ihm aus dem Gelesenen vorschwebt, er kann es als eine Bemer- kung vorfinden, auch nur dafür halten und doch in den Text aufnehmen. Dieß sind Änderungen aus freier Handlung. Es fragt sich, in welchem Grade haben wir Ursache, dieß vorauszusezen?
Es kommt darauf an, wie man überwiegende Gründe hat sich die Vervielfältigung zu denken. Denkt man sich diese so, daß mehrere gleichzeitig von Einem Originale mehrere Copien machen, so geschieht dieß durch Dictiren. Da ist jeder gebunden, die Zeit mitzuhalten und keiner hat Zeit zu Überlegungen und Änderungen. Nur von jenem Dictirenden könnten solche Ände- rungen ausgehen und würden so in alle Abschriften kommen, die Schreibenden oder Abschreibenden werden sich um so mehr hüten, Änderungen zu machen, je handwerksmäßiger sie das Geschäft treiben und auf den Ruf der Zuverlässigkeit etwas halten. Freie Veränderungen im Text lassen sich nur denken bei einem Ab- schreiber, der sein Geschäft nicht mechanisch treibt, sondern ver- ständig in der Sache selbst versirt. Anfangs kann von einem solchen oder einem aufmerksamen Leser die Veränderung auch nur auf den Rand geschrieben und nachher in den Text gekom- men sein.
So hat die Entstehung der Fehler dieser Art einen gewissen Spielraum. Aber solche Fehler der Veränderungen sind doch immer nur selten und nicht sehr verbreitet.
Es ist keine Frage, daß das Fremde, was auf die Weise in den Text gekommen, ausgeschieden werden müsse. Die Frage nach dem Ursprünglichen ist davon unabhängig und für sich bestehend.
Man hat bei der Genesis solcher Änderungen Absichtliches und Unabsichtliches zu unterscheiden. Das erstere sezt allemal etwas Anderes voraus; es muß schon Fremdes vorliegen. Wir sezen als möglich, daß in der Urschrift keine Fehler anderer Art sind, als durch mechanische Irrung entstanden; das Fehlerhafte kann von der Hand des Verfassers selbst sein. In diesem Falle wird die Änderung eine Wiederherstellung dessen sein, was der
ihm aus dem Geleſenen vorſchwebt, er kann es als eine Bemer- kung vorfinden, auch nur dafuͤr halten und doch in den Text aufnehmen. Dieß ſind Änderungen aus freier Handlung. Es fragt ſich, in welchem Grade haben wir Urſache, dieß vorauszuſezen?
Es kommt darauf an, wie man uͤberwiegende Gruͤnde hat ſich die Vervielfaͤltigung zu denken. Denkt man ſich dieſe ſo, daß mehrere gleichzeitig von Einem Originale mehrere Copien machen, ſo geſchieht dieß durch Dictiren. Da iſt jeder gebunden, die Zeit mitzuhalten und keiner hat Zeit zu Überlegungen und Änderungen. Nur von jenem Dictirenden koͤnnten ſolche Ände- rungen ausgehen und wuͤrden ſo in alle Abſchriften kommen, die Schreibenden oder Abſchreibenden werden ſich um ſo mehr huͤten, Änderungen zu machen, je handwerksmaͤßiger ſie das Geſchaͤft treiben und auf den Ruf der Zuverlaͤſſigkeit etwas halten. Freie Veraͤnderungen im Text laſſen ſich nur denken bei einem Ab- ſchreiber, der ſein Geſchaͤft nicht mechaniſch treibt, ſondern ver- ſtaͤndig in der Sache ſelbſt verſirt. Anfangs kann von einem ſolchen oder einem aufmerkſamen Leſer die Veraͤnderung auch nur auf den Rand geſchrieben und nachher in den Text gekom- men ſein.
So hat die Entſtehung der Fehler dieſer Art einen gewiſſen Spielraum. Aber ſolche Fehler der Veraͤnderungen ſind doch immer nur ſelten und nicht ſehr verbreitet.
Es iſt keine Frage, daß das Fremde, was auf die Weiſe in den Text gekommen, ausgeſchieden werden muͤſſe. Die Frage nach dem Urſpruͤnglichen iſt davon unabhaͤngig und fuͤr ſich beſtehend.
Man hat bei der Geneſis ſolcher Änderungen Abſichtliches und Unabſichtliches zu unterſcheiden. Das erſtere ſezt allemal etwas Anderes voraus; es muß ſchon Fremdes vorliegen. Wir ſezen als moͤglich, daß in der Urſchrift keine Fehler anderer Art ſind, als durch mechaniſche Irrung entſtanden; das Fehlerhafte kann von der Hand des Verfaſſers ſelbſt ſein. In dieſem Falle wird die Änderung eine Wiederherſtellung deſſen ſein, was der
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ihm aus dem Geleſenen vorſchwebt, er kann es als eine Bemer-
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aufnehmen. Dieß ſind Änderungen aus freier Handlung. Es
fragt ſich, in welchem Grade haben wir Urſache, dieß vorauszuſezen?
Es kommt darauf an, wie man uͤberwiegende Gruͤnde hat
ſich die Vervielfaͤltigung zu denken. Denkt man ſich dieſe ſo,
daß mehrere gleichzeitig von Einem Originale mehrere Copien
machen, ſo geſchieht dieß durch Dictiren. Da iſt jeder gebunden,
die Zeit mitzuhalten und keiner hat Zeit zu Überlegungen und
Änderungen. Nur von jenem Dictirenden koͤnnten ſolche Ände-
rungen ausgehen und wuͤrden ſo in alle Abſchriften kommen, die
Schreibenden oder Abſchreibenden werden ſich um ſo mehr huͤten,
Änderungen zu machen, je handwerksmaͤßiger ſie das Geſchaͤft
treiben und auf den Ruf der Zuverlaͤſſigkeit etwas halten. Freie
Veraͤnderungen im Text laſſen ſich nur denken bei einem Ab-
ſchreiber, der ſein Geſchaͤft nicht mechaniſch treibt, ſondern ver-
ſtaͤndig in der Sache ſelbſt verſirt. Anfangs kann von einem
ſolchen oder einem aufmerkſamen Leſer die Veraͤnderung auch
nur auf den Rand geſchrieben und nachher in den Text gekom-
men ſein.
So hat die Entſtehung der Fehler dieſer Art einen gewiſſen
Spielraum. Aber ſolche Fehler der Veraͤnderungen ſind doch
immer nur ſelten und nicht ſehr verbreitet.
Es iſt keine Frage, daß das Fremde, was auf die Weiſe in
den Text gekommen, ausgeſchieden werden muͤſſe. Die Frage
nach dem Urſpruͤnglichen iſt davon unabhaͤngig und fuͤr ſich
beſtehend.
Man hat bei der Geneſis ſolcher Änderungen Abſichtliches
und Unabſichtliches zu unterſcheiden. Das erſtere ſezt allemal
etwas Anderes voraus; es muß ſchon Fremdes vorliegen. Wir
ſezen als moͤglich, daß in der Urſchrift keine Fehler anderer Art
ſind, als durch mechaniſche Irrung entſtanden; das Fehlerhafte
kann von der Hand des Verfaſſers ſelbſt ſein. In dieſem Falle
wird die Änderung eine Wiederherſtellung deſſen ſein, was der
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Schleiermacher, Friedrich: Hermeneutik und Kritik. Berlin, 1838, S. 325. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiermacher_hermeneutik_1838/349>, abgerufen am 22.12.2024.
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