ganzen bewohnten Erde geworden sind? Ein merkwürdiges Räthsel, von dessen Lösung wir noch um so entfernter sind, da von Aerzten und Chemikern angestellte Versuche bis jetzt keine Andeutung einer beson- dern Wirkung nach dem Genusse größerer Mengen reinen Theins erkennen lassen, der Stoff also ohne auffallende Wirkung auf die thierische Oeconomie erscheint.
Ich kehre nach dieser Abschweifung, die der Hauptfrage ohnehin nicht so fremd ist, wieder zu meiner Aufgabe zurück. Der Mensch bedarf also zu seiner Nahrung zunächst dreier stickstoffreicher Substan- zen, des Faserstoffs, Käsestoffs und des Eiweißes, und diese findet er nicht nur im Thierreich, sondern auch im Pflanzenreich allgemein verbreitet. Er verbraucht ferner zur Unterhaltung der Respiration und dadurch der Wärme eine gewisse Menge stickstofffreier Substanzen, welche ihm außer im Fette der Thiere im reichsten Maaße von den meisten und verbreitetsten Pflanzenstoffen geboten werden.
Sehr leicht erklären sich uns nun einige der auffallendsten Erscheinun- gen in der Ernährungsweise des Menschen und der Thiere. Jägervölker und fleischfressende Thiere bedürfen einer großen Menge ihrer gewöhnlich fettarmen Nahrung. Durch angestrengte körperliche Thätigkeit müssen sie diese stickstoffhaltige Nahrung erst in zwei Bestandtheile zerlegen, einen der sämmtlichen Stickstoff, einen andern, der einen Theil des Kohlen- und Wasserstoffs enthält, und diesen letztern verwenden sie dann für die Respiration, da bei der Unverbrennlichkeit des Stickstoffs stickstoffhaltige Substanzen dazu untauglich sind. Eben darin findet auch die unruhige, rastlos thätige Lebensweise des reißenden Thiers, wie des Jägers ihre Erklärung, indem sie nur durch heftige Anstren- gungen des Körpers so viel der stickstoffhaltigen Nahrung zersetzen können, um für den Respirationsproceß das nöthige Material zu schaffen. Aber auch die große Masse von Nahrung, die eine solche Lebensart erfordert, ist dadurch leicht erklärt, zumal da meist viel mehr thierisches Leben vernichtet wird, als unmittelbar dem Nahrungsbe- dürfniß entspricht. Aus beiden Gründen bedarf das reißende Thier
ganzen bewohnten Erde geworden ſind? Ein merkwürdiges Räthſel, von deſſen Löſung wir noch um ſo entfernter ſind, da von Aerzten und Chemikern angeſtellte Verſuche bis jetzt keine Andeutung einer beſon- dern Wirkung nach dem Genuſſe größerer Mengen reinen Theins erkennen laſſen, der Stoff alſo ohne auffallende Wirkung auf die thieriſche Oeconomie erſcheint.
Ich kehre nach dieſer Abſchweifung, die der Hauptfrage ohnehin nicht ſo fremd iſt, wieder zu meiner Aufgabe zurück. Der Menſch bedarf alſo zu ſeiner Nahrung zunächſt dreier ſtickſtoffreicher Subſtan- zen, des Faſerſtoffs, Käſeſtoffs und des Eiweißes, und dieſe findet er nicht nur im Thierreich, ſondern auch im Pflanzenreich allgemein verbreitet. Er verbraucht ferner zur Unterhaltung der Reſpiration und dadurch der Wärme eine gewiſſe Menge ſtickſtofffreier Subſtanzen, welche ihm außer im Fette der Thiere im reichſten Maaße von den meiſten und verbreitetſten Pflanzenſtoffen geboten werden.
Sehr leicht erklären ſich uns nun einige der auffallendſten Erſcheinun- gen in der Ernährungsweiſe des Menſchen und der Thiere. Jägervölker und fleiſchfreſſende Thiere bedürfen einer großen Menge ihrer gewöhnlich fettarmen Nahrung. Durch angeſtrengte körperliche Thätigkeit müſſen ſie dieſe ſtickſtoffhaltige Nahrung erſt in zwei Beſtandtheile zerlegen, einen der ſämmtlichen Stickſtoff, einen andern, der einen Theil des Kohlen- und Waſſerſtoffs enthält, und dieſen letztern verwenden ſie dann für die Reſpiration, da bei der Unverbrennlichkeit des Stickſtoffs ſtickſtoffhaltige Subſtanzen dazu untauglich ſind. Eben darin findet auch die unruhige, raſtlos thätige Lebensweiſe des reißenden Thiers, wie des Jägers ihre Erklärung, indem ſie nur durch heftige Anſtren- gungen des Körpers ſo viel der ſtickſtoffhaltigen Nahrung zerſetzen können, um für den Reſpirationsproceß das nöthige Material zu ſchaffen. Aber auch die große Maſſe von Nahrung, die eine ſolche Lebensart erfordert, iſt dadurch leicht erklärt, zumal da meiſt viel mehr thieriſches Leben vernichtet wird, als unmittelbar dem Nahrungsbe- dürfniß entſpricht. Aus beiden Gründen bedarf das reißende Thier
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ganzen bewohnten Erde geworden ſind? Ein merkwürdiges Räthſel,
von deſſen Löſung wir noch um ſo entfernter ſind, da von Aerzten und
Chemikern angeſtellte Verſuche bis jetzt keine Andeutung einer beſon-
dern Wirkung nach dem Genuſſe größerer Mengen reinen Theins
erkennen laſſen, der Stoff alſo ohne auffallende Wirkung auf die
thieriſche Oeconomie erſcheint.
Ich kehre nach dieſer Abſchweifung, die der Hauptfrage ohnehin
nicht ſo fremd iſt, wieder zu meiner Aufgabe zurück. Der Menſch
bedarf alſo zu ſeiner Nahrung zunächſt dreier ſtickſtoffreicher Subſtan-
zen, des Faſerſtoffs, Käſeſtoffs und des Eiweißes, und dieſe findet er
nicht nur im Thierreich, ſondern auch im Pflanzenreich allgemein
verbreitet. Er verbraucht ferner zur Unterhaltung der Reſpiration und
dadurch der Wärme eine gewiſſe Menge ſtickſtofffreier Subſtanzen,
welche ihm außer im Fette der Thiere im reichſten Maaße von den
meiſten und verbreitetſten Pflanzenſtoffen geboten werden.
Sehr leicht erklären ſich uns nun einige der auffallendſten Erſcheinun-
gen in der Ernährungsweiſe des Menſchen und der Thiere. Jägervölker
und fleiſchfreſſende Thiere bedürfen einer großen Menge ihrer gewöhnlich
fettarmen Nahrung. Durch angeſtrengte körperliche Thätigkeit müſſen
ſie dieſe ſtickſtoffhaltige Nahrung erſt in zwei Beſtandtheile zerlegen,
einen der ſämmtlichen Stickſtoff, einen andern, der einen Theil des
Kohlen- und Waſſerſtoffs enthält, und dieſen letztern verwenden ſie
dann für die Reſpiration, da bei der Unverbrennlichkeit des Stickſtoffs
ſtickſtoffhaltige Subſtanzen dazu untauglich ſind. Eben darin findet
auch die unruhige, raſtlos thätige Lebensweiſe des reißenden Thiers,
wie des Jägers ihre Erklärung, indem ſie nur durch heftige Anſtren-
gungen des Körpers ſo viel der ſtickſtoffhaltigen Nahrung zerſetzen
können, um für den Reſpirationsproceß das nöthige Material zu
ſchaffen. Aber auch die große Maſſe von Nahrung, die eine ſolche
Lebensart erfordert, iſt dadurch leicht erklärt, zumal da meiſt viel mehr
thieriſches Leben vernichtet wird, als unmittelbar dem Nahrungsbe-
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Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiden_pflanze_1848/153>, abgerufen am 24.11.2024.
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