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Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848.

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Pflanzen, deren wir als Nahrung bedürfen, nur aus Kohlenstoff,
Wasserstoff, Sauerstoff und Stickstoff. Aber alle Gegenwart dieser
Stoffe hilft allein der Pflanze nichts, sie kann daraus nicht ein
Körnchen Eiweiß oder Kleber bilden, wenn sie nicht gleichzeitig in
dem gehörigen Verhältniß phosphorsaure Salze erhält. Wohl ist
das nützliche Stärkemehl, der süße Zucker, die kühlende Citronen-
säure, das gewürzige Orangenöl nur aus Kohlenstoff, Wasserstoff
und Sauerstoff zusammengesetzt, aber die Pflanze kann uns bei al-
lem Ueberfluß an diesen Elementen jene Geschenke nicht bereiten,
wenn es ihr an alcalischen Salzen fehlt. Der schlanke Stengel des
Weizens kann sich nicht erheben, um an der Sonne sein Korn zu
reifen, wenn ihm der Boden nicht die Kieselerde liefert, durch
welche er seinen Zellen die Festigkeit verleiht, um sich aufrecht
zu erhalten.

Auf diese Thatsachen gestützt hat Liebig in neuerer Zeit ver-
sucht, unser ganzes bisheriges landwirthschaftliches Verfahren um-
zustoßen durch die Empfehlung der von ihm erfundenen minera-
lischen Dünger, für deren Anfertigung er in England ein Patent
gelöst und dasselbe an die Herren Musprath u. Comp. verkauft hat.
Seine Absicht dabei ist, für jede Bodenart und für jede Pflanze eine
eigne Composition derjenigen mineralischen Stoffe zu liefern, welcher
die Pflanze bedarf und die in dem Boden fehlen, und zwar in einer
so eigenthümlichen Verbindung, daß die Stoffe auflöslich genug
sind, um von der Pflanze aufgenommen werden zu können, und
doch nicht so leicht auflöslich, daß der Regen bedeutende Mengen
davon wegspülen könnte. Ob Liebig diese Absicht erreicht hat, läßt
sich erst dann entscheiden, wenn die Erfahrung sich darüber ausge-
sprochen. Theoretisch muß man behaupten, daß das Princip richtig
und die Ausführung möglich ist. Aber einen Einwurf wird die
Pflanzenphysiologie diesem System der Düngung mit Recht machen
und diesen Einwand wird die Erfahrung bestätigen, daß nämlich,
wie im Vorigen nachgewiesen, der Humus zwar keineswegs ein
Nahrungsstoff für die Pflanzen ist, aber doch für eine gesunde und

Pflanzen, deren wir als Nahrung bedürfen, nur aus Kohlenſtoff,
Waſſerſtoff, Sauerſtoff und Stickſtoff. Aber alle Gegenwart dieſer
Stoffe hilft allein der Pflanze nichts, ſie kann daraus nicht ein
Körnchen Eiweiß oder Kleber bilden, wenn ſie nicht gleichzeitig in
dem gehörigen Verhältniß phosphorſaure Salze erhält. Wohl iſt
das nützliche Stärkemehl, der ſüße Zucker, die kühlende Citronen-
ſäure, das gewürzige Orangenöl nur aus Kohlenſtoff, Waſſerſtoff
und Sauerſtoff zuſammengeſetzt, aber die Pflanze kann uns bei al-
lem Ueberfluß an dieſen Elementen jene Geſchenke nicht bereiten,
wenn es ihr an alcaliſchen Salzen fehlt. Der ſchlanke Stengel des
Weizens kann ſich nicht erheben, um an der Sonne ſein Korn zu
reifen, wenn ihm der Boden nicht die Kieſelerde liefert, durch
welche er ſeinen Zellen die Feſtigkeit verleiht, um ſich aufrecht
zu erhalten.

Auf dieſe Thatſachen geſtützt hat Liebig in neuerer Zeit ver-
ſucht, unſer ganzes bisheriges landwirthſchaftliches Verfahren um-
zuſtoßen durch die Empfehlung der von ihm erfundenen minera-
liſchen Dünger, für deren Anfertigung er in England ein Patent
gelöſt und daſſelbe an die Herren Musprath u. Comp. verkauft hat.
Seine Abſicht dabei iſt, für jede Bodenart und für jede Pflanze eine
eigne Compoſition derjenigen mineraliſchen Stoffe zu liefern, welcher
die Pflanze bedarf und die in dem Boden fehlen, und zwar in einer
ſo eigenthümlichen Verbindung, daß die Stoffe auflöslich genug
ſind, um von der Pflanze aufgenommen werden zu können, und
doch nicht ſo leicht auflöslich, daß der Regen bedeutende Mengen
davon wegſpülen könnte. Ob Liebig dieſe Abſicht erreicht hat, läßt
ſich erſt dann entſcheiden, wenn die Erfahrung ſich darüber ausge-
ſprochen. Theoretiſch muß man behaupten, daß das Princip richtig
und die Ausführung möglich iſt. Aber einen Einwurf wird die
Pflanzenphyſiologie dieſem Syſtem der Düngung mit Recht machen
und dieſen Einwand wird die Erfahrung beſtätigen, daß nämlich,
wie im Vorigen nachgewieſen, der Humus zwar keineswegs ein
Nahrungsſtoff für die Pflanzen iſt, aber doch für eine geſunde und

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[165/0181] Pflanzen, deren wir als Nahrung bedürfen, nur aus Kohlenſtoff, Waſſerſtoff, Sauerſtoff und Stickſtoff. Aber alle Gegenwart dieſer Stoffe hilft allein der Pflanze nichts, ſie kann daraus nicht ein Körnchen Eiweiß oder Kleber bilden, wenn ſie nicht gleichzeitig in dem gehörigen Verhältniß phosphorſaure Salze erhält. Wohl iſt das nützliche Stärkemehl, der ſüße Zucker, die kühlende Citronen- ſäure, das gewürzige Orangenöl nur aus Kohlenſtoff, Waſſerſtoff und Sauerſtoff zuſammengeſetzt, aber die Pflanze kann uns bei al- lem Ueberfluß an dieſen Elementen jene Geſchenke nicht bereiten, wenn es ihr an alcaliſchen Salzen fehlt. Der ſchlanke Stengel des Weizens kann ſich nicht erheben, um an der Sonne ſein Korn zu reifen, wenn ihm der Boden nicht die Kieſelerde liefert, durch welche er ſeinen Zellen die Feſtigkeit verleiht, um ſich aufrecht zu erhalten. Auf dieſe Thatſachen geſtützt hat Liebig in neuerer Zeit ver- ſucht, unſer ganzes bisheriges landwirthſchaftliches Verfahren um- zuſtoßen durch die Empfehlung der von ihm erfundenen minera- liſchen Dünger, für deren Anfertigung er in England ein Patent gelöſt und daſſelbe an die Herren Musprath u. Comp. verkauft hat. Seine Abſicht dabei iſt, für jede Bodenart und für jede Pflanze eine eigne Compoſition derjenigen mineraliſchen Stoffe zu liefern, welcher die Pflanze bedarf und die in dem Boden fehlen, und zwar in einer ſo eigenthümlichen Verbindung, daß die Stoffe auflöslich genug ſind, um von der Pflanze aufgenommen werden zu können, und doch nicht ſo leicht auflöslich, daß der Regen bedeutende Mengen davon wegſpülen könnte. Ob Liebig dieſe Abſicht erreicht hat, läßt ſich erſt dann entſcheiden, wenn die Erfahrung ſich darüber ausge- ſprochen. Theoretiſch muß man behaupten, daß das Princip richtig und die Ausführung möglich iſt. Aber einen Einwurf wird die Pflanzenphyſiologie dieſem Syſtem der Düngung mit Recht machen und dieſen Einwand wird die Erfahrung beſtätigen, daß nämlich, wie im Vorigen nachgewieſen, der Humus zwar keineswegs ein Nahrungsſtoff für die Pflanzen iſt, aber doch für eine geſunde und

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Zitationshilfe: Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiden_pflanze_1848/181>, abgerufen am 28.11.2024.