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Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848.

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Wenn wir einem gewandten Taschenspieler zuschauen, wenn er
die zauberähnlichen Wirkungen seiner täuschenden Kunst vor uns ent-
faltet, werden wir nach und nach zur staunenden Bewunderung hin-
gerissen, die uns endlich unwillkürlich die Aeußerungen des Beifalls
entlockt, welche gewöhnlich seine gelungenen Productionen zu beglei-
ten und zu belohnen pflegen. -- Wird es uns nun aber gestattet, sein
Theater zu betreten, ihm im eigentlichsten Sinne in die Karten zu
sehen, wie sehr kommen wir da von unserm Erstaunen zurück, wenn
wir wahrnehmen, wie complicirter Vorrichtungen er bedarf, wie viele
Gehülfen ihm zur Hand gehen müssen, mit einem Worte, wie man-
nigfaltige und große Mittel er anwenden muß, um Erfolge hervor-
zubringen, die doch am Ende mit den angewendeten Mitteln in kei-
nem Verhältnisse stehen. -- Und sehen wir uns weiter um in allen
Verhältnissen des Lebens, finden wir da nicht bald, daß es ein charak-
teristischer Zug für die beschränkte Stellung des Menschen ist, daß
das Resultat seiner kühnsten Anstrengungen zuletzt auf Wenig oder
Nichts hinausläuft, daß, wenn er Alles aufgeboten, was Talent und
begünstigende Umstände ihm an Macht darreichten, er sich am Ende
doch gestehen muß, daß das, was er errungen, nur ein geringer Preis
ist für die verwendeten Kosten? --

Der gerade Gegensatz von dem ist die Natur. -- Von Jugend
auf gewohnt, ihre Werke in ewig sich erneuerndem Reichthum um
uns ausgebreitet zu sehen, gehen wir meist kalt an ihnen vorüber.
Das sinnigere Gemüth fühlt sich von ihnen angezogen und fängt an,
mit einer Art süßen Schauers die geheimnißvollen Kräfte, die um

Wenn wir einem gewandten Taſchenſpieler zuſchauen, wenn er
die zauberähnlichen Wirkungen ſeiner täuſchenden Kunſt vor uns ent-
faltet, werden wir nach und nach zur ſtaunenden Bewunderung hin-
geriſſen, die uns endlich unwillkürlich die Aeußerungen des Beifalls
entlockt, welche gewöhnlich ſeine gelungenen Productionen zu beglei-
ten und zu belohnen pflegen. — Wird es uns nun aber geſtattet, ſein
Theater zu betreten, ihm im eigentlichſten Sinne in die Karten zu
ſehen, wie ſehr kommen wir da von unſerm Erſtaunen zurück, wenn
wir wahrnehmen, wie complicirter Vorrichtungen er bedarf, wie viele
Gehülfen ihm zur Hand gehen müſſen, mit einem Worte, wie man-
nigfaltige und große Mittel er anwenden muß, um Erfolge hervor-
zubringen, die doch am Ende mit den angewendeten Mitteln in kei-
nem Verhältniſſe ſtehen. — Und ſehen wir uns weiter um in allen
Verhältniſſen des Lebens, finden wir da nicht bald, daß es ein charak-
teriſtiſcher Zug für die beſchränkte Stellung des Menſchen iſt, daß
das Reſultat ſeiner kühnſten Anſtrengungen zuletzt auf Wenig oder
Nichts hinausläuft, daß, wenn er Alles aufgeboten, was Talent und
begünſtigende Umſtände ihm an Macht darreichten, er ſich am Ende
doch geſtehen muß, daß das, was er errungen, nur ein geringer Preis
iſt für die verwendeten Koſten? —

Der gerade Gegenſatz von dem iſt die Natur. — Von Jugend
auf gewohnt, ihre Werke in ewig ſich erneuerndem Reichthum um
uns ausgebreitet zu ſehen, gehen wir meiſt kalt an ihnen vorüber.
Das ſinnigere Gemüth fühlt ſich von ihnen angezogen und fängt an,
mit einer Art ſüßen Schauers die geheimnißvollen Kräfte, die um

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[[37]/0053] Wenn wir einem gewandten Taſchenſpieler zuſchauen, wenn er die zauberähnlichen Wirkungen ſeiner täuſchenden Kunſt vor uns ent- faltet, werden wir nach und nach zur ſtaunenden Bewunderung hin- geriſſen, die uns endlich unwillkürlich die Aeußerungen des Beifalls entlockt, welche gewöhnlich ſeine gelungenen Productionen zu beglei- ten und zu belohnen pflegen. — Wird es uns nun aber geſtattet, ſein Theater zu betreten, ihm im eigentlichſten Sinne in die Karten zu ſehen, wie ſehr kommen wir da von unſerm Erſtaunen zurück, wenn wir wahrnehmen, wie complicirter Vorrichtungen er bedarf, wie viele Gehülfen ihm zur Hand gehen müſſen, mit einem Worte, wie man- nigfaltige und große Mittel er anwenden muß, um Erfolge hervor- zubringen, die doch am Ende mit den angewendeten Mitteln in kei- nem Verhältniſſe ſtehen. — Und ſehen wir uns weiter um in allen Verhältniſſen des Lebens, finden wir da nicht bald, daß es ein charak- teriſtiſcher Zug für die beſchränkte Stellung des Menſchen iſt, daß das Reſultat ſeiner kühnſten Anſtrengungen zuletzt auf Wenig oder Nichts hinausläuft, daß, wenn er Alles aufgeboten, was Talent und begünſtigende Umſtände ihm an Macht darreichten, er ſich am Ende doch geſtehen muß, daß das, was er errungen, nur ein geringer Preis iſt für die verwendeten Koſten? — Der gerade Gegenſatz von dem iſt die Natur. — Von Jugend auf gewohnt, ihre Werke in ewig ſich erneuerndem Reichthum um uns ausgebreitet zu ſehen, gehen wir meiſt kalt an ihnen vorüber. Das ſinnigere Gemüth fühlt ſich von ihnen angezogen und fängt an, mit einer Art ſüßen Schauers die geheimnißvollen Kräfte, die um

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Zitationshilfe: Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848, S. [37]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiden_pflanze_1848/53>, abgerufen am 05.12.2024.