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Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848.

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Südamerica am Mate oder Paraguay-Thee, den Blättern einer
brasilianischen Stechpalme (Ilex paragayensis), welcher unter Um-
ständen mit dem Camini, den Blättern der Cassine Gongonha oder
mit der Guarana, einer Art von Caffee aus den Saamen der Paullinia
sorbilis
bereitet, vertauscht wird. Auch der Gebrauch des Mate ist
seit undenklichen Zeiten in Brasilien einheimisch.

So sind diese Getränke überall zu nothwendigen Lebensbedürf-
nissen geworden, überall ist der Anfang ihres Gebrauchs in mythi-
sches Dunkel gehüllt, überall hat der Mensch, nicht etwa durch ver-
nünftige Ueberlegung, durch Kenntniß der Eigenschaften und Wir-
kungen, durch Vergleichung derselben mit schon bekannten Nahrungs-
stoffen geführt, sondern gleichsam instinctmäßig diese Getränke in die
Zahl seiner täglichen Bedürfnisse aufgenommen.

Bei der großen Wichtigkeit des Stoffes selbst und bei dem In-
teresse, welches die eben angedeutete Betrachtung erregen mußte, hat
denn die Chemie versucht, in wie weit sie zur Aufklärung dieser selt-
samen Erscheinung beitragen könnte. Das Resultat ist gegen alle
Erwartung ausgefallen und hat das Räthsel nur noch mehr verwirrt.
Oudry fand im Thee einen in feinen weißen Nadeln krystallisirenden
Stoff, den er Thein nannte, und der etwa 1/2 Proc. des Thees aus-
macht. Früher schon 1820 hatte Runge im Caffee eine Substanz ent-
deckt, deren zarte seidenglänzende Krystalle kaum zu 1/3 Proc. im
Caffee enthalten sind. Runge nannte sie Caffein. Ein Anderer fand
im Cacao das Theobromin in geringer Menge, dann wies man das
Thein im Mate, das Caffein in der Guarana nach und endlich zeig-
ten die genauern Untersuchungen, daß Thein und Caffein ein und
derselbe Stoff sey, der sich von allen bekannten Pflanzenstoffen durch
seinen außerordentlich großen Stickstoffgehalt auszeichnet, und daß
Theobromin, wenn nicht vielleicht identisch mit denselben, doch höchst
nahe verwandt sey. Muß es nicht im höchsten Grade auffallend er-
scheinen, daß ein wenn auch nur sehr geringer Gehalt eines und des-
selben eigenthümlichen Stoffes sich in allen diesen Getränken finden
muß, welche so auffallend schnell zu nothwendigen Bedürfnissen der

Südamerica am Maté oder Paraguay-Thee, den Blättern einer
braſilianiſchen Stechpalme (Ilex paragayensis), welcher unter Um-
ſtänden mit dem Camini, den Blättern der Cassine Gongonha oder
mit der Guarana, einer Art von Caffee aus den Saamen der Paullinia
sorbilis
bereitet, vertauſcht wird. Auch der Gebrauch des Maté iſt
ſeit undenklichen Zeiten in Braſilien einheimiſch.

So ſind dieſe Getränke überall zu nothwendigen Lebensbedürf-
niſſen geworden, überall iſt der Anfang ihres Gebrauchs in mythi-
ſches Dunkel gehüllt, überall hat der Menſch, nicht etwa durch ver-
nünftige Ueberlegung, durch Kenntniß der Eigenſchaften und Wir-
kungen, durch Vergleichung derſelben mit ſchon bekannten Nahrungs-
ſtoffen geführt, ſondern gleichſam inſtinctmäßig dieſe Getränke in die
Zahl ſeiner täglichen Bedürfniſſe aufgenommen.

Bei der großen Wichtigkeit des Stoffes ſelbſt und bei dem In-
tereſſe, welches die eben angedeutete Betrachtung erregen mußte, hat
denn die Chemie verſucht, in wie weit ſie zur Aufklärung dieſer ſelt-
ſamen Erſcheinung beitragen könnte. Das Reſultat iſt gegen alle
Erwartung ausgefallen und hat das Räthſel nur noch mehr verwirrt.
Oudry fand im Thee einen in feinen weißen Nadeln kryſtalliſirenden
Stoff, den er Thein nannte, und der etwa ½ Proc. des Thees aus-
macht. Früher ſchon 1820 hatte Runge im Caffee eine Subſtanz ent-
deckt, deren zarte ſeidenglänzende Kryſtalle kaum zu ⅓ Proc. im
Caffee enthalten ſind. Runge nannte ſie Caffein. Ein Anderer fand
im Cacao das Theobromin in geringer Menge, dann wies man das
Thein im Maté, das Caffein in der Guarana nach und endlich zeig-
ten die genauern Unterſuchungen, daß Thein und Caffein ein und
derſelbe Stoff ſey, der ſich von allen bekannten Pflanzenſtoffen durch
ſeinen außerordentlich großen Stickſtoffgehalt auszeichnet, und daß
Theobromin, wenn nicht vielleicht identiſch mit denſelben, doch höchſt
nahe verwandt ſey. Muß es nicht im höchſten Grade auffallend er-
ſcheinen, daß ein wenn auch nur ſehr geringer Gehalt eines und deſ-
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muß, welche ſo auffallend ſchnell zu nothwendigen Bedürfniſſen der

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[136/0152] Südamerica am Maté oder Paraguay-Thee, den Blättern einer braſilianiſchen Stechpalme (Ilex paragayensis), welcher unter Um- ſtänden mit dem Camini, den Blättern der Cassine Gongonha oder mit der Guarana, einer Art von Caffee aus den Saamen der Paullinia sorbilis bereitet, vertauſcht wird. Auch der Gebrauch des Maté iſt ſeit undenklichen Zeiten in Braſilien einheimiſch. So ſind dieſe Getränke überall zu nothwendigen Lebensbedürf- niſſen geworden, überall iſt der Anfang ihres Gebrauchs in mythi- ſches Dunkel gehüllt, überall hat der Menſch, nicht etwa durch ver- nünftige Ueberlegung, durch Kenntniß der Eigenſchaften und Wir- kungen, durch Vergleichung derſelben mit ſchon bekannten Nahrungs- ſtoffen geführt, ſondern gleichſam inſtinctmäßig dieſe Getränke in die Zahl ſeiner täglichen Bedürfniſſe aufgenommen. Bei der großen Wichtigkeit des Stoffes ſelbſt und bei dem In- tereſſe, welches die eben angedeutete Betrachtung erregen mußte, hat denn die Chemie verſucht, in wie weit ſie zur Aufklärung dieſer ſelt- ſamen Erſcheinung beitragen könnte. Das Reſultat iſt gegen alle Erwartung ausgefallen und hat das Räthſel nur noch mehr verwirrt. Oudry fand im Thee einen in feinen weißen Nadeln kryſtalliſirenden Stoff, den er Thein nannte, und der etwa ½ Proc. des Thees aus- macht. Früher ſchon 1820 hatte Runge im Caffee eine Subſtanz ent- deckt, deren zarte ſeidenglänzende Kryſtalle kaum zu ⅓ Proc. im Caffee enthalten ſind. Runge nannte ſie Caffein. Ein Anderer fand im Cacao das Theobromin in geringer Menge, dann wies man das Thein im Maté, das Caffein in der Guarana nach und endlich zeig- ten die genauern Unterſuchungen, daß Thein und Caffein ein und derſelbe Stoff ſey, der ſich von allen bekannten Pflanzenſtoffen durch ſeinen außerordentlich großen Stickſtoffgehalt auszeichnet, und daß Theobromin, wenn nicht vielleicht identiſch mit denſelben, doch höchſt nahe verwandt ſey. Muß es nicht im höchſten Grade auffallend er- ſcheinen, daß ein wenn auch nur ſehr geringer Gehalt eines und deſ- ſelben eigenthümlichen Stoffes ſich in allen dieſen Getränken finden muß, welche ſo auffallend ſchnell zu nothwendigen Bedürfniſſen der

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Zitationshilfe: Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiden_pflanze_1848/152>, abgerufen am 25.11.2024.