Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848.

Bild:
<< vorherige Seite

Wärme hat bekanntlich die Eigenschaft, die Körper, welche sie durch-
dringt, auszudehnen. Ein Eisenstab, wenn er glühend gemessen wird,
ist breiter, dicker und länger, als derselbe Stab, nachdem er wieder
vollständig erkaltet ist. Dasselbe gilt auch für die Luft, sie wird aus-
gedehnter und in Folge dessen auch leichter, wie die einfachste Form
des Luftballons, die nach ihrem Erfinder sogenannte Montgolfiere
beweist, welche dadurch steigt, daß man die gemeine, in einem unten
offnen Ballon eingeschlossene Luft durch eine starke, unten angebrachte
Flamme erhitzt. Die leichter gewordene Luft steigt dann durch die
kältere Luft wie Oel durch's Wasser in die Höhe und schwimmt auf
derselben. -- Liegt die kalte Luft auf einer schrägen Fläche, so fließt
die wärmere auf der kalten Luft herab, wie Wasser an einem Berge,
scheinbar ohne sich, wenn der Temperaturunterschied bedeutend ist,
mit derselben zu vermischen.

Da aber die warme Luft dünner ist, als die kalte, d. h. weil in
einem gleichen Raume weniger Luft ist, wenn sie warm als wenn sie
kalt ist, so fließt auch die kalte Luft in jeden Raum hinein, der er-
wärmt ist und zwar, weil sie schwerer ist, am Boden. Oeffnet man
in sehr kaltem Winter die Thür eines erheizten Zimmers, so strömt
die kalte Luft am Boden ein, die warme Luft in der Höhe aus, was
sich deutlich durch die Bewegung einer hoch oder tief in die Thür ge-
haltenen Lichtflamme zu erkennen giebt. Dies ist im Kleinen die Ver-
anlassung zu dem von dem zarten Frauengeschlecht und auch von
einigen zarten Herren so sehr gefürchteten Zuge. Dies im Großen die
Ursache dessen, was der Matrose nach Umständen durch Beten und
durch Pfeifen herbeiruft, oder verflucht, die Ursache des Windes und
der Stürme. Freilich wird man mir antworten, daß wir damit immer
noch nicht klüger geworden sind. Denn wenn um den kahlen Gipfel
des Brockens die Frühlingsstürme brausen und in schaurigem Treiben
den Schnee aufwirbeln, daß der geblendete Wanderer nur noch hun-
dert Schritte vom gastlichen Hause entfernt, sich verirrt und eine
Beute des Todes wird, so frägt sich's immer noch, wo ist denn hier
das geheizte Zimmer und wo die geöffnete Thür? und am Ende be-

Wärme hat bekanntlich die Eigenſchaft, die Körper, welche ſie durch-
dringt, auszudehnen. Ein Eiſenſtab, wenn er glühend gemeſſen wird,
iſt breiter, dicker und länger, als derſelbe Stab, nachdem er wieder
vollſtändig erkaltet iſt. Daſſelbe gilt auch für die Luft, ſie wird aus-
gedehnter und in Folge deſſen auch leichter, wie die einfachſte Form
des Luftballons, die nach ihrem Erfinder ſogenannte Montgolfière
beweiſt, welche dadurch ſteigt, daß man die gemeine, in einem unten
offnen Ballon eingeſchloſſene Luft durch eine ſtarke, unten angebrachte
Flamme erhitzt. Die leichter gewordene Luft ſteigt dann durch die
kältere Luft wie Oel durch's Waſſer in die Höhe und ſchwimmt auf
derſelben. — Liegt die kalte Luft auf einer ſchrägen Fläche, ſo fließt
die wärmere auf der kalten Luft herab, wie Waſſer an einem Berge,
ſcheinbar ohne ſich, wenn der Temperaturunterſchied bedeutend iſt,
mit derſelben zu vermiſchen.

Da aber die warme Luft dünner iſt, als die kalte, d. h. weil in
einem gleichen Raume weniger Luft iſt, wenn ſie warm als wenn ſie
kalt iſt, ſo fließt auch die kalte Luft in jeden Raum hinein, der er-
wärmt iſt und zwar, weil ſie ſchwerer iſt, am Boden. Oeffnet man
in ſehr kaltem Winter die Thür eines erheizten Zimmers, ſo ſtrömt
die kalte Luft am Boden ein, die warme Luft in der Höhe aus, was
ſich deutlich durch die Bewegung einer hoch oder tief in die Thür ge-
haltenen Lichtflamme zu erkennen giebt. Dies iſt im Kleinen die Ver-
anlaſſung zu dem von dem zarten Frauengeſchlecht und auch von
einigen zarten Herren ſo ſehr gefürchteten Zuge. Dies im Großen die
Urſache deſſen, was der Matroſe nach Umſtänden durch Beten und
durch Pfeifen herbeiruft, oder verflucht, die Urſache des Windes und
der Stürme. Freilich wird man mir antworten, daß wir damit immer
noch nicht klüger geworden ſind. Denn wenn um den kahlen Gipfel
des Brockens die Frühlingsſtürme brauſen und in ſchaurigem Treiben
den Schnee aufwirbeln, daß der geblendete Wanderer nur noch hun-
dert Schritte vom gaſtlichen Hauſe entfernt, ſich verirrt und eine
Beute des Todes wird, ſo frägt ſich's immer noch, wo iſt denn hier
das geheizte Zimmer und wo die geöffnete Thür? und am Ende be-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0125" n="109"/>
Wärme hat bekanntlich die Eigen&#x017F;chaft, die Körper, welche &#x017F;ie durch-<lb/>
dringt, auszudehnen. Ein Ei&#x017F;en&#x017F;tab, wenn er glühend geme&#x017F;&#x017F;en wird,<lb/>
i&#x017F;t breiter, dicker und länger, als der&#x017F;elbe Stab, nachdem er wieder<lb/>
voll&#x017F;tändig erkaltet i&#x017F;t. Da&#x017F;&#x017F;elbe gilt auch für die Luft, &#x017F;ie wird aus-<lb/>
gedehnter und in Folge de&#x017F;&#x017F;en auch leichter, wie die einfach&#x017F;te Form<lb/>
des Luftballons, die nach ihrem Erfinder &#x017F;ogenannte Montgolfi<hi rendition="#aq">è</hi>re<lb/>
bewei&#x017F;t, welche dadurch &#x017F;teigt, daß man die gemeine, in einem unten<lb/>
offnen Ballon einge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;ene Luft durch eine &#x017F;tarke, unten angebrachte<lb/>
Flamme erhitzt. Die leichter gewordene Luft &#x017F;teigt dann durch die<lb/>
kältere Luft wie Oel durch's Wa&#x017F;&#x017F;er in die Höhe und &#x017F;chwimmt auf<lb/>
der&#x017F;elben. &#x2014; Liegt die kalte Luft auf einer &#x017F;chrägen Fläche, &#x017F;o fließt<lb/>
die wärmere auf der kalten Luft herab, wie Wa&#x017F;&#x017F;er an einem Berge,<lb/>
&#x017F;cheinbar ohne &#x017F;ich, wenn der Temperaturunter&#x017F;chied bedeutend i&#x017F;t,<lb/>
mit der&#x017F;elben zu vermi&#x017F;chen.</p><lb/>
        <p>Da aber die warme Luft dünner i&#x017F;t, als die kalte, d. h. weil in<lb/>
einem gleichen Raume weniger Luft i&#x017F;t, wenn &#x017F;ie warm als wenn &#x017F;ie<lb/>
kalt i&#x017F;t, &#x017F;o fließt auch die kalte Luft in jeden Raum hinein, der er-<lb/>
wärmt i&#x017F;t und zwar, weil &#x017F;ie &#x017F;chwerer i&#x017F;t, am Boden. Oeffnet man<lb/>
in &#x017F;ehr kaltem Winter die Thür eines erheizten Zimmers, &#x017F;o &#x017F;trömt<lb/>
die kalte Luft am Boden ein, die warme Luft in der Höhe aus, was<lb/>
&#x017F;ich deutlich durch die Bewegung einer hoch oder tief in die Thür ge-<lb/>
haltenen Lichtflamme zu erkennen giebt. Dies i&#x017F;t im Kleinen die Ver-<lb/>
anla&#x017F;&#x017F;ung zu dem von dem zarten Frauenge&#x017F;chlecht und auch von<lb/>
einigen zarten Herren &#x017F;o &#x017F;ehr gefürchteten Zuge. Dies im Großen die<lb/>
Ur&#x017F;ache de&#x017F;&#x017F;en, was der Matro&#x017F;e nach Um&#x017F;tänden durch Beten und<lb/>
durch Pfeifen herbeiruft, oder verflucht, die Ur&#x017F;ache des Windes und<lb/>
der Stürme. Freilich wird man mir antworten, daß wir damit immer<lb/>
noch nicht klüger geworden &#x017F;ind. Denn wenn um den kahlen Gipfel<lb/>
des Brockens die Frühlings&#x017F;türme brau&#x017F;en und in &#x017F;chaurigem Treiben<lb/>
den Schnee aufwirbeln, daß der geblendete Wanderer nur noch hun-<lb/>
dert Schritte vom ga&#x017F;tlichen Hau&#x017F;e entfernt, &#x017F;ich verirrt und eine<lb/>
Beute des Todes wird, &#x017F;o frägt &#x017F;ich's immer noch, wo i&#x017F;t denn hier<lb/>
das geheizte Zimmer und wo die geöffnete Thür? und am Ende be-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[109/0125] Wärme hat bekanntlich die Eigenſchaft, die Körper, welche ſie durch- dringt, auszudehnen. Ein Eiſenſtab, wenn er glühend gemeſſen wird, iſt breiter, dicker und länger, als derſelbe Stab, nachdem er wieder vollſtändig erkaltet iſt. Daſſelbe gilt auch für die Luft, ſie wird aus- gedehnter und in Folge deſſen auch leichter, wie die einfachſte Form des Luftballons, die nach ihrem Erfinder ſogenannte Montgolfière beweiſt, welche dadurch ſteigt, daß man die gemeine, in einem unten offnen Ballon eingeſchloſſene Luft durch eine ſtarke, unten angebrachte Flamme erhitzt. Die leichter gewordene Luft ſteigt dann durch die kältere Luft wie Oel durch's Waſſer in die Höhe und ſchwimmt auf derſelben. — Liegt die kalte Luft auf einer ſchrägen Fläche, ſo fließt die wärmere auf der kalten Luft herab, wie Waſſer an einem Berge, ſcheinbar ohne ſich, wenn der Temperaturunterſchied bedeutend iſt, mit derſelben zu vermiſchen. Da aber die warme Luft dünner iſt, als die kalte, d. h. weil in einem gleichen Raume weniger Luft iſt, wenn ſie warm als wenn ſie kalt iſt, ſo fließt auch die kalte Luft in jeden Raum hinein, der er- wärmt iſt und zwar, weil ſie ſchwerer iſt, am Boden. Oeffnet man in ſehr kaltem Winter die Thür eines erheizten Zimmers, ſo ſtrömt die kalte Luft am Boden ein, die warme Luft in der Höhe aus, was ſich deutlich durch die Bewegung einer hoch oder tief in die Thür ge- haltenen Lichtflamme zu erkennen giebt. Dies iſt im Kleinen die Ver- anlaſſung zu dem von dem zarten Frauengeſchlecht und auch von einigen zarten Herren ſo ſehr gefürchteten Zuge. Dies im Großen die Urſache deſſen, was der Matroſe nach Umſtänden durch Beten und durch Pfeifen herbeiruft, oder verflucht, die Urſache des Windes und der Stürme. Freilich wird man mir antworten, daß wir damit immer noch nicht klüger geworden ſind. Denn wenn um den kahlen Gipfel des Brockens die Frühlingsſtürme brauſen und in ſchaurigem Treiben den Schnee aufwirbeln, daß der geblendete Wanderer nur noch hun- dert Schritte vom gaſtlichen Hauſe entfernt, ſich verirrt und eine Beute des Todes wird, ſo frägt ſich's immer noch, wo iſt denn hier das geheizte Zimmer und wo die geöffnete Thür? und am Ende be-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schleiden_pflanze_1848
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schleiden_pflanze_1848/125
Zitationshilfe: Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiden_pflanze_1848/125>, abgerufen am 21.11.2024.