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Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848.

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schieden haben und nichts geblieben ist als das Geheimniß der Schön-
heit
. In ihr geht uns die Ahnung einer höheren Bedeutung aller
Erscheinungen auf, ihre Anerkennung ist Cultus, ist der reinste und
höchste Gottesdienst, zu welchem der Mensch sich erheben kann, in ihr
wird uns die unmittelbarste Offenbarung des Heiligen, deren der
Mensch fähig ist. -- Laßt uns, um Mißverstand vorzubeugen, noch
hinzufügen, daß die Schönheit der äußern körperlichen Natur nicht
die höchste ist, die uns im Leben begegnet. Es giebt noch Edleres als
die Körperwelt, das ist der Geist des Menschen; Schönheit der Seele
und die edelste Blüthe derselben, reine Liebe, ist ein noch vollkomm-
nerer Abglanz des Göttlichen und nicht aus der Körperwelt, aus dem
innersten Leben des Menschengeistes entlehnen wir daher unsere
höchsten Symbole.

Hat nun auf diese Weise die Natur ihre eigentliche Bedeutsam-
keit für uns erhalten, so scheinen wir mit unserer Rede am Schlusse
zu seyn. Die Schönheit ist keiner erklärenden Wissenschaft fähig. Die
Aussprüche, in denen wir sie anerkennen, die Geschmacksurtheile sind
nicht durch Schlußreihen zu stützen. Jedes steht vielmehr für sich
allein da und macht seinen Anspruch auf unmittelbare Gültigkeit,
selbst dann noch, wenn es sich in der Seele verschiedener Beschauer
ganz verschieden gestaltet. Woher sollen wir den Stoff nehmen zu
weiterer Ausführung? -- Können wir auch das Wesen der Schönheit
nicht zerlegen, so können wir doch den Gegenstand, der uns als schön
erscheint, einer genauern Betrachtung unterwerfen, wir können uns
seiner einzelnen Theile und Merkmale, ihres Verhältnisses zu einander
bewußt werden und uns in einer gewissen Systematik entwickeln,
welche Elemente und welche Verbindungen derselben in uns das Ge-
fühl des Schönen und Erhabenen beleben. Analog den Untersuchun-
gen über Harmonie der Farben, Regeln der Composition und so weiter,
können wir auch in der Pflanzenwelt näher die Eigenthümlichkeiten
aufsuchen, durch welche der ästhetische Eindruck, den sie auf uns
macht, vermittelt wird.

Vor Allem aber müssen wir hier bevorworten, daß nirgends

ſchieden haben und nichts geblieben iſt als das Geheimniß der Schön-
heit
. In ihr geht uns die Ahnung einer höheren Bedeutung aller
Erſcheinungen auf, ihre Anerkennung iſt Cultus, iſt der reinſte und
höchſte Gottesdienſt, zu welchem der Menſch ſich erheben kann, in ihr
wird uns die unmittelbarſte Offenbarung des Heiligen, deren der
Menſch fähig iſt. — Laßt uns, um Mißverſtand vorzubeugen, noch
hinzufügen, daß die Schönheit der äußern körperlichen Natur nicht
die höchſte iſt, die uns im Leben begegnet. Es giebt noch Edleres als
die Körperwelt, das iſt der Geiſt des Menſchen; Schönheit der Seele
und die edelſte Blüthe derſelben, reine Liebe, iſt ein noch vollkomm-
nerer Abglanz des Göttlichen und nicht aus der Körperwelt, aus dem
innerſten Leben des Menſchengeiſtes entlehnen wir daher unſere
höchſten Symbole.

Hat nun auf dieſe Weiſe die Natur ihre eigentliche Bedeutſam-
keit für uns erhalten, ſo ſcheinen wir mit unſerer Rede am Schluſſe
zu ſeyn. Die Schönheit iſt keiner erklärenden Wiſſenſchaft fähig. Die
Ausſprüche, in denen wir ſie anerkennen, die Geſchmacksurtheile ſind
nicht durch Schlußreihen zu ſtützen. Jedes ſteht vielmehr für ſich
allein da und macht ſeinen Anſpruch auf unmittelbare Gültigkeit,
ſelbſt dann noch, wenn es ſich in der Seele verſchiedener Beſchauer
ganz verſchieden geſtaltet. Woher ſollen wir den Stoff nehmen zu
weiterer Ausführung? — Können wir auch das Weſen der Schönheit
nicht zerlegen, ſo können wir doch den Gegenſtand, der uns als ſchön
erſcheint, einer genauern Betrachtung unterwerfen, wir können uns
ſeiner einzelnen Theile und Merkmale, ihres Verhältniſſes zu einander
bewußt werden und uns in einer gewiſſen Syſtematik entwickeln,
welche Elemente und welche Verbindungen derſelben in uns das Ge-
fühl des Schönen und Erhabenen beleben. Analog den Unterſuchun-
gen über Harmonie der Farben, Regeln der Compoſition und ſo weiter,
können wir auch in der Pflanzenwelt näher die Eigenthümlichkeiten
aufſuchen, durch welche der äſthetiſche Eindruck, den ſie auf uns
macht, vermittelt wird.

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[295/0311] ſchieden haben und nichts geblieben iſt als das Geheimniß der Schön- heit. In ihr geht uns die Ahnung einer höheren Bedeutung aller Erſcheinungen auf, ihre Anerkennung iſt Cultus, iſt der reinſte und höchſte Gottesdienſt, zu welchem der Menſch ſich erheben kann, in ihr wird uns die unmittelbarſte Offenbarung des Heiligen, deren der Menſch fähig iſt. — Laßt uns, um Mißverſtand vorzubeugen, noch hinzufügen, daß die Schönheit der äußern körperlichen Natur nicht die höchſte iſt, die uns im Leben begegnet. Es giebt noch Edleres als die Körperwelt, das iſt der Geiſt des Menſchen; Schönheit der Seele und die edelſte Blüthe derſelben, reine Liebe, iſt ein noch vollkomm- nerer Abglanz des Göttlichen und nicht aus der Körperwelt, aus dem innerſten Leben des Menſchengeiſtes entlehnen wir daher unſere höchſten Symbole. Hat nun auf dieſe Weiſe die Natur ihre eigentliche Bedeutſam- keit für uns erhalten, ſo ſcheinen wir mit unſerer Rede am Schluſſe zu ſeyn. Die Schönheit iſt keiner erklärenden Wiſſenſchaft fähig. Die Ausſprüche, in denen wir ſie anerkennen, die Geſchmacksurtheile ſind nicht durch Schlußreihen zu ſtützen. Jedes ſteht vielmehr für ſich allein da und macht ſeinen Anſpruch auf unmittelbare Gültigkeit, ſelbſt dann noch, wenn es ſich in der Seele verſchiedener Beſchauer ganz verſchieden geſtaltet. Woher ſollen wir den Stoff nehmen zu weiterer Ausführung? — Können wir auch das Weſen der Schönheit nicht zerlegen, ſo können wir doch den Gegenſtand, der uns als ſchön erſcheint, einer genauern Betrachtung unterwerfen, wir können uns ſeiner einzelnen Theile und Merkmale, ihres Verhältniſſes zu einander bewußt werden und uns in einer gewiſſen Syſtematik entwickeln, welche Elemente und welche Verbindungen derſelben in uns das Ge- fühl des Schönen und Erhabenen beleben. Analog den Unterſuchun- gen über Harmonie der Farben, Regeln der Compoſition und ſo weiter, können wir auch in der Pflanzenwelt näher die Eigenthümlichkeiten aufſuchen, durch welche der äſthetiſche Eindruck, den ſie auf uns macht, vermittelt wird. Vor Allem aber müſſen wir hier bevorworten, daß nirgends

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Zitationshilfe: Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiden_pflanze_1848/311>, abgerufen am 22.11.2024.