les Dieses dem allgemeinen Charakter der Jahreszeiten erst die indi- viduellen Eigenthümlichkeiten aufprägt, die wir Wetter nennen. Alle jene verschiedenen Erscheinungen und vor Allen der Wind sind aber nur Veränderungen, verschiedene Zustände der Zusammen- setzung, Ruhe und Bewegung der feinen Materie, die uns umgiebt, und die wir als Luft bezeichnen. Treten wir hinaus in die klare Nacht und blicken über uns aufwärts zu den Sternen, so erblicken unsere Augen keine Grenze zwischen uns und jenen Himmelslich- tern. Es deucht uns wohl so, als ob dasselbe unsichtbare Etwas, welches uns umgiebt, sich ununterbrochen hinauf erstrecken müsse, bis zu jenen glänzenden Welten, deren Licht scheinbar so ungehin- dert zu uns herabströmt. Dem ist aber nicht also. Könnten wir auf- wärts steigen, so würden wir, schon ehe wir noch ein nennens- werthes Stück unseres Weges zurückgelegt, an der Grenze der Luft angekommen seyn. Nicht unrichtig nennt sie die dichterische Sprache Luftmeer, und die kühnen Sterblichen, die sie durchflogen, Luft- schiffer. Wie eine dünne flüssige Schicht umgiebt sie unseren Erdball und nimmt an seinen Schicksalen Theil. Mit ihm durchfliegt sie die Räume des Weltalls in seinem Laufe um die Sonne, mit ihm dreht sie sich in gleicher Schnelligkeit von West nach Osten um seine Axe. Thäte sie dieses nicht, oder bewegte sie sich auch nur langsa- mer, als er, so würden wir, die wir an den Boden und seinen Umschwung gefesselt sind, uns durch sie durchdrängen müssen, sie würde uns als Sturmwind entgegen zu kommen scheinen, eine Thatsache, die, wie sich später erweisen wird, von großem Ein- flusse auf die Theorie der Winde ist. Ich habe die Luft eine Flüssig- keit genannt und das ist sie in der That. Sie fließt aus einem Raum in den andern und eben diese Luftströme nennen wir Winde. Aber, wird man fragen, wo ist denn der Raum, in welchen sie ein- strömen könnte, da ja überall Luft verbreitet ist, also überall Gleich- gewicht herrschen muß, wie in einem ruhig stehenden Gefäße mit Wasser? -- Um dies zu erläutern, muß ich zunächst eine der wich- tigsten Eigenschaften der Luft näher aus einander setzen. Die
les Dieſes dem allgemeinen Charakter der Jahreszeiten erſt die indi- viduellen Eigenthümlichkeiten aufprägt, die wir Wetter nennen. Alle jene verſchiedenen Erſcheinungen und vor Allen der Wind ſind aber nur Veränderungen, verſchiedene Zuſtände der Zuſammen- ſetzung, Ruhe und Bewegung der feinen Materie, die uns umgiebt, und die wir als Luft bezeichnen. Treten wir hinaus in die klare Nacht und blicken über uns aufwärts zu den Sternen, ſo erblicken unſere Augen keine Grenze zwiſchen uns und jenen Himmelslich- tern. Es deucht uns wohl ſo, als ob daſſelbe unſichtbare Etwas, welches uns umgiebt, ſich ununterbrochen hinauf erſtrecken müſſe, bis zu jenen glänzenden Welten, deren Licht ſcheinbar ſo ungehin- dert zu uns herabſtrömt. Dem iſt aber nicht alſo. Könnten wir auf- wärts ſteigen, ſo würden wir, ſchon ehe wir noch ein nennens- werthes Stück unſeres Weges zurückgelegt, an der Grenze der Luft angekommen ſeyn. Nicht unrichtig nennt ſie die dichteriſche Sprache Luftmeer, und die kühnen Sterblichen, die ſie durchflogen, Luft- ſchiffer. Wie eine dünne flüſſige Schicht umgiebt ſie unſeren Erdball und nimmt an ſeinen Schickſalen Theil. Mit ihm durchfliegt ſie die Räume des Weltalls in ſeinem Laufe um die Sonne, mit ihm dreht ſie ſich in gleicher Schnelligkeit von Weſt nach Oſten um ſeine Axe. Thäte ſie dieſes nicht, oder bewegte ſie ſich auch nur langſa- mer, als er, ſo würden wir, die wir an den Boden und ſeinen Umſchwung gefeſſelt ſind, uns durch ſie durchdrängen müſſen, ſie würde uns als Sturmwind entgegen zu kommen ſcheinen, eine Thatſache, die, wie ſich ſpäter erweiſen wird, von großem Ein- fluſſe auf die Theorie der Winde iſt. Ich habe die Luft eine Flüſſig- keit genannt und das iſt ſie in der That. Sie fließt aus einem Raum in den andern und eben dieſe Luftſtröme nennen wir Winde. Aber, wird man fragen, wo iſt denn der Raum, in welchen ſie ein- ſtrömen könnte, da ja überall Luft verbreitet iſt, alſo überall Gleich- gewicht herrſchen muß, wie in einem ruhig ſtehenden Gefäße mit Waſſer? — Um dies zu erläutern, muß ich zunächſt eine der wich- tigſten Eigenſchaften der Luft näher aus einander ſetzen. Die
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les Dieſes dem allgemeinen Charakter der Jahreszeiten erſt die indi-
viduellen Eigenthümlichkeiten aufprägt, die wir Wetter nennen.
Alle jene verſchiedenen Erſcheinungen und vor Allen der Wind ſind
aber nur Veränderungen, verſchiedene Zuſtände der Zuſammen-
ſetzung, Ruhe und Bewegung der feinen Materie, die uns umgiebt,
und die wir als Luft bezeichnen. Treten wir hinaus in die klare
Nacht und blicken über uns aufwärts zu den Sternen, ſo erblicken
unſere Augen keine Grenze zwiſchen uns und jenen Himmelslich-
tern. Es deucht uns wohl ſo, als ob daſſelbe unſichtbare Etwas,
welches uns umgiebt, ſich ununterbrochen hinauf erſtrecken müſſe,
bis zu jenen glänzenden Welten, deren Licht ſcheinbar ſo ungehin-
dert zu uns herabſtrömt. Dem iſt aber nicht alſo. Könnten wir auf-
wärts ſteigen, ſo würden wir, ſchon ehe wir noch ein nennens-
werthes Stück unſeres Weges zurückgelegt, an der Grenze der Luft
angekommen ſeyn. Nicht unrichtig nennt ſie die dichteriſche Sprache
Luftmeer, und die kühnen Sterblichen, die ſie durchflogen, Luft-
ſchiffer. Wie eine dünne flüſſige Schicht umgiebt ſie unſeren Erdball
und nimmt an ſeinen Schickſalen Theil. Mit ihm durchfliegt ſie die
Räume des Weltalls in ſeinem Laufe um die Sonne, mit ihm
dreht ſie ſich in gleicher Schnelligkeit von Weſt nach Oſten um ſeine
Axe. Thäte ſie dieſes nicht, oder bewegte ſie ſich auch nur langſa-
mer, als er, ſo würden wir, die wir an den Boden und ſeinen
Umſchwung gefeſſelt ſind, uns durch ſie durchdrängen müſſen, ſie
würde uns als Sturmwind entgegen zu kommen ſcheinen, eine
Thatſache, die, wie ſich ſpäter erweiſen wird, von großem Ein-
fluſſe auf die Theorie der Winde iſt. Ich habe die Luft eine Flüſſig-
keit genannt und das iſt ſie in der That. Sie fließt aus einem
Raum in den andern und eben dieſe Luftſtröme nennen wir Winde.
Aber, wird man fragen, wo iſt denn der Raum, in welchen ſie ein-
ſtrömen könnte, da ja überall Luft verbreitet iſt, alſo überall Gleich-
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Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiden_pflanze_1848/124>, abgerufen am 24.11.2024.
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