Natur bedacht als sein jüngerer Bruder der Elephant, muß es von den sich auf den Norden und die höheren Berge beschränkenden Na- delhölzern zehren. Immer mehr treten in der Pflanzenwelt die Formen der Jetztwelt hervor. Erlen und Pappeln bedecken die frische Nie- derung, Kastanien und Feigen die sonnigen Hügel und schlanke Birken kämpfen mit den Fichten um den Besitz des dürftigern und kühleren Bodens. -- Der Riesenstrom Nordamericas, der Missi- sippi, wälzt mit seinen Fluthen alljährlich unmeßbare Massen fort- geschwemmter vegetabilischer Leichen, große Baumstämme aus den Wäldern seines Quellengebietes, abwärts dem Meere zu. Hier kann die langsamere Strömung jene schweren Leiber nicht mehr schwim- mend erhalten und setzt sie an der Mündung ab, ihre Zwischenräume mit Schlamm und Steingerölle ausfüllend. Von Reworleans er- streckt sich eine sumpfige Niederung viele Meilen abwärts, die ganz aus solchen zusammengeschwemmten, mit Sand und Thon verkitteten und allmälig zu einer braunkohligen Substanz zersetzten Pflanzen- massen besteht und für ferne Zeiten ein Kohlenlager bildet. Auf ähnliche Weise haben große Ströme dieser Periode zahllose Stämme, besonders von Nadelhölzern, in Buchten und Süßwasserbecken zusam- mengeflößt und abgesetzt, welche vielleicht durch spätere Senkungen noch tiefer unter die Meeresfläche gebracht, durch Ablagerungen von Sand, Kalk oder Thon bedeckt und dann mit an die Oberfläche ge- hoben wurden. Diese sind es, welche die oft so sehr ausgedehnten Braunkohlenflötze bilden, die immer ein werthvolles Geschenk des Bodens, doch nur einen [d]ürftigen Ersatz für die versagte Stein- kohle bieten.
Diesem ganzen Leben scheint die abermalige Erhebung einiger bedeutenden Gebirgssysteme und insbesondere der Himalaya durch die herbeigeführte Niv[e]auveränderung des Meeres zum größeren Theil ein Ende gemacht, und während gleichzeitig die Erde die Grenze ihrer möglichen Abkühlung erreichte, so die gegenwärtige Bildung des festen Landes und seiner Organismen hervorgerufen zu haben. Alle folgenden Veränderungen, die noch Statt fanden, Hebungen
Natur bedacht als ſein jüngerer Bruder der Elephant, muß es von den ſich auf den Norden und die höheren Berge beſchränkenden Na- delhölzern zehren. Immer mehr treten in der Pflanzenwelt die Formen der Jetztwelt hervor. Erlen und Pappeln bedecken die friſche Nie- derung, Kaſtanien und Feigen die ſonnigen Hügel und ſchlanke Birken kämpfen mit den Fichten um den Beſitz des dürftigern und kühleren Bodens. — Der Rieſenſtrom Nordamericas, der Miſſi- ſippi, wälzt mit ſeinen Fluthen alljährlich unmeßbare Maſſen fort- geſchwemmter vegetabiliſcher Leichen, große Baumſtämme aus den Wäldern ſeines Quellengebietes, abwärts dem Meere zu. Hier kann die langſamere Strömung jene ſchweren Leiber nicht mehr ſchwim- mend erhalten und ſetzt ſie an der Mündung ab, ihre Zwiſchenräume mit Schlamm und Steingerölle ausfüllend. Von Reworleans er- ſtreckt ſich eine ſumpfige Niederung viele Meilen abwärts, die ganz aus ſolchen zuſammengeſchwemmten, mit Sand und Thon verkitteten und allmälig zu einer braunkohligen Subſtanz zerſetzten Pflanzen- maſſen beſteht und für ferne Zeiten ein Kohlenlager bildet. Auf ähnliche Weiſe haben große Ströme dieſer Periode zahlloſe Stämme, beſonders von Nadelhölzern, in Buchten und Süßwaſſerbecken zuſam- mengeflößt und abgeſetzt, welche vielleicht durch ſpätere Senkungen noch tiefer unter die Meeresfläche gebracht, durch Ablagerungen von Sand, Kalk oder Thon bedeckt und dann mit an die Oberfläche ge- hoben wurden. Dieſe ſind es, welche die oft ſo ſehr ausgedehnten Braunkohlenflötze bilden, die immer ein werthvolles Geſchenk des Bodens, doch nur einen [d]ürftigen Erſatz für die verſagte Stein- kohle bieten.
Dieſem ganzen Leben ſcheint die abermalige Erhebung einiger bedeutenden Gebirgsſyſteme und insbeſondere der Himalaya durch die herbeigeführte Niv[e]auveränderung des Meeres zum größeren Theil ein Ende gemacht, und während gleichzeitig die Erde die Grenze ihrer möglichen Abkühlung erreichte, ſo die gegenwärtige Bildung des feſten Landes und ſeiner Organismen hervorgerufen zu haben. Alle folgenden Veränderungen, die noch Statt fanden, Hebungen
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Natur bedacht als ſein jüngerer Bruder der Elephant, muß es von
den ſich auf den Norden und die höheren Berge beſchränkenden Na-
delhölzern zehren. Immer mehr treten in der Pflanzenwelt die Formen
der Jetztwelt hervor. Erlen und Pappeln bedecken die friſche Nie-
derung, Kaſtanien und Feigen die ſonnigen Hügel und ſchlanke
Birken kämpfen mit den Fichten um den Beſitz des dürftigern und
kühleren Bodens. — Der Rieſenſtrom Nordamericas, der Miſſi-
ſippi, wälzt mit ſeinen Fluthen alljährlich unmeßbare Maſſen fort-
geſchwemmter vegetabiliſcher Leichen, große Baumſtämme aus den
Wäldern ſeines Quellengebietes, abwärts dem Meere zu. Hier kann
die langſamere Strömung jene ſchweren Leiber nicht mehr ſchwim-
mend erhalten und ſetzt ſie an der Mündung ab, ihre Zwiſchenräume
mit Schlamm und Steingerölle ausfüllend. Von Reworleans er-
ſtreckt ſich eine ſumpfige Niederung viele Meilen abwärts, die ganz
aus ſolchen zuſammengeſchwemmten, mit Sand und Thon verkitteten
und allmälig zu einer braunkohligen Subſtanz zerſetzten Pflanzen-
maſſen beſteht und für ferne Zeiten ein Kohlenlager bildet. Auf
ähnliche Weiſe haben große Ströme dieſer Periode zahlloſe Stämme,
beſonders von Nadelhölzern, in Buchten und Süßwaſſerbecken zuſam-
mengeflößt und abgeſetzt, welche vielleicht durch ſpätere Senkungen
noch tiefer unter die Meeresfläche gebracht, durch Ablagerungen von
Sand, Kalk oder Thon bedeckt und dann mit an die Oberfläche ge-
hoben wurden. Dieſe ſind es, welche die oft ſo ſehr ausgedehnten
Braunkohlenflötze bilden, die immer ein werthvolles Geſchenk
des Bodens, doch nur einen dürftigen Erſatz für die verſagte Stein-
kohle bieten.
Dieſem ganzen Leben ſcheint die abermalige Erhebung einiger
bedeutenden Gebirgsſyſteme und insbeſondere der Himalaya durch
die herbeigeführte Niveauveränderung des Meeres zum größeren
Theil ein Ende gemacht, und während gleichzeitig die Erde die Grenze
ihrer möglichen Abkühlung erreichte, ſo die gegenwärtige Bildung
des feſten Landes und ſeiner Organismen hervorgerufen zu haben.
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Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848, S. 264. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiden_pflanze_1848/280>, abgerufen am 22.11.2024.
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