtellungen behandelt wird, worin oft dieſelben Elemente ſich
wiederholen, nur anders ausgedruͤckt. So konnten alſo bei der einen
andere aͤhnliche Stellen beigeſchrieben werden. Man muß daher auch
in den didaktiſchen Buͤchern bei der Differenz der laͤngeren und
kuͤrzeren Leſeart, naͤchſtdem daß man ſie aus mechaniſchen Irrun-
gen zu erklaͤren ſucht, darnach ſehen, ob nicht etwas den Cha-
rakter eines Gloſſems hat. Darin liegt denn aber kein abſichtli-
ches Veraͤndernwollen des Textes, ſondern es iſt ſpaͤter in den
Text hineingebracht, was urſpruͤnglich nicht hineingehoͤrte.
Hieran knuͤpft ſich eine andere Aufgabe der Kritik.
Ebenfalls durch einzelne Worte, geringe Veraͤnderungen oder
Verſchiedenheiten entſteht Gewißheit oder Ungewißheit uͤber den
Verfaſſer einer Schrift. Es fragt ſich, wie ſteht es mit dieſer
Aufgabe, welche eine ganz andere zu ſein ſcheint?
Die Frage, ob der Brief an die Hebraͤer Pauliniſch ſei oder
nicht, iſt keine kritiſche Frage in unſrem Sinn. Denn es giebt
keinen Text, der dazu Veranlaſſung gaͤbe, keine Handſchrift,
welche den Namen des Apoſtels in der Überſchrift truͤge oder im
Text vorkommen ließe. Von dieſem Standpunkte iſt der Brief
ein anonymer, und die Aufgabe, den Verfaſſer zu ermitteln,
eine Aufgabe der hiſtoriſchen Kritik, mit der wir es hier nicht
zu thun haben. Eben ſo iſt es mit der Frage, ob der zweite
Brief Petri echt ſei, und mit der, ob das Evangelium des Mat-
thaͤus ein Werk des Apoſtels ſei oder nicht. Was das leztere be-
trifft, ſo giebt es keine Überſchrift, welche dem Namen den Titel
eines Apoſtels beilegte. Hier iſt eben ſo wenig eine kritiſche Frage
in unſrem Sinne, wie bei dem dritten Evangelium und der
Apoſtelgeſchichte, ob dieſe von dem Lukas herruͤhre, der den Apo-
ſtel Paulus begleitete.
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Schleiermacher, Friedrich: Hermeneutik und Kritik. Berlin, 1838, S. 356. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiermacher_hermeneutik_1838/380>, abgerufen am 22.12.2024.
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