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Schleiermacher, Friedrich: Hermeneutik und Kritik. Berlin, 1838.

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in einem ruhigen, der andere in einem bewegteren Tone. Darnach
stellt sich auch das Einzelne verschieden, hat eine verschiedene Be-
deutung. Es giebt sich jene Verschiedenheit am meisten kund in
der Behandlung der Sprache. Bestimmte Regeln lassen sich aber
nicht darüber aufstellen, eben weil es so sehr Sache des Gefühls ist.
Nehmen wir den Fall einer objectiven Einheit in einer briefli-
chen Darstellung, zugleich aber den Fall eines ruhigen Tones, so
können doch bedeutende Differenzen statt finden bei verschiedenen
Verfassern; der eine behandelt die Sprache musikalisch, der andere
nicht oder weniger, ohne daß dabei der Punkt, den wir jezt be-
handeln, dabei im Spiele wäre. Es giebt Menschen, die im
aufgeregten Zustande wizig, beredt sind, wie sonst nicht, und
das hat Einfluß auf das Musikalische. Andere verlieren in einem
solchen Zustande den Sinn für Harmonie. Also hierin liegt das
Charakteristische nicht. Worin liegt es denn, wodurch giebt es
sich eigentlich kund? Es ist schwer auszumitteln, was derselbe
Verfasser in dem einen oder andern Zustande geschrieben hat.
Nur durch Vergleichung läßt sich das Richtige bestimmen. Es
kann aber der Fall eintreten, daß man nicht unmittelbar solche
Vergleichungen anstellen kann. Man muß dann wie bei der
grammatischen Seite sich nach Parallelen umsehen. Es giebt in der
Art sich zu äußern etwas ganz Individuelles und Persönliches, auf
der andern Seite aber ein großes Gebiet von Analogien. Hat
man diese gefunden, so hat man eben damit die Parallelen. Aus
verwandten und vergleichbaren Schriftstellen kann ich Schlüsse
machen. Hat man bei einer Schrift, indem man sie übersieht,
das Gefühl, daß eine Einheit des Tones darin ist, so ist der
Schluß leichter und sicherer. Kann man eine solche Einheit nicht
festhalten, dann entstehen oft Verschiedenheiten in der Beurthei-
lung einzelner Stellen, worüber im Allgemeinen nicht zu ent-
scheiden ist. Es giebt gewisse Stimmungen, die mit der Neigung
zum Hyperbolischen verbunden sind. Jeder weiß, daß man mit
quantitativen Unterschieden, die solchen Stimmungen angehören,
solche hyperbolische Aussprüche zu nehmen hat. Aus dem Zusam-

in einem ruhigen, der andere in einem bewegteren Tone. Darnach
ſtellt ſich auch das Einzelne verſchieden, hat eine verſchiedene Be-
deutung. Es giebt ſich jene Verſchiedenheit am meiſten kund in
der Behandlung der Sprache. Beſtimmte Regeln laſſen ſich aber
nicht daruͤber aufſtellen, eben weil es ſo ſehr Sache des Gefuͤhls iſt.
Nehmen wir den Fall einer objectiven Einheit in einer briefli-
chen Darſtellung, zugleich aber den Fall eines ruhigen Tones, ſo
koͤnnen doch bedeutende Differenzen ſtatt finden bei verſchiedenen
Verfaſſern; der eine behandelt die Sprache muſikaliſch, der andere
nicht oder weniger, ohne daß dabei der Punkt, den wir jezt be-
handeln, dabei im Spiele waͤre. Es giebt Menſchen, die im
aufgeregten Zuſtande wizig, beredt ſind, wie ſonſt nicht, und
das hat Einfluß auf das Muſikaliſche. Andere verlieren in einem
ſolchen Zuſtande den Sinn fuͤr Harmonie. Alſo hierin liegt das
Charakteriſtiſche nicht. Worin liegt es denn, wodurch giebt es
ſich eigentlich kund? Es iſt ſchwer auszumitteln, was derſelbe
Verfaſſer in dem einen oder andern Zuſtande geſchrieben hat.
Nur durch Vergleichung laͤßt ſich das Richtige beſtimmen. Es
kann aber der Fall eintreten, daß man nicht unmittelbar ſolche
Vergleichungen anſtellen kann. Man muß dann wie bei der
grammatiſchen Seite ſich nach Parallelen umſehen. Es giebt in der
Art ſich zu aͤußern etwas ganz Individuelles und Perſoͤnliches, auf
der andern Seite aber ein großes Gebiet von Analogien. Hat
man dieſe gefunden, ſo hat man eben damit die Parallelen. Aus
verwandten und vergleichbaren Schriftſtellen kann ich Schluͤſſe
machen. Hat man bei einer Schrift, indem man ſie uͤberſieht,
das Gefuͤhl, daß eine Einheit des Tones darin iſt, ſo iſt der
Schluß leichter und ſicherer. Kann man eine ſolche Einheit nicht
feſthalten, dann entſtehen oft Verſchiedenheiten in der Beurthei-
lung einzelner Stellen, woruͤber im Allgemeinen nicht zu ent-
ſcheiden iſt. Es giebt gewiſſe Stimmungen, die mit der Neigung
zum Hyperboliſchen verbunden ſind. Jeder weiß, daß man mit
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[244/0268] in einem ruhigen, der andere in einem bewegteren Tone. Darnach ſtellt ſich auch das Einzelne verſchieden, hat eine verſchiedene Be- deutung. Es giebt ſich jene Verſchiedenheit am meiſten kund in der Behandlung der Sprache. Beſtimmte Regeln laſſen ſich aber nicht daruͤber aufſtellen, eben weil es ſo ſehr Sache des Gefuͤhls iſt. Nehmen wir den Fall einer objectiven Einheit in einer briefli- chen Darſtellung, zugleich aber den Fall eines ruhigen Tones, ſo koͤnnen doch bedeutende Differenzen ſtatt finden bei verſchiedenen Verfaſſern; der eine behandelt die Sprache muſikaliſch, der andere nicht oder weniger, ohne daß dabei der Punkt, den wir jezt be- handeln, dabei im Spiele waͤre. Es giebt Menſchen, die im aufgeregten Zuſtande wizig, beredt ſind, wie ſonſt nicht, und das hat Einfluß auf das Muſikaliſche. Andere verlieren in einem ſolchen Zuſtande den Sinn fuͤr Harmonie. Alſo hierin liegt das Charakteriſtiſche nicht. Worin liegt es denn, wodurch giebt es ſich eigentlich kund? Es iſt ſchwer auszumitteln, was derſelbe Verfaſſer in dem einen oder andern Zuſtande geſchrieben hat. Nur durch Vergleichung laͤßt ſich das Richtige beſtimmen. Es kann aber der Fall eintreten, daß man nicht unmittelbar ſolche Vergleichungen anſtellen kann. Man muß dann wie bei der grammatiſchen Seite ſich nach Parallelen umſehen. Es giebt in der Art ſich zu aͤußern etwas ganz Individuelles und Perſoͤnliches, auf der andern Seite aber ein großes Gebiet von Analogien. Hat man dieſe gefunden, ſo hat man eben damit die Parallelen. Aus verwandten und vergleichbaren Schriftſtellen kann ich Schluͤſſe machen. Hat man bei einer Schrift, indem man ſie uͤberſieht, das Gefuͤhl, daß eine Einheit des Tones darin iſt, ſo iſt der Schluß leichter und ſicherer. Kann man eine ſolche Einheit nicht feſthalten, dann entſtehen oft Verſchiedenheiten in der Beurthei- lung einzelner Stellen, woruͤber im Allgemeinen nicht zu ent- ſcheiden iſt. Es giebt gewiſſe Stimmungen, die mit der Neigung zum Hyperboliſchen verbunden ſind. Jeder weiß, daß man mit quantitativen Unterſchieden, die ſolchen Stimmungen angehoͤren, ſolche hyperboliſche Ausſpruͤche zu nehmen hat. Aus dem Zuſam-

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Zitationshilfe: Schleiermacher, Friedrich: Hermeneutik und Kritik. Berlin, 1838, S. 244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiermacher_hermeneutik_1838/268>, abgerufen am 26.12.2024.