Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848.

Bild:
<< vorherige Seite

noch einen feinen Ueberzug von Wachs oder Harz erhält und dadurch
wird die Oberhaut völlig undurchdringlich für Flüssigkeiten und selbst
unnetzbar, indem Wasser davon wie von einer fettigen Substanz ab-
läuft. Nur an gewissen Puncten bleiben zwischen den Zellen kleine
Lücken, welche ins Innere der Pflanze führen. In diese Lücke lagern
sich gewöhnlich zwei halbmondförmige Zellen, die mit der ausgerun-
deten Seite einander zugewendet sind und so zwischen sich eine Spalte
lassen, übrigens aber die Lücken vollig verschließen. Diese Spalte,
wodurch die Pflanze mit der Atmosphäre communicirt und Gasarten
und Wasserdünste aushaucht, verengert und erweitert sich nach dem
Bedürfniß. Man nennt diese Lücken mit den halbmondförmigen Zellen
Spaltöffnungen und die ganze Zellenschicht, in welcher sie vorkommen,
die Oberhaut der Pflanzen. (Taf. I. Fig. 12.)

In jedem lebhaft-vegetirenden Pflanzentheil findet aber auch
ein beständiges Zuströmen von neuem Nahrungsstoffe Statt, welcher
von der Wurzel aufgenommen wird und dessen überschüssiges Wasser
eben durch die Spaltöffnung verdunstet. -- Diese Saftbewegung ver-
wandelt die Streifen von Zellen, durch welche es mit besonderer
Lebhaftigkeit durchgeht in langgestreckte Zellen. Die meisten derselben
werden stark verdickt, einige verlieren auch wohl plötzlich ihren flüssi-
gen Inhalt und nehmen statt dessen Luft auf, man nennt diese dann
Gefäße (Luftgefäße) und so bilden sich in der Masse des Zellgewebes
Bündel langgestreckter Zellen und Gefäße, Gefäßbündel genannt
(Taf. I. Fig. 13, b.), die dem unbewaffneten Auge wie derbe Fasern
erscheinen, welche das Pflanzengewebe durchziehen. Bei einer großen
Pflanzenabtheilung, bei den Monocotyledonen, wozu Gräser, Lilien,
Palmen u. s. w. gehören, bleiben diese Gefäßbündel auf einer ge-
wissen Stufe der Ausbildung stehen und verändern sich ferner nicht.
Bei einer andern Classe von Pflanzen dagegen, bei den Dicotyledo-
nen, wozu unsere Waldbäume, Küchenkräuter und Gemüse, so wie
viele andere gehören, entstehen fortwährend an der Außenseite jedes
Gefäßbündels neue Zellen, die ebenfalls zu Gefäßbündelzellen werden
und so die Gefäßbündel fortwährend verdicken. In Folge dessen

noch einen feinen Ueberzug von Wachs oder Harz erhält und dadurch
wird die Oberhaut völlig undurchdringlich für Flüſſigkeiten und ſelbſt
unnetzbar, indem Waſſer davon wie von einer fettigen Subſtanz ab-
läuft. Nur an gewiſſen Puncten bleiben zwiſchen den Zellen kleine
Lücken, welche ins Innere der Pflanze führen. In dieſe Lücke lagern
ſich gewöhnlich zwei halbmondförmige Zellen, die mit der ausgerun-
deten Seite einander zugewendet ſind und ſo zwiſchen ſich eine Spalte
laſſen, übrigens aber die Lücken vollig verſchließen. Dieſe Spalte,
wodurch die Pflanze mit der Atmoſphäre communicirt und Gasarten
und Waſſerdünſte aushaucht, verengert und erweitert ſich nach dem
Bedürfniß. Man nennt dieſe Lücken mit den halbmondförmigen Zellen
Spaltöffnungen und die ganze Zellenſchicht, in welcher ſie vorkommen,
die Oberhaut der Pflanzen. (Taf. I. Fig. 12.)

In jedem lebhaft-vegetirenden Pflanzentheil findet aber auch
ein beſtändiges Zuſtrömen von neuem Nahrungsſtoffe Statt, welcher
von der Wurzel aufgenommen wird und deſſen überſchüſſiges Waſſer
eben durch die Spaltöffnung verdunſtet. — Dieſe Saftbewegung ver-
wandelt die Streifen von Zellen, durch welche es mit beſonderer
Lebhaftigkeit durchgeht in langgeſtreckte Zellen. Die meiſten derſelben
werden ſtark verdickt, einige verlieren auch wohl plötzlich ihren flüſſi-
gen Inhalt und nehmen ſtatt deſſen Luft auf, man nennt dieſe dann
Gefäße (Luftgefäße) und ſo bilden ſich in der Maſſe des Zellgewebes
Bündel langgeſtreckter Zellen und Gefäße, Gefäßbündel genannt
(Taf. I. Fig. 13, b.), die dem unbewaffneten Auge wie derbe Faſern
erſcheinen, welche das Pflanzengewebe durchziehen. Bei einer großen
Pflanzenabtheilung, bei den Monocotyledonen, wozu Gräſer, Lilien,
Palmen u. ſ. w. gehören, bleiben dieſe Gefäßbündel auf einer ge-
wiſſen Stufe der Ausbildung ſtehen und verändern ſich ferner nicht.
Bei einer andern Claſſe von Pflanzen dagegen, bei den Dicotyledo-
nen, wozu unſere Waldbäume, Küchenkräuter und Gemüſe, ſo wie
viele andere gehören, entſtehen fortwährend an der Außenſeite jedes
Gefäßbündels neue Zellen, die ebenfalls zu Gefäßbündelzellen werden
und ſo die Gefäßbündel fortwährend verdicken. In Folge deſſen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0060" n="44"/>
noch einen feinen Ueberzug von Wachs oder Harz erhält und dadurch<lb/>
wird die Oberhaut völlig undurchdringlich für Flü&#x017F;&#x017F;igkeiten und &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
unnetzbar, indem Wa&#x017F;&#x017F;er davon wie von einer fettigen Sub&#x017F;tanz ab-<lb/>
läuft. Nur an gewi&#x017F;&#x017F;en Puncten bleiben zwi&#x017F;chen den Zellen kleine<lb/>
Lücken, welche ins Innere der Pflanze führen. In die&#x017F;e Lücke lagern<lb/>
&#x017F;ich gewöhnlich zwei halbmondförmige Zellen, die mit der ausgerun-<lb/>
deten Seite einander zugewendet &#x017F;ind und &#x017F;o zwi&#x017F;chen &#x017F;ich eine Spalte<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en, übrigens aber die Lücken vollig ver&#x017F;chließen. Die&#x017F;e Spalte,<lb/>
wodurch die Pflanze mit der Atmo&#x017F;phäre communicirt und Gasarten<lb/>
und Wa&#x017F;&#x017F;erdün&#x017F;te aushaucht, verengert und erweitert &#x017F;ich nach dem<lb/>
Bedürfniß. Man nennt die&#x017F;e Lücken mit den halbmondförmigen Zellen<lb/>
Spaltöffnungen und die ganze Zellen&#x017F;chicht, in welcher &#x017F;ie vorkommen,<lb/>
die Oberhaut der Pflanzen. (Taf. <hi rendition="#aq">I.</hi> Fig. 12.)</p><lb/>
        <p>In jedem lebhaft-vegetirenden Pflanzentheil findet aber auch<lb/>
ein be&#x017F;tändiges Zu&#x017F;trömen von neuem Nahrungs&#x017F;toffe Statt, welcher<lb/>
von der Wurzel aufgenommen wird und de&#x017F;&#x017F;en über&#x017F;chü&#x017F;&#x017F;iges Wa&#x017F;&#x017F;er<lb/>
eben durch die Spaltöffnung verdun&#x017F;tet. &#x2014; Die&#x017F;e Saftbewegung ver-<lb/>
wandelt die Streifen von Zellen, durch welche es mit be&#x017F;onderer<lb/>
Lebhaftigkeit durchgeht in langge&#x017F;treckte Zellen. Die mei&#x017F;ten der&#x017F;elben<lb/>
werden &#x017F;tark verdickt, einige verlieren auch wohl plötzlich ihren flü&#x017F;&#x017F;i-<lb/>
gen Inhalt und nehmen &#x017F;tatt de&#x017F;&#x017F;en Luft auf, man nennt die&#x017F;e dann<lb/>
Gefäße (Luftgefäße) und &#x017F;o bilden &#x017F;ich in der Ma&#x017F;&#x017F;e des Zellgewebes<lb/>
Bündel langge&#x017F;treckter Zellen und Gefäße, Gefäßbündel genannt<lb/>
(Taf. <hi rendition="#aq">I.</hi> Fig. 13, <hi rendition="#aq">b.</hi>), die dem unbewaffneten Auge wie derbe Fa&#x017F;ern<lb/>
er&#x017F;cheinen, welche das Pflanzengewebe durchziehen. Bei einer großen<lb/>
Pflanzenabtheilung, bei den Monocotyledonen, wozu Grä&#x017F;er, Lilien,<lb/>
Palmen u. &#x017F;. w. gehören, bleiben die&#x017F;e Gefäßbündel auf einer ge-<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en Stufe der Ausbildung &#x017F;tehen und verändern &#x017F;ich ferner nicht.<lb/>
Bei einer andern Cla&#x017F;&#x017F;e von Pflanzen dagegen, bei den Dicotyledo-<lb/>
nen, wozu un&#x017F;ere Waldbäume, Küchenkräuter und Gemü&#x017F;e, &#x017F;o wie<lb/>
viele andere gehören, ent&#x017F;tehen fortwährend an der Außen&#x017F;eite jedes<lb/>
Gefäßbündels neue Zellen, die ebenfalls zu Gefäßbündelzellen werden<lb/>
und &#x017F;o die Gefäßbündel fortwährend verdicken. In Folge de&#x017F;&#x017F;en<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[44/0060] noch einen feinen Ueberzug von Wachs oder Harz erhält und dadurch wird die Oberhaut völlig undurchdringlich für Flüſſigkeiten und ſelbſt unnetzbar, indem Waſſer davon wie von einer fettigen Subſtanz ab- läuft. Nur an gewiſſen Puncten bleiben zwiſchen den Zellen kleine Lücken, welche ins Innere der Pflanze führen. In dieſe Lücke lagern ſich gewöhnlich zwei halbmondförmige Zellen, die mit der ausgerun- deten Seite einander zugewendet ſind und ſo zwiſchen ſich eine Spalte laſſen, übrigens aber die Lücken vollig verſchließen. Dieſe Spalte, wodurch die Pflanze mit der Atmoſphäre communicirt und Gasarten und Waſſerdünſte aushaucht, verengert und erweitert ſich nach dem Bedürfniß. Man nennt dieſe Lücken mit den halbmondförmigen Zellen Spaltöffnungen und die ganze Zellenſchicht, in welcher ſie vorkommen, die Oberhaut der Pflanzen. (Taf. I. Fig. 12.) In jedem lebhaft-vegetirenden Pflanzentheil findet aber auch ein beſtändiges Zuſtrömen von neuem Nahrungsſtoffe Statt, welcher von der Wurzel aufgenommen wird und deſſen überſchüſſiges Waſſer eben durch die Spaltöffnung verdunſtet. — Dieſe Saftbewegung ver- wandelt die Streifen von Zellen, durch welche es mit beſonderer Lebhaftigkeit durchgeht in langgeſtreckte Zellen. Die meiſten derſelben werden ſtark verdickt, einige verlieren auch wohl plötzlich ihren flüſſi- gen Inhalt und nehmen ſtatt deſſen Luft auf, man nennt dieſe dann Gefäße (Luftgefäße) und ſo bilden ſich in der Maſſe des Zellgewebes Bündel langgeſtreckter Zellen und Gefäße, Gefäßbündel genannt (Taf. I. Fig. 13, b.), die dem unbewaffneten Auge wie derbe Faſern erſcheinen, welche das Pflanzengewebe durchziehen. Bei einer großen Pflanzenabtheilung, bei den Monocotyledonen, wozu Gräſer, Lilien, Palmen u. ſ. w. gehören, bleiben dieſe Gefäßbündel auf einer ge- wiſſen Stufe der Ausbildung ſtehen und verändern ſich ferner nicht. Bei einer andern Claſſe von Pflanzen dagegen, bei den Dicotyledo- nen, wozu unſere Waldbäume, Küchenkräuter und Gemüſe, ſo wie viele andere gehören, entſtehen fortwährend an der Außenſeite jedes Gefäßbündels neue Zellen, die ebenfalls zu Gefäßbündelzellen werden und ſo die Gefäßbündel fortwährend verdicken. In Folge deſſen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schleiden_pflanze_1848
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schleiden_pflanze_1848/60
Zitationshilfe: Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiden_pflanze_1848/60>, abgerufen am 04.05.2024.