Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848.

Bild:
<< vorherige Seite

1) An der Axe finden wir ein unteres Ende "die Wurzel"
(a), mit deren seitlichen Organen, "Nebenwurzeln" (b), ein mitt-
leres Stück (aI. bis aV.) als eigentlichen "Stengel" und als Träger
der Blattorgane und Knospen, endlich ein oberes Ende (aVI.), das
sich später nach mannigfachen Vorgängen zum Saamen entwickelt und
deshalb passend "Saamenknospe" (früher mit einem unglücklich
gewählten Wort "Pflanzenei") genannt wird.

2) Bei den Blättern finden sich folgende bei Weitem mannig-
faltigere Verschiedenheiten. Die ersten, welche eine sich entwickelnde
Pflanze zeigt, welche meist schon im Saamen sich ziemlich ausgebildet
an dem Keim nachweisen lassen, sind die "Saamenlappen oder
Keimblätter" (c), von sehr einfachen Umrissen. Von diesen nach
der Mitte des Stengels werden die Blätter nach einem ziemlich durch-
greifenden Gesetz immer mannigfaltiger und verwickelter in ihren Um-
rissen und dann bis in die Nähe des oberen Endes wieder einfacher
(cI. -- cIII.). Diese Formen bezeichnet man sämmtlich als "Laub-
blätter
", sie machen das aus, was man im gemeinen Leben aus-
schließlich unter dem Ausdruck Blätter zu verstehen pflegt. Die dann
folgenden Blattorgane (cIV. -- cVII.) faßt man zugleich mit den zwi-
schen ihnen befindlichen Stengeltheilen unter dem etwas unbestimmten
Wort "Blume" oder "Blüthe" zusammen, unterscheidet aber
noch wieder vier Entwicklungsstufen. Die ersten, zweiten und vierten
(cIV. cV. cVII.), als "Kelch" "Blumenkrone" und "Fruchtblät-
ter
", unterscheiden sich gewöhnlich nur noch durch ihre Zartheit und
besonders die zweiten durch ihre Farbe von den Laubblättern. Die
Fruchtblätter erhalten ihren Namen davon, daß sie in ihren spätern sehr
merkwürdigen Veränderungen meist den wesentlichsten Theil dessen
bilden, was man im Leben als Frucht bezeichnet. Ganz anders
verhält es sich aber mit der dritten Entwicklungsstufe, in welcher das
Blatt durch so wesentliche Structurverschiedenheit verändert wird, daß
es kaum als Blatt wieder zu erkennen ist. Die Hauptsache besteht
darin, daß es ziemlich schmal und dick wird, indem sich in demselben
mehrere (häufig vier) der Länge nach neben einander liegende Höhlen

6*

1) An der Axe finden wir ein unteres Ende „die Wurzel
(a), mit deren ſeitlichen Organen, „Nebenwurzeln(b), ein mitt-
leres Stück (aI. bis aV.) als eigentlichen „Stengel“ und als Träger
der Blattorgane und Knospen, endlich ein oberes Ende (aVI.), das
ſich ſpäter nach mannigfachen Vorgängen zum Saamen entwickelt und
deshalb paſſend „Saamenknospe“ (früher mit einem unglücklich
gewählten Wort „Pflanzenei“) genannt wird.

2) Bei den Blättern finden ſich folgende bei Weitem mannig-
faltigere Verſchiedenheiten. Die erſten, welche eine ſich entwickelnde
Pflanze zeigt, welche meiſt ſchon im Saamen ſich ziemlich ausgebildet
an dem Keim nachweiſen laſſen, ſind die „Saamenlappen oder
Keimblätter(c), von ſehr einfachen Umriſſen. Von dieſen nach
der Mitte des Stengels werden die Blätter nach einem ziemlich durch-
greifenden Geſetz immer mannigfaltiger und verwickelter in ihren Um-
riſſen und dann bis in die Nähe des oberen Endes wieder einfacher
(cI. — cIII.). Dieſe Formen bezeichnet man ſämmtlich als „Laub-
blätter
“, ſie machen das aus, was man im gemeinen Leben aus-
ſchließlich unter dem Ausdruck Blätter zu verſtehen pflegt. Die dann
folgenden Blattorgane (cIV. — cVII.) faßt man zugleich mit den zwi-
ſchen ihnen befindlichen Stengeltheilen unter dem etwas unbeſtimmten
Wort „Blume“ oder „Blüthe“ zuſammen, unterſcheidet aber
noch wieder vier Entwicklungsſtufen. Die erſten, zweiten und vierten
(cIV. cV. cVII.), als „Kelch“ „Blumenkrone“ und „Fruchtblät-
ter
“, unterſcheiden ſich gewöhnlich nur noch durch ihre Zartheit und
beſonders die zweiten durch ihre Farbe von den Laubblättern. Die
Fruchtblätter erhalten ihren Namen davon, daß ſie in ihren ſpätern ſehr
merkwürdigen Veränderungen meiſt den weſentlichſten Theil deſſen
bilden, was man im Leben als Frucht bezeichnet. Ganz anders
verhält es ſich aber mit der dritten Entwicklungsſtufe, in welcher das
Blatt durch ſo weſentliche Structurverſchiedenheit verändert wird, daß
es kaum als Blatt wieder zu erkennen iſt. Die Hauptſache beſteht
darin, daß es ziemlich ſchmal und dick wird, indem ſich in demſelben
mehrere (häufig vier) der Länge nach neben einander liegende Höhlen

6*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0099" n="83"/>
        <p>1) An der <hi rendition="#g">Axe</hi> finden wir ein unteres Ende &#x201E;die <hi rendition="#g">Wurzel</hi>&#x201C;<lb/><hi rendition="#aq">(a)</hi>, mit deren &#x017F;eitlichen Organen, &#x201E;<hi rendition="#g">Nebenwurzeln</hi>&#x201C; <hi rendition="#aq">(b)</hi>, ein mitt-<lb/>
leres Stück (<hi rendition="#aq">a<hi rendition="#sup">I.</hi></hi> bis <hi rendition="#aq">a<hi rendition="#sup">V.</hi></hi>) als eigentlichen &#x201E;<hi rendition="#g">Stengel</hi>&#x201C; und als Träger<lb/>
der Blattorgane und Knospen, endlich ein oberes Ende <hi rendition="#aq">(a<hi rendition="#sup">VI.</hi>)</hi>, das<lb/>
&#x017F;ich &#x017F;päter nach mannigfachen Vorgängen zum Saamen entwickelt und<lb/>
deshalb pa&#x017F;&#x017F;end &#x201E;<hi rendition="#g">Saamenknospe</hi>&#x201C; (früher mit einem unglücklich<lb/>
gewählten Wort &#x201E;Pflanzenei&#x201C;) genannt wird.</p><lb/>
        <p>2) Bei den <hi rendition="#g">Blättern</hi> finden &#x017F;ich folgende bei Weitem mannig-<lb/>
faltigere Ver&#x017F;chiedenheiten. Die er&#x017F;ten, welche eine &#x017F;ich entwickelnde<lb/>
Pflanze zeigt, welche mei&#x017F;t &#x017F;chon im Saamen &#x017F;ich ziemlich ausgebildet<lb/>
an dem Keim nachwei&#x017F;en la&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;ind die &#x201E;<hi rendition="#g">Saamenlappen</hi> oder<lb/><hi rendition="#g">Keimblätter</hi>&#x201C; <hi rendition="#aq">(c)</hi>, von &#x017F;ehr einfachen Umri&#x017F;&#x017F;en. Von die&#x017F;en nach<lb/>
der Mitte des Stengels werden die Blätter nach einem ziemlich durch-<lb/>
greifenden Ge&#x017F;etz immer mannigfaltiger und verwickelter in ihren Um-<lb/>
ri&#x017F;&#x017F;en und dann bis in die Nähe des oberen Endes wieder einfacher<lb/><hi rendition="#aq">(c<hi rendition="#sup">I.</hi> &#x2014; c<hi rendition="#sup">III.</hi>).</hi> Die&#x017F;e Formen bezeichnet man &#x017F;ämmtlich als &#x201E;<hi rendition="#g">Laub-<lb/>
blätter</hi>&#x201C;, &#x017F;ie machen das aus, was man im gemeinen Leben aus-<lb/>
&#x017F;chließlich unter dem Ausdruck Blätter zu ver&#x017F;tehen pflegt. Die dann<lb/>
folgenden Blattorgane <hi rendition="#aq">(c<hi rendition="#sup">IV.</hi> &#x2014; c<hi rendition="#sup">VII.</hi>)</hi> faßt man zugleich mit den zwi-<lb/>
&#x017F;chen ihnen befindlichen Stengeltheilen unter dem etwas unbe&#x017F;timmten<lb/>
Wort &#x201E;<hi rendition="#g">Blume</hi>&#x201C; oder &#x201E;<hi rendition="#g">Blüthe</hi>&#x201C; zu&#x017F;ammen, unter&#x017F;cheidet aber<lb/>
noch wieder vier Entwicklungs&#x017F;tufen. Die er&#x017F;ten, zweiten und vierten<lb/><hi rendition="#aq">(c<hi rendition="#sup">IV.</hi> c<hi rendition="#sup">V.</hi> c<hi rendition="#sup">VII.</hi>)</hi>, als <hi rendition="#g">&#x201E;Kelch&#x201C; &#x201E;Blumenkrone&#x201C;</hi> und &#x201E;<hi rendition="#g">Fruchtblät-<lb/>
ter</hi>&#x201C;, unter&#x017F;cheiden &#x017F;ich gewöhnlich nur noch durch ihre Zartheit und<lb/>
be&#x017F;onders die zweiten durch ihre Farbe von den Laubblättern. Die<lb/>
Fruchtblätter erhalten ihren Namen davon, daß &#x017F;ie in ihren &#x017F;pätern &#x017F;ehr<lb/>
merkwürdigen Veränderungen mei&#x017F;t den we&#x017F;entlich&#x017F;ten Theil de&#x017F;&#x017F;en<lb/>
bilden, was man im Leben als Frucht bezeichnet. Ganz anders<lb/>
verhält es &#x017F;ich aber mit der dritten Entwicklungs&#x017F;tufe, in welcher das<lb/>
Blatt durch &#x017F;o we&#x017F;entliche Structurver&#x017F;chiedenheit verändert wird, daß<lb/>
es kaum als Blatt wieder zu erkennen i&#x017F;t. Die Haupt&#x017F;ache be&#x017F;teht<lb/>
darin, daß es ziemlich &#x017F;chmal und dick wird, indem &#x017F;ich in dem&#x017F;elben<lb/>
mehrere (häufig vier) der Länge nach neben einander liegende Höhlen<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">6*</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[83/0099] 1) An der Axe finden wir ein unteres Ende „die Wurzel“ (a), mit deren ſeitlichen Organen, „Nebenwurzeln“ (b), ein mitt- leres Stück (aI. bis aV.) als eigentlichen „Stengel“ und als Träger der Blattorgane und Knospen, endlich ein oberes Ende (aVI.), das ſich ſpäter nach mannigfachen Vorgängen zum Saamen entwickelt und deshalb paſſend „Saamenknospe“ (früher mit einem unglücklich gewählten Wort „Pflanzenei“) genannt wird. 2) Bei den Blättern finden ſich folgende bei Weitem mannig- faltigere Verſchiedenheiten. Die erſten, welche eine ſich entwickelnde Pflanze zeigt, welche meiſt ſchon im Saamen ſich ziemlich ausgebildet an dem Keim nachweiſen laſſen, ſind die „Saamenlappen oder Keimblätter“ (c), von ſehr einfachen Umriſſen. Von dieſen nach der Mitte des Stengels werden die Blätter nach einem ziemlich durch- greifenden Geſetz immer mannigfaltiger und verwickelter in ihren Um- riſſen und dann bis in die Nähe des oberen Endes wieder einfacher (cI. — cIII.). Dieſe Formen bezeichnet man ſämmtlich als „Laub- blätter“, ſie machen das aus, was man im gemeinen Leben aus- ſchließlich unter dem Ausdruck Blätter zu verſtehen pflegt. Die dann folgenden Blattorgane (cIV. — cVII.) faßt man zugleich mit den zwi- ſchen ihnen befindlichen Stengeltheilen unter dem etwas unbeſtimmten Wort „Blume“ oder „Blüthe“ zuſammen, unterſcheidet aber noch wieder vier Entwicklungsſtufen. Die erſten, zweiten und vierten (cIV. cV. cVII.), als „Kelch“ „Blumenkrone“ und „Fruchtblät- ter“, unterſcheiden ſich gewöhnlich nur noch durch ihre Zartheit und beſonders die zweiten durch ihre Farbe von den Laubblättern. Die Fruchtblätter erhalten ihren Namen davon, daß ſie in ihren ſpätern ſehr merkwürdigen Veränderungen meiſt den weſentlichſten Theil deſſen bilden, was man im Leben als Frucht bezeichnet. Ganz anders verhält es ſich aber mit der dritten Entwicklungsſtufe, in welcher das Blatt durch ſo weſentliche Structurverſchiedenheit verändert wird, daß es kaum als Blatt wieder zu erkennen iſt. Die Hauptſache beſteht darin, daß es ziemlich ſchmal und dick wird, indem ſich in demſelben mehrere (häufig vier) der Länge nach neben einander liegende Höhlen 6*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schleiden_pflanze_1848
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schleiden_pflanze_1848/99
Zitationshilfe: Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiden_pflanze_1848/99>, abgerufen am 05.12.2024.