der Pflanzenwelt ganz fremde Naturkräfte ins Mittel und greifen, indem sie ihre eignen unabhängigen Naturzwecke erfüllen, ganz bei- läufig auf eine so wesentliche Weise in das Leben der Pflanzenwelt ein, daß man glauben sollte dies sey ihre einzige Bestimmung. Denn sind es Landpflanzen, so treibt der Wind die ungeheure Menge des Blüthenstaubs weit umher und die Luft ist oft so sehr damit erfüllt, daß ein plötzlicher Regen den Blüthenstaub in sichtbarer Menge als sogenannten Schwefelregen aus der Luft niederschlägt. Bei so großem Ueberfluß erreichen dann natürlich auch Körner genug den Ort ihrer Bestimmung. Sind es dagegen Wasserpflanzen, so schwimmt der Fruchtknoten in einer Weise, daß die leichten Wellen ihn bespülen, und der im Wasser umhertreibende Pollen wird so an seinen Ort gebracht. Bei den meisten Pflanzen aber sind die Insecten, die ihre Nahrung in dem süßen Safte der Blüthen suchen, zugleich gezwungen, den Transport des Blüthenstaubs an den Ort seiner Bestimmung zu übernehmen. Besonders in den beiden großen Pflanzenfamilien, den Asclepiadeen, denen die syrische Seidenpflanze angehört, und den Orchideen, die mit ihren prachtvollen, bunten Schmetterlingen und wunderlich gebauten Insecten gleichenden Blüthen die feuchtwarmen Schatten der Tropenwälder schmücken -- bei diesen beiden Pflanzen- gruppen besonders zeigt sich das entschiedene Eingreifen der belebten Geschöpfe zur Vermehrung der Pflanzen. Bei ihnen ist der Blüthen- staub jedes Staubbeutels durch einen Vogelleim ähnlichen Stoff zu Einer Masse zusammengeklebt und hängt sich den Nectar suchenden Insecten so fest an, daß sie ihn nicht abwerfen können. Die Honig- behälter sind in einer Weise in den Blumen angebracht, daß das Insect, um zu denselben zu gelangen, nothwendig eng an der Narbe vorbei streifen muß, und so wird der Pollen an seinen Ort gebracht. Oft sieht man auf der Seidenpflanze Fliegen umherkriechen die eine große Anzahl solcher keulenförmigen Pollenmassen an den Beinen hängen haben und in einigen Gegenden kennen die Bienenväter eine eigne Krankheit ihrer fleißigen Thierchen, "die Keulenkrankheit" die in nichts Anderem besteht als daß sich so viele Blüthenstaubmassen der Orchi-
der Pflanzenwelt ganz fremde Naturkräfte ins Mittel und greifen, indem ſie ihre eignen unabhängigen Naturzwecke erfüllen, ganz bei- läufig auf eine ſo weſentliche Weiſe in das Leben der Pflanzenwelt ein, daß man glauben ſollte dies ſey ihre einzige Beſtimmung. Denn ſind es Landpflanzen, ſo treibt der Wind die ungeheure Menge des Blüthenſtaubs weit umher und die Luft iſt oft ſo ſehr damit erfüllt, daß ein plötzlicher Regen den Blüthenſtaub in ſichtbarer Menge als ſogenannten Schwefelregen aus der Luft niederſchlägt. Bei ſo großem Ueberfluß erreichen dann natürlich auch Körner genug den Ort ihrer Beſtimmung. Sind es dagegen Waſſerpflanzen, ſo ſchwimmt der Fruchtknoten in einer Weiſe, daß die leichten Wellen ihn beſpülen, und der im Waſſer umhertreibende Pollen wird ſo an ſeinen Ort gebracht. Bei den meiſten Pflanzen aber ſind die Inſecten, die ihre Nahrung in dem ſüßen Safte der Blüthen ſuchen, zugleich gezwungen, den Transport des Blüthenſtaubs an den Ort ſeiner Beſtimmung zu übernehmen. Beſonders in den beiden großen Pflanzenfamilien, den Aſclepiadeen, denen die ſyriſche Seidenpflanze angehört, und den Orchideen, die mit ihren prachtvollen, bunten Schmetterlingen und wunderlich gebauten Inſecten gleichenden Blüthen die feuchtwarmen Schatten der Tropenwälder ſchmücken — bei dieſen beiden Pflanzen- gruppen beſonders zeigt ſich das entſchiedene Eingreifen der belebten Geſchöpfe zur Vermehrung der Pflanzen. Bei ihnen iſt der Blüthen- ſtaub jedes Staubbeutels durch einen Vogelleim ähnlichen Stoff zu Einer Maſſe zuſammengeklebt und hängt ſich den Nectar ſuchenden Inſecten ſo feſt an, daß ſie ihn nicht abwerfen können. Die Honig- behälter ſind in einer Weiſe in den Blumen angebracht, daß das Inſect, um zu denſelben zu gelangen, nothwendig eng an der Narbe vorbei ſtreifen muß, und ſo wird der Pollen an ſeinen Ort gebracht. Oft ſieht man auf der Seidenpflanze Fliegen umherkriechen die eine große Anzahl ſolcher keulenförmigen Pollenmaſſen an den Beinen hängen haben und in einigen Gegenden kennen die Bienenväter eine eigne Krankheit ihrer fleißigen Thierchen, „die Keulenkrankheit“ die in nichts Anderem beſteht als daß ſich ſo viele Blüthenſtaubmaſſen der Orchi-
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der Pflanzenwelt ganz fremde Naturkräfte ins Mittel und greifen,
indem ſie ihre eignen unabhängigen Naturzwecke erfüllen, ganz bei-
läufig auf eine ſo weſentliche Weiſe in das Leben der Pflanzenwelt
ein, daß man glauben ſollte dies ſey ihre einzige Beſtimmung. Denn
ſind es Landpflanzen, ſo treibt der Wind die ungeheure Menge des
Blüthenſtaubs weit umher und die Luft iſt oft ſo ſehr damit erfüllt,
daß ein plötzlicher Regen den Blüthenſtaub in ſichtbarer Menge als
ſogenannten Schwefelregen aus der Luft niederſchlägt. Bei ſo großem
Ueberfluß erreichen dann natürlich auch Körner genug den Ort ihrer
Beſtimmung. Sind es dagegen Waſſerpflanzen, ſo ſchwimmt der
Fruchtknoten in einer Weiſe, daß die leichten Wellen ihn beſpülen,
und der im Waſſer umhertreibende Pollen wird ſo an ſeinen Ort
gebracht. Bei den meiſten Pflanzen aber ſind die Inſecten, die ihre
Nahrung in dem ſüßen Safte der Blüthen ſuchen, zugleich gezwungen,
den Transport des Blüthenſtaubs an den Ort ſeiner Beſtimmung zu
übernehmen. Beſonders in den beiden großen Pflanzenfamilien, den
Aſclepiadeen, denen die ſyriſche Seidenpflanze angehört, und den
Orchideen, die mit ihren prachtvollen, bunten Schmetterlingen und
wunderlich gebauten Inſecten gleichenden Blüthen die feuchtwarmen
Schatten der Tropenwälder ſchmücken — bei dieſen beiden Pflanzen-
gruppen beſonders zeigt ſich das entſchiedene Eingreifen der belebten
Geſchöpfe zur Vermehrung der Pflanzen. Bei ihnen iſt der Blüthen-
ſtaub jedes Staubbeutels durch einen Vogelleim ähnlichen Stoff zu
Einer Maſſe zuſammengeklebt und hängt ſich den Nectar ſuchenden
Inſecten ſo feſt an, daß ſie ihn nicht abwerfen können. Die Honig-
behälter ſind in einer Weiſe in den Blumen angebracht, daß das
Inſect, um zu denſelben zu gelangen, nothwendig eng an der Narbe
vorbei ſtreifen muß, und ſo wird der Pollen an ſeinen Ort gebracht.
Oft ſieht man auf der Seidenpflanze Fliegen umherkriechen die eine
große Anzahl ſolcher keulenförmigen Pollenmaſſen an den Beinen
hängen haben und in einigen Gegenden kennen die Bienenväter eine
eigne Krankheit ihrer fleißigen Thierchen, „die Keulenkrankheit“ die in
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Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiden_pflanze_1848/86>, abgerufen am 05.12.2024.
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