haben ein grasartig dünnes Gewebe und flattern luftig und leicht um die sich langsam wiegenden Blattstiele. Bei Palmen mit gefiedertem Laube entspringen die Blattstiele entweder aus dem dürren, rauhen, holzigen Theile des Schaftes, oder auf dem rauhen Theile des Stammes ist ein grasgrüner, glatter, dünnerer Schaft wie Säule auf Säule aufgesetzt, aus dem die Blätter hervortreten. In der Fächer- palme ruht die blätterreiche Krone oft auf einer Lage dürren Lau- bes, ein Umstand, der dem Gewächse einen ernsten, melancholischen Charakter gewährt. In einigen Schirmpalmen besteht die Krone aus wenigen sich an schlanken langen Stielen erhebenden Fächern.
Unter dem Ursprunge der Blätter aus dem Stamme brechen bei allen Palmen die Blüthentheile hervor. Die Art dieses Hervorbrechens modificirt ebenfalls ihre Gestalt. Bei Wenigen steht die große tuten- förmig zusammengerollte Scheide senkrecht und aus ihr erhebt sich der dichte Strauß der Früchte, einer Ananas ähnlich. Bei den Meisten hängen die oft mehrere Fuß langen Scheiden bald glatt, bald feindlich rauh abwärts, oft von blendender Weiße, die weit in die Ferne glänzt.
Auch in Gestalt und Farbe der Früchte ist mehr Mannigfal- tigkeit als man gewöhnlich glaubt. Die Lepidocaryen, die Sagupalme sind mit eierförmigen Früchten geziert, deren schup- pige, braune, glatte Oberfläche ihnen das Ansehen junger schöner Tannenzapfen giebt. Welcher Abstand von der ungeheuren dreikan- tigen Cocosnuß zu der Beere der Dattel und den kleinen kirschenähn- lichen Steinfrüchten des Corozo. Keine Palmenfrucht kommt aber an Schönheit den Früchten der Pirijao von St. Fernando de Ata- bapo gleich; eierfarbene, goldfarbene und zur Hälfte purpurrothe Aepfel hängen traubenartig zusammengedrängt von dem Gipfel der majestätischen Stämme herab. --
Mag dieses zur Charakteristik der Palmen genügen, uns bleibt noch eine letzte Hauptform zu betrachten übrig, in der sich am innig- sten Stamm und Blattbildung mit einander verschmelzen und unge- sondert den Totaleindruck bestimmen, nicht ohne daß derselbe bald vom Stamme und seiner Verästelung bald von den Blättern und
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haben ein grasartig dünnes Gewebe und flattern luftig und leicht um die ſich langſam wiegenden Blattſtiele. Bei Palmen mit gefiedertem Laube entſpringen die Blattſtiele entweder aus dem dürren, rauhen, holzigen Theile des Schaftes, oder auf dem rauhen Theile des Stammes iſt ein grasgrüner, glatter, dünnerer Schaft wie Säule auf Säule aufgeſetzt, aus dem die Blätter hervortreten. In der Fächer- palme ruht die blätterreiche Krone oft auf einer Lage dürren Lau- bes, ein Umſtand, der dem Gewächſe einen ernſten, melancholiſchen Charakter gewährt. In einigen Schirmpalmen beſteht die Krone aus wenigen ſich an ſchlanken langen Stielen erhebenden Fächern.
Unter dem Urſprunge der Blätter aus dem Stamme brechen bei allen Palmen die Blüthentheile hervor. Die Art dieſes Hervorbrechens modificirt ebenfalls ihre Geſtalt. Bei Wenigen ſteht die große tuten- förmig zuſammengerollte Scheide ſenkrecht und aus ihr erhebt ſich der dichte Strauß der Früchte, einer Ananas ähnlich. Bei den Meiſten hängen die oft mehrere Fuß langen Scheiden bald glatt, bald feindlich rauh abwärts, oft von blendender Weiße, die weit in die Ferne glänzt.
Auch in Geſtalt und Farbe der Früchte iſt mehr Mannigfal- tigkeit als man gewöhnlich glaubt. Die Lepidocaryen, die Sagupalme ſind mit eierförmigen Früchten geziert, deren ſchup- pige, braune, glatte Oberfläche ihnen das Anſehen junger ſchöner Tannenzapfen giebt. Welcher Abſtand von der ungeheuren dreikan- tigen Cocosnuß zu der Beere der Dattel und den kleinen kirſchenähn- lichen Steinfrüchten des Corozo. Keine Palmenfrucht kommt aber an Schönheit den Früchten der Pirijao von St. Fernando de Ata- bapo gleich; eierfarbene, goldfarbene und zur Hälfte purpurrothe Aepfel hängen traubenartig zuſammengedrängt von dem Gipfel der majeſtätiſchen Stämme herab. —
Mag dieſes zur Charakteriſtik der Palmen genügen, uns bleibt noch eine letzte Hauptform zu betrachten übrig, in der ſich am innig- ſten Stamm und Blattbildung mit einander verſchmelzen und unge- ſondert den Totaleindruck beſtimmen, nicht ohne daß derſelbe bald vom Stamme und ſeiner Veräſtelung bald von den Blättern und
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haben ein grasartig dünnes Gewebe und flattern luftig und leicht um
die ſich langſam wiegenden Blattſtiele. Bei Palmen mit gefiedertem
Laube entſpringen die Blattſtiele entweder aus dem dürren, rauhen,
holzigen Theile des Schaftes, oder auf dem rauhen Theile des
Stammes iſt ein grasgrüner, glatter, dünnerer Schaft wie Säule auf
Säule aufgeſetzt, aus dem die Blätter hervortreten. In der Fächer-
palme ruht die blätterreiche Krone oft auf einer Lage dürren Lau-
bes, ein Umſtand, der dem Gewächſe einen ernſten, melancholiſchen
Charakter gewährt. In einigen Schirmpalmen beſteht die Krone aus
wenigen ſich an ſchlanken langen Stielen erhebenden Fächern.
Unter dem Urſprunge der Blätter aus dem Stamme brechen bei
allen Palmen die Blüthentheile hervor. Die Art dieſes Hervorbrechens
modificirt ebenfalls ihre Geſtalt. Bei Wenigen ſteht die große tuten-
förmig zuſammengerollte Scheide ſenkrecht und aus ihr erhebt ſich der
dichte Strauß der Früchte, einer Ananas ähnlich. Bei den Meiſten
hängen die oft mehrere Fuß langen Scheiden bald glatt, bald feindlich
rauh abwärts, oft von blendender Weiße, die weit in die Ferne glänzt.
Auch in Geſtalt und Farbe der Früchte iſt mehr Mannigfal-
tigkeit als man gewöhnlich glaubt. Die Lepidocaryen, die
Sagupalme ſind mit eierförmigen Früchten geziert, deren ſchup-
pige, braune, glatte Oberfläche ihnen das Anſehen junger ſchöner
Tannenzapfen giebt. Welcher Abſtand von der ungeheuren dreikan-
tigen Cocosnuß zu der Beere der Dattel und den kleinen kirſchenähn-
lichen Steinfrüchten des Corozo. Keine Palmenfrucht kommt aber
an Schönheit den Früchten der Pirijao von St. Fernando de Ata-
bapo gleich; eierfarbene, goldfarbene und zur Hälfte purpurrothe
Aepfel hängen traubenartig zuſammengedrängt von dem Gipfel der
majeſtätiſchen Stämme herab. —
Mag dieſes zur Charakteriſtik der Palmen genügen, uns bleibt
noch eine letzte Hauptform zu betrachten übrig, in der ſich am innig-
ſten Stamm und Blattbildung mit einander verſchmelzen und unge-
ſondert den Totaleindruck beſtimmen, nicht ohne daß derſelbe bald
vom Stamme und ſeiner Veräſtelung bald von den Blättern und
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Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848, S. 307. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiden_pflanze_1848/323>, abgerufen am 19.05.2024.
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