niedrig stellen. Aber die Lage des Jenseits, welches der gebildete Mensch erstrebt, wird durch kein Wo und kein Wann bestimmt. -- So lange und so weit die Natur dem Menschen noch unerklärlich und unverständlich ist, sucht er hinter diesem von ihm nicht Durchschauten ein ihm gleiches geistiges Wesen, er belebt die "Nachtseiten der Na- tur" mit den von ihm selbst geschaffenen Geistern oder Gespenstern, die aber schnell vor dem Lichte der Wissenschaft entfliehen. Auf der anderen Seite läßt ihn das Bedürfniß seines Herzens nach einer Macht suchen, in deren verständiger Lenkung der Begebenheiten er Schutz gegen das Spiel des Zufalls oder die Tyrannei des Schicksals fin- den könne, und diese Macht zeichnet er sich nach dem Höchsten was er bis dahin kennen gelernt, nach dem Besten, Weisesten der Menschen und fügt diesem Bilde nur noch die Herrschaft über die Erscheinungen hinzu, in denen er zuerst Zufall und Schicksal fürchten lernte, nämlich über das Spiel der Naturkräfte. Immer aber bleibt der Mensch mit seinen Vorstellungen von Gott in dem Kreise des Menschlichen und deshalb fühlt er sich dem selbstgeschaffenen Gotte immer noch ver- wandt genug, um, wenn auch nicht für sich, doch für seine glücklichern Vorväter ihre gerade Abstammung von den Göttern oder ihren un- mittelbaren Umgang mit denselben in Anspruch zu nehmen. -- Je weiter nun der Mensch in seiner Ausbildung und Entwicklung fort- schreitet, desto klarer, durchsichtiger, verständlicher wird ihm die Na- tur, aber desto weiter wird auch sein Abstand von Gott und desto unbegreiflicher wird ihm derselbe. Dem am Höchsten gebildeten Menschen ist Gott am unbegreiflichsten, denn er ist sich bewußt, daß jede Vorstellung, sey es welche es wolle, die er sich vom höchsten Wesen entwirft, demselben durchaus in keiner Weise entsprechen kann; aber nur Wenige erreichen diese Stufe der Ausbildung, nur wenige sind so weit mit sich selbst verständigt, daß sie sich ruhig bescheiden, daß der Men- schen Wissen nie dahin reicht, wo Gott und Unsterblichkeit wohnen. O! des thörichten Hochmuthes der Menschen, die, um sich selbst nur nicht zu klein zu finden, lieber das höchste Wesen zu sich in den Staub menschlicher Verständlichkeit herabziehen möchten.
niedrig ſtellen. Aber die Lage des Jenſeits, welches der gebildete Menſch erſtrebt, wird durch kein Wo und kein Wann beſtimmt. — So lange und ſo weit die Natur dem Menſchen noch unerklärlich und unverſtändlich iſt, ſucht er hinter dieſem von ihm nicht Durchſchauten ein ihm gleiches geiſtiges Weſen, er belebt die „Nachtſeiten der Na- tur“ mit den von ihm ſelbſt geſchaffenen Geiſtern oder Geſpenſtern, die aber ſchnell vor dem Lichte der Wiſſenſchaft entfliehen. Auf der anderen Seite läßt ihn das Bedürfniß ſeines Herzens nach einer Macht ſuchen, in deren verſtändiger Lenkung der Begebenheiten er Schutz gegen das Spiel des Zufalls oder die Tyrannei des Schickſals fin- den könne, und dieſe Macht zeichnet er ſich nach dem Höchſten was er bis dahin kennen gelernt, nach dem Beſten, Weiſeſten der Menſchen und fügt dieſem Bilde nur noch die Herrſchaft über die Erſcheinungen hinzu, in denen er zuerſt Zufall und Schickſal fürchten lernte, nämlich über das Spiel der Naturkräfte. Immer aber bleibt der Menſch mit ſeinen Vorſtellungen von Gott in dem Kreiſe des Menſchlichen und deshalb fühlt er ſich dem ſelbſtgeſchaffenen Gotte immer noch ver- wandt genug, um, wenn auch nicht für ſich, doch für ſeine glücklichern Vorväter ihre gerade Abſtammung von den Göttern oder ihren un- mittelbaren Umgang mit denſelben in Anſpruch zu nehmen. — Je weiter nun der Menſch in ſeiner Ausbildung und Entwicklung fort- ſchreitet, deſto klarer, durchſichtiger, verſtändlicher wird ihm die Na- tur, aber deſto weiter wird auch ſein Abſtand von Gott und deſto unbegreiflicher wird ihm derſelbe. Dem am Höchſten gebildeten Menſchen iſt Gott am unbegreiflichſten, denn er iſt ſich bewußt, daß jede Vorſtellung, ſey es welche es wolle, die er ſich vom höchſten Weſen entwirft, demſelben durchaus in keiner Weiſe entſprechen kann; aber nur Wenige erreichen dieſe Stufe der Ausbildung, nur wenige ſind ſo weit mit ſich ſelbſt verſtändigt, daß ſie ſich ruhig beſcheiden, daß der Men- ſchen Wiſſen nie dahin reicht, wo Gott und Unſterblichkeit wohnen. O! des thörichten Hochmuthes der Menſchen, die, um ſich ſelbſt nur nicht zu klein zu finden, lieber das höchſte Weſen zu ſich in den Staub menſchlicher Verſtändlichkeit herabziehen möchten.
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niedrig ſtellen. Aber die Lage des Jenſeits, welches der gebildete
Menſch erſtrebt, wird durch kein Wo und kein Wann beſtimmt. — So
lange und ſo weit die Natur dem Menſchen noch unerklärlich und
unverſtändlich iſt, ſucht er hinter dieſem von ihm nicht Durchſchauten
ein ihm gleiches geiſtiges Weſen, er belebt die „Nachtſeiten der Na-
tur“ mit den von ihm ſelbſt geſchaffenen Geiſtern oder Geſpenſtern,
die aber ſchnell vor dem Lichte der Wiſſenſchaft entfliehen. Auf der
anderen Seite läßt ihn das Bedürfniß ſeines Herzens nach einer Macht
ſuchen, in deren verſtändiger Lenkung der Begebenheiten er Schutz
gegen das Spiel des Zufalls oder die Tyrannei des Schickſals fin-
den könne, und dieſe Macht zeichnet er ſich nach dem Höchſten was
er bis dahin kennen gelernt, nach dem Beſten, Weiſeſten der Menſchen
und fügt dieſem Bilde nur noch die Herrſchaft über die Erſcheinungen
hinzu, in denen er zuerſt Zufall und Schickſal fürchten lernte, nämlich
über das Spiel der Naturkräfte. Immer aber bleibt der Menſch mit
ſeinen Vorſtellungen von Gott in dem Kreiſe des Menſchlichen und
deshalb fühlt er ſich dem ſelbſtgeſchaffenen Gotte immer noch ver-
wandt genug, um, wenn auch nicht für ſich, doch für ſeine glücklichern
Vorväter ihre gerade Abſtammung von den Göttern oder ihren un-
mittelbaren Umgang mit denſelben in Anſpruch zu nehmen. — Je
weiter nun der Menſch in ſeiner Ausbildung und Entwicklung fort-
ſchreitet, deſto klarer, durchſichtiger, verſtändlicher wird ihm die Na-
tur, aber deſto weiter wird auch ſein Abſtand von Gott und deſto
unbegreiflicher wird ihm derſelbe. Dem am Höchſten gebildeten
Menſchen iſt Gott am unbegreiflichſten, denn er iſt ſich bewußt, daß
jede Vorſtellung, ſey es welche es wolle, die er ſich vom höchſten Weſen
entwirft, demſelben durchaus in keiner Weiſe entſprechen kann; aber nur
Wenige erreichen dieſe Stufe der Ausbildung, nur wenige ſind ſo weit
mit ſich ſelbſt verſtändigt, daß ſie ſich ruhig beſcheiden, daß der Men-
ſchen Wiſſen nie dahin reicht, wo Gott und Unſterblichkeit wohnen.
O! des thörichten Hochmuthes der Menſchen, die, um ſich ſelbſt
nur nicht zu klein zu finden, lieber das höchſte Weſen zu ſich in den
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Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848, S. 292. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiden_pflanze_1848/308>, abgerufen am 22.11.2024.
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