gelöst werden, und so sind wir wieder auf dem Gebiete der hi- storischen Kritik, und die Aufgabe ist, wie es scheint, unter den Begriff der historischen Kritik zu subsumiren. Dieß ist freilich nur Ein Fall, und ein solcher, wo die philologische Kritik auch unter die doctrinale subsumirt werden könnte, weil es dabei auf Verglei- chung einer Handlung mit ihren Regeln und Gesezen ankommt.
Eine andere Aufgabe ist die, daß wir in dem Werke eines Schriftstellers auf etwas stoßen, was den Eindruck eines Frem- den macht; es entsteht der Verdacht der Verfälschung, wobei nicht bloß an ein einzelnes Wort, sondern auch an Größeres gedacht werden kann. Ist dieser Fall auch unter die historische Kritik zu sub- sumiren? Allerdings. Ist der Verdacht gegründet, so stimmt die Relation mit der Thatsache der ursprünglichen Schrift nicht überein, im andern Falle sind beide in Übereinstimmung. Dieß zu erfahren, darauf kommt es an. So ist also die Aufgabe, aus der Relation die Thatsache zu ermitteln.
Sezen wir noch eine höhere Aufgabe. Es enthalte eine Handschrift alle Schriften eines und desselben Verfassers, darunter aber sei eine, der es an der gehörigen Identität mit den andern fehlt, so daß der Verdacht entsteht, sie sei nicht von dem Ver- fasser, wie ist dieser Fall anzusehen? Sind Zeugnisse und Gründe genug da, daß die Handschrift nur Schriften desselben Verfassers enthalten soll, steht auch z. B. durch die Überschrift fest, daß der, von dem die Handschrift ausgeht, alles als Schrift desselben Verfassers ansah, so sagt dieß Zeugniß als Thatsache aus, daß der Verfasser auch jene Schrift verfaßt habe. Wenn nun die Schrift doch verdächtig ist, so ist eine Differenz zwischen der Re- lation und der Thatsache, und diese ist auszumitteln. Dieser Fall gehört der sogenannten höheren Kritik an. Er führt aber eben so sehr zur historischen Kritik, wie jener obige, der mehr der sogenannten niederen angehört.
So werden wir also sagen, die philologische Kritik sei unter die historische zu subsumiren, sie sei ein bestimmter Theil von dieser. Dieß gilt von der Aufgabe in ihrem ganzen Umfange.
geloͤſt werden, und ſo ſind wir wieder auf dem Gebiete der hi- ſtoriſchen Kritik, und die Aufgabe iſt, wie es ſcheint, unter den Begriff der hiſtoriſchen Kritik zu ſubſumiren. Dieß iſt freilich nur Ein Fall, und ein ſolcher, wo die philologiſche Kritik auch unter die doctrinale ſubſumirt werden koͤnnte, weil es dabei auf Verglei- chung einer Handlung mit ihren Regeln und Geſezen ankommt.
Eine andere Aufgabe iſt die, daß wir in dem Werke eines Schriftſtellers auf etwas ſtoßen, was den Eindruck eines Frem- den macht; es entſteht der Verdacht der Verfaͤlſchung, wobei nicht bloß an ein einzelnes Wort, ſondern auch an Groͤßeres gedacht werden kann. Iſt dieſer Fall auch unter die hiſtoriſche Kritik zu ſub- ſumiren? Allerdings. Iſt der Verdacht gegruͤndet, ſo ſtimmt die Relation mit der Thatſache der urſpruͤnglichen Schrift nicht uͤberein, im andern Falle ſind beide in Übereinſtimmung. Dieß zu erfahren, darauf kommt es an. So iſt alſo die Aufgabe, aus der Relation die Thatſache zu ermitteln.
Sezen wir noch eine hoͤhere Aufgabe. Es enthalte eine Handſchrift alle Schriften eines und deſſelben Verfaſſers, darunter aber ſei eine, der es an der gehoͤrigen Identitaͤt mit den andern fehlt, ſo daß der Verdacht entſteht, ſie ſei nicht von dem Ver- faſſer, wie iſt dieſer Fall anzuſehen? Sind Zeugniſſe und Gruͤnde genug da, daß die Handſchrift nur Schriften deſſelben Verfaſſers enthalten ſoll, ſteht auch z. B. durch die Überſchrift feſt, daß der, von dem die Handſchrift ausgeht, alles als Schrift deſſelben Verfaſſers anſah, ſo ſagt dieß Zeugniß als Thatſache aus, daß der Verfaſſer auch jene Schrift verfaßt habe. Wenn nun die Schrift doch verdaͤchtig iſt, ſo iſt eine Differenz zwiſchen der Re- lation und der Thatſache, und dieſe iſt auszumitteln. Dieſer Fall gehoͤrt der ſogenannten hoͤheren Kritik an. Er fuͤhrt aber eben ſo ſehr zur hiſtoriſchen Kritik, wie jener obige, der mehr der ſogenannten niederen angehoͤrt.
So werden wir alſo ſagen, die philologiſche Kritik ſei unter die hiſtoriſche zu ſubſumiren, ſie ſei ein beſtimmter Theil von dieſer. Dieß gilt von der Aufgabe in ihrem ganzen Umfange.
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geloͤſt werden, und ſo ſind wir wieder auf dem Gebiete der hi-
ſtoriſchen Kritik, und die Aufgabe iſt, wie es ſcheint, unter den
Begriff der hiſtoriſchen Kritik zu ſubſumiren. Dieß iſt freilich
nur Ein Fall, und ein ſolcher, wo die philologiſche Kritik auch unter
die doctrinale ſubſumirt werden koͤnnte, weil es dabei auf Verglei-
chung einer Handlung mit ihren Regeln und Geſezen ankommt.
Eine andere Aufgabe iſt die, daß wir in dem Werke eines
Schriftſtellers auf etwas ſtoßen, was den Eindruck eines Frem-
den macht; es entſteht der Verdacht der Verfaͤlſchung, wobei nicht
bloß an ein einzelnes Wort, ſondern auch an Groͤßeres gedacht werden
kann. Iſt dieſer Fall auch unter die hiſtoriſche Kritik zu ſub-
ſumiren? Allerdings. Iſt der Verdacht gegruͤndet, ſo ſtimmt
die Relation mit der Thatſache der urſpruͤnglichen Schrift nicht
uͤberein, im andern Falle ſind beide in Übereinſtimmung. Dieß
zu erfahren, darauf kommt es an. So iſt alſo die Aufgabe, aus
der Relation die Thatſache zu ermitteln.
Sezen wir noch eine hoͤhere Aufgabe. Es enthalte eine
Handſchrift alle Schriften eines und deſſelben Verfaſſers, darunter
aber ſei eine, der es an der gehoͤrigen Identitaͤt mit den andern
fehlt, ſo daß der Verdacht entſteht, ſie ſei nicht von dem Ver-
faſſer, wie iſt dieſer Fall anzuſehen? Sind Zeugniſſe und Gruͤnde
genug da, daß die Handſchrift nur Schriften deſſelben Verfaſſers
enthalten ſoll, ſteht auch z. B. durch die Überſchrift feſt, daß der,
von dem die Handſchrift ausgeht, alles als Schrift deſſelben
Verfaſſers anſah, ſo ſagt dieß Zeugniß als Thatſache aus, daß
der Verfaſſer auch jene Schrift verfaßt habe. Wenn nun die
Schrift doch verdaͤchtig iſt, ſo iſt eine Differenz zwiſchen der Re-
lation und der Thatſache, und dieſe iſt auszumitteln. Dieſer
Fall gehoͤrt der ſogenannten hoͤheren Kritik an. Er fuͤhrt aber
eben ſo ſehr zur hiſtoriſchen Kritik, wie jener obige, der mehr
der ſogenannten niederen angehoͤrt.
So werden wir alſo ſagen, die philologiſche Kritik ſei unter
die hiſtoriſche zu ſubſumiren, ſie ſei ein beſtimmter Theil von
dieſer. Dieß gilt von der Aufgabe in ihrem ganzen Umfange.
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Schleiermacher, Friedrich: Hermeneutik und Kritik. Berlin, 1838, S. 274. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiermacher_hermeneutik_1838/298>, abgerufen am 24.12.2024.
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