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Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848.

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eine große Menge von Pflanzen, die sich durch ein kräftiges Aroma
auszeichnen, die Melisse, Münze, der Salbei, Thymian, Majoran,
Lavendel u. s. w., auch eine wunderbare Uebereinstimmung in ihrem
ganzen Bau erkennen lassen. -- So deutet uns die Natur selbst den
Weg an, den wir zu gehen haben; diese Spur verfolgend haben die
Botaniker nach und nach eine große Anzahl solcher Pflanzengruppen
erkannt und characterisirt, die von ihnen Familien genannt werden. --
Daß auch hier wie im vorigen Fall eine Vollständigkeit nicht dieses
Orts ist, bedarf wohl keiner Erwähnung, aber beispielsweise eine
Familie vorzuführen und genauer zu characterisiren, haben wir uns
nicht versagen mögen. (IX.) Bei der gewählten Gruppe, der der
Cactuspflanzen, muß unter manchem Andern die merkwürdige Ver-
theilung derselben auf einem verhältnißmäßig kleinen Stück der Erd-
oberfläche unsere Aufmerksamkeit auf sich ziehen und dies führt uns
sehr natürlich zu der Frage, wie denn überhaupt sich die einzelnen Pflan-
zenarten, in größeren und kleineren Gruppen auf der Erde ausbreiten,
ob diese Vertheilung vom Zufall abhängig oder an Gesetze gebunden sey
und an welche? -- Wohlan! folgen wir Humboldts Tritten und einem
solchen Führer uns überlassend, treten wir in ein neues, weit ausge-
dehntes, uns von ihm zuerst entdecktes Gebiet, in die Pflanzengeo-
graphie ein. (X.) Eine Wissenschaft eigner Art, noch jung und mit
allen Fehlern der Jugend behaftet, übersprudelnd in Lebensfülle, eines
schönen und kräftigen Mannesalters gewiß, aber noch ungeordnet und
unklar, viel noch Unverstandenes sammelnd für reifere Jahre und jetzt
noch mehr träumend als denkend. -- Ein kurzer Schattenriß dieser
anziehenden Erscheinung kann nicht ohne Interesse bleiben. Noch eine
jüngere Schwester aber führt jener Jüngling an der Hand, zwar noch
im zarten Kindesalter aber doch eine hoffnungsvolle Knospe. Laßt uns
freundlich ihren kindlichen Plaudereien, den ahnungsvollen Anklängen
zukünftiger harmonischer Schönheit lauschen, wenn sie uns auch nicht
sehr belehrt, so wird sie uns doch ein Stündchen angenehm vertän-
deln helfen. Warum sollten wir denn ihr, der Pflanzengeschichte nicht
ein kleines Plätzchen gönnen. (XI.) --

eine große Menge von Pflanzen, die ſich durch ein kräftiges Aroma
auszeichnen, die Meliſſe, Münze, der Salbei, Thymian, Majoran,
Lavendel u. ſ. w., auch eine wunderbare Uebereinſtimmung in ihrem
ganzen Bau erkennen laſſen. — So deutet uns die Natur ſelbſt den
Weg an, den wir zu gehen haben; dieſe Spur verfolgend haben die
Botaniker nach und nach eine große Anzahl ſolcher Pflanzengruppen
erkannt und characteriſirt, die von ihnen Familien genannt werden. —
Daß auch hier wie im vorigen Fall eine Vollſtändigkeit nicht dieſes
Orts iſt, bedarf wohl keiner Erwähnung, aber beiſpielsweiſe eine
Familie vorzuführen und genauer zu characteriſiren, haben wir uns
nicht verſagen mögen. (IX.) Bei der gewählten Gruppe, der der
Cactuspflanzen, muß unter manchem Andern die merkwürdige Ver-
theilung derſelben auf einem verhältnißmäßig kleinen Stück der Erd-
oberfläche unſere Aufmerkſamkeit auf ſich ziehen und dies führt uns
ſehr natürlich zu der Frage, wie denn überhaupt ſich die einzelnen Pflan-
zenarten, in größeren und kleineren Gruppen auf der Erde ausbreiten,
ob dieſe Vertheilung vom Zufall abhängig oder an Geſetze gebunden ſey
und an welche? — Wohlan! folgen wir Humboldts Tritten und einem
ſolchen Führer uns überlaſſend, treten wir in ein neues, weit ausge-
dehntes, uns von ihm zuerſt entdecktes Gebiet, in die Pflanzengeo-
graphie ein. (X.) Eine Wiſſenſchaft eigner Art, noch jung und mit
allen Fehlern der Jugend behaftet, überſprudelnd in Lebensfülle, eines
ſchönen und kräftigen Mannesalters gewiß, aber noch ungeordnet und
unklar, viel noch Unverſtandenes ſammelnd für reifere Jahre und jetzt
noch mehr träumend als denkend. — Ein kurzer Schattenriß dieſer
anziehenden Erſcheinung kann nicht ohne Intereſſe bleiben. Noch eine
jüngere Schweſter aber führt jener Jüngling an der Hand, zwar noch
im zarten Kindesalter aber doch eine hoffnungsvolle Knoſpe. Laßt uns
freundlich ihren kindlichen Plaudereien, den ahnungsvollen Anklängen
zukünftiger harmoniſcher Schönheit lauſchen, wenn ſie uns auch nicht
ſehr belehrt, ſo wird ſie uns doch ein Stündchen angenehm vertän-
deln helfen. Warum ſollten wir denn ihr, der Pflanzengeſchichte nicht
ein kleines Plätzchen gönnen. (XI.) —

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Zitationshilfe: Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiden_pflanze_1848/24>, abgerufen am 29.03.2024.