wicklung der göttlichen Offenbarungen, und so auch des Gegensazes zwischen der früheren alttestamentischen und der christlichen Offen- barung, als der lezten, vollkommenen. Es kann einem nicht ent- gehen, daß dieser Gedanke wirklich durch die Hauptmasse hindurch- geht. Nimmt man nun dazu, daß derselbe Grundgedanke sich auch in den zweiten Theil hineinzieht, und hier daraus der Tadel des langsamen Fortschritts im Christenthum hervorgeht, dort die Warnung vor dem Zurücktreten aus dem Christenthum, so sieht man, wie das Ganze zusammenhängt, und der Verfasser die Ver- gleichung zwischen Judenthum und Christenthum in der Beziehung aufstellt, aus der Gemeinde den Gedanken eines Rücktritts ins Judenthum gänzlich zu entfernen und die Gemeinde ganz und gar für das Christenthum zu entscheiden.
Was die Form betrifft, die weniger eine bestimmte Einheit hat, so müssen wir darauf zurückgehen, daß Jemand schreiben kann aus den Umgebungen, die ihn umgeben, oder aus den Um- gebungen derer, an die er schreibt. Das Leztere wird sich durch eine gewisse Bestimmtheit in den Beziehungen hervorthun, im er- steren Falle liegt eine gewisse Unbestimmtheit in der Natur der Sache. Denn wenn ich aus den Erfahrungen die mich umge- ben einem Andern Rathschläge ertheile, so kann das doch nur auf eine unbestimmte Weise geschehen. Was dagegen aus den Umge- bungen des Andern heraus gesagt wird, hat größere Beziehung auf ihn und so auch größere Bestimmtheit. Das kann nur durch Vergleichung des Einzelnen sich zu erkennen geben, und nicht durch die Structur, wodurch man die Einheit in den mehr didak- tischen Briefen findet.
Hier ist nun ein Punkt, der oft sehr leicht oft sehr schwer zu finden ist, immer aber wichtig, das ist der Ton, die Stimmung des Schreibenden. Diese zu kennen gehört wesentlich dazu, um eine Gedankenreihe als Thatsache im Gemüth zu verstehen. Zwei Schriftsteller können dieselbe didaktische Tendenz haben, der Ge- genstand kann derselbe sein, die Art der Auffassung, die Gesin- nung, die Schreibweise können dieselben sein, aber der eine schreibt
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wicklung der goͤttlichen Offenbarungen, und ſo auch des Gegenſazes zwiſchen der fruͤheren altteſtamentiſchen und der chriſtlichen Offen- barung, als der lezten, vollkommenen. Es kann einem nicht ent- gehen, daß dieſer Gedanke wirklich durch die Hauptmaſſe hindurch- geht. Nimmt man nun dazu, daß derſelbe Grundgedanke ſich auch in den zweiten Theil hineinzieht, und hier daraus der Tadel des langſamen Fortſchritts im Chriſtenthum hervorgeht, dort die Warnung vor dem Zuruͤcktreten aus dem Chriſtenthum, ſo ſieht man, wie das Ganze zuſammenhaͤngt, und der Verfaſſer die Ver- gleichung zwiſchen Judenthum und Chriſtenthum in der Beziehung aufſtellt, aus der Gemeinde den Gedanken eines Ruͤcktritts ins Judenthum gaͤnzlich zu entfernen und die Gemeinde ganz und gar fuͤr das Chriſtenthum zu entſcheiden.
Was die Form betrifft, die weniger eine beſtimmte Einheit hat, ſo muͤſſen wir darauf zuruͤckgehen, daß Jemand ſchreiben kann aus den Umgebungen, die ihn umgeben, oder aus den Um- gebungen derer, an die er ſchreibt. Das Leztere wird ſich durch eine gewiſſe Beſtimmtheit in den Beziehungen hervorthun, im er- ſteren Falle liegt eine gewiſſe Unbeſtimmtheit in der Natur der Sache. Denn wenn ich aus den Erfahrungen die mich umge- ben einem Andern Rathſchlaͤge ertheile, ſo kann das doch nur auf eine unbeſtimmte Weiſe geſchehen. Was dagegen aus den Umge- bungen des Andern heraus geſagt wird, hat groͤßere Beziehung auf ihn und ſo auch groͤßere Beſtimmtheit. Das kann nur durch Vergleichung des Einzelnen ſich zu erkennen geben, und nicht durch die Structur, wodurch man die Einheit in den mehr didak- tiſchen Briefen findet.
Hier iſt nun ein Punkt, der oft ſehr leicht oft ſehr ſchwer zu finden iſt, immer aber wichtig, das iſt der Ton, die Stimmung des Schreibenden. Dieſe zu kennen gehoͤrt weſentlich dazu, um eine Gedankenreihe als Thatſache im Gemuͤth zu verſtehen. Zwei Schriftſteller koͤnnen dieſelbe didaktiſche Tendenz haben, der Ge- genſtand kann derſelbe ſein, die Art der Auffaſſung, die Geſin- nung, die Schreibweiſe koͤnnen dieſelben ſein, aber der eine ſchreibt
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wicklung der goͤttlichen Offenbarungen, und ſo auch des Gegenſazes
zwiſchen der fruͤheren altteſtamentiſchen und der chriſtlichen Offen-
barung, als der lezten, vollkommenen. Es kann einem nicht ent-
gehen, daß dieſer Gedanke wirklich durch die Hauptmaſſe hindurch-
geht. Nimmt man nun dazu, daß derſelbe Grundgedanke ſich
auch in den zweiten Theil hineinzieht, und hier daraus der Tadel
des langſamen Fortſchritts im Chriſtenthum hervorgeht, dort die
Warnung vor dem Zuruͤcktreten aus dem Chriſtenthum, ſo ſieht
man, wie das Ganze zuſammenhaͤngt, und der Verfaſſer die Ver-
gleichung zwiſchen Judenthum und Chriſtenthum in der Beziehung
aufſtellt, aus der Gemeinde den Gedanken eines Ruͤcktritts ins
Judenthum gaͤnzlich zu entfernen und die Gemeinde ganz und
gar fuͤr das Chriſtenthum zu entſcheiden.
Was die Form betrifft, die weniger eine beſtimmte Einheit
hat, ſo muͤſſen wir darauf zuruͤckgehen, daß Jemand ſchreiben
kann aus den Umgebungen, die ihn umgeben, oder aus den Um-
gebungen derer, an die er ſchreibt. Das Leztere wird ſich durch
eine gewiſſe Beſtimmtheit in den Beziehungen hervorthun, im er-
ſteren Falle liegt eine gewiſſe Unbeſtimmtheit in der Natur der
Sache. Denn wenn ich aus den Erfahrungen die mich umge-
ben einem Andern Rathſchlaͤge ertheile, ſo kann das doch nur auf
eine unbeſtimmte Weiſe geſchehen. Was dagegen aus den Umge-
bungen des Andern heraus geſagt wird, hat groͤßere Beziehung
auf ihn und ſo auch groͤßere Beſtimmtheit. Das kann nur durch
Vergleichung des Einzelnen ſich zu erkennen geben, und nicht
durch die Structur, wodurch man die Einheit in den mehr didak-
tiſchen Briefen findet.
Hier iſt nun ein Punkt, der oft ſehr leicht oft ſehr ſchwer
zu finden iſt, immer aber wichtig, das iſt der Ton, die Stimmung
des Schreibenden. Dieſe zu kennen gehoͤrt weſentlich dazu, um
eine Gedankenreihe als Thatſache im Gemuͤth zu verſtehen. Zwei
Schriftſteller koͤnnen dieſelbe didaktiſche Tendenz haben, der Ge-
genſtand kann derſelbe ſein, die Art der Auffaſſung, die Geſin-
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Schleiermacher, Friedrich: Hermeneutik und Kritik. Berlin, 1838, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiermacher_hermeneutik_1838/267>, abgerufen am 27.12.2024.
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