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Schleiden, Matthias Jacob: Das Alter des Menschengeschlechts, die Entstehung der Arten und die Stellung des Menschen in der Natur. Leipzig, 1863.

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Dritte Vorlesung.
stehende Affe, der Orang-Outang, wesentlich abweicht, so daß in die¬
sem Puncte Mensch und Affe sich weniger unterscheiden als ein Affe
vom andern. -- Die scheinbaren Unterschiede zwischen dem Menschen-
und Affenfuß und die Handähnlichkeit des Letzteren beruhen nur auf
einem mehr oder weniger in denselben Grundlagen, vorzugsweise in
der größeren Freiheit und Beweglichkeit der großen Zehe, wodurch sie
im Gebrauch dem Daumen ähnlicher erscheint. Aber abgesehen von den
einzelnen armlosen Menschen, die erlernten, ihren Fuß mit großer Ge¬
schicklichkeit als Hand zu gebrauchen, haben wir auch ganze besonders
baarfuß gehende Völker, welche eine unendlich größere Beweglichkeit
der großen Zehe besitzen, als die civilisirten Nationen, denen die frühe
Fußbekleidung die Ausbildung der Fußglieder zur Beweglichkeit un¬
möglich macht, während jene uncultivirten Nationen von der größeren
Beweglichkeit ihres Fußes den besten Gebrauch machen, Dinge von der
Erde damit aufheben, manche Verrichtungen damit vornehmen u. s. w.
Selbst die Chinesischen Matrosen sollen mit den Füßen rudern und die
Bengalischen Handwerker mit denselben weben können.

Gar mancher Satz in der Naturgeschichte, den man lange für un¬
umstößlich hielt, wird oft plötzlich durch eine neue Entdeckung unhalt¬
bar, und so wie der neuentdeckte Gorilla mit Hand und Fuß in anato¬
misch wesentlichen Merkmalen dem Menschen näher steht als den Affen,
zu denen er übrigens gehört, so ist auch sein Wirbel- und Beckensystem
dem menschlichen bei weitem ähnlicher als dem Gibbon. Ja selbst das
Gebiß des Gorilla hat in vielen Puncten mehr Aehnlichkeit mit dem der
Menschen als dem der nächststehenden Affen und die Puncte, in denen
es abweicht, treten bei anderen Affen in noch viel auffallenderem Grade
abweichend hervor. -- Nichts macht es unmöglich oder auch nur un¬
wahrscheinlich, daß nächste Entdeckungen uns noch näher an den Men¬
schen hinantretende Geschöpfe kennen lehren, wofür ich gegenwärtig nur
auf den in Frankreich gefundenen fossilen Affen (Dryopithecus Ton¬
tani)
hinweisen kann, dessen Gebiß nach Lartet eine vollkommene Mit¬
telstufe zwischen dem der lebenden Affen und dem Menschen bilden soll.

Dritte Vorleſung.
ſtehende Affe, der Orang-Outang, weſentlich abweicht, ſo daß in die¬
ſem Puncte Menſch und Affe ſich weniger unterſcheiden als ein Affe
vom andern. — Die ſcheinbaren Unterſchiede zwiſchen dem Menſchen-
und Affenfuß und die Handähnlichkeit des Letzteren beruhen nur auf
einem mehr oder weniger in denſelben Grundlagen, vorzugsweiſe in
der größeren Freiheit und Beweglichkeit der großen Zehe, wodurch ſie
im Gebrauch dem Daumen ähnlicher erſcheint. Aber abgeſehen von den
einzelnen armloſen Menſchen, die erlernten, ihren Fuß mit großer Ge¬
ſchicklichkeit als Hand zu gebrauchen, haben wir auch ganze beſonders
baarfuß gehende Völker, welche eine unendlich größere Beweglichkeit
der großen Zehe beſitzen, als die civiliſirten Nationen, denen die frühe
Fußbekleidung die Ausbildung der Fußglieder zur Beweglichkeit un¬
möglich macht, während jene uncultivirten Nationen von der größeren
Beweglichkeit ihres Fußes den beſten Gebrauch machen, Dinge von der
Erde damit aufheben, manche Verrichtungen damit vornehmen u. ſ. w.
Selbſt die Chineſiſchen Matroſen ſollen mit den Füßen rudern und die
Bengaliſchen Handwerker mit denſelben weben können.

Gar mancher Satz in der Naturgeſchichte, den man lange für un¬
umſtößlich hielt, wird oft plötzlich durch eine neue Entdeckung unhalt¬
bar, und ſo wie der neuentdeckte Gorilla mit Hand und Fuß in anato¬
miſch weſentlichen Merkmalen dem Menſchen näher ſteht als den Affen,
zu denen er übrigens gehört, ſo iſt auch ſein Wirbel- und Beckenſyſtem
dem menſchlichen bei weitem ähnlicher als dem Gibbon. Ja ſelbſt das
Gebiß des Gorilla hat in vielen Puncten mehr Aehnlichkeit mit dem der
Menſchen als dem der nächſtſtehenden Affen und die Puncte, in denen
es abweicht, treten bei anderen Affen in noch viel auffallenderem Grade
abweichend hervor. — Nichts macht es unmöglich oder auch nur un¬
wahrſcheinlich, daß nächſte Entdeckungen uns noch näher an den Men¬
ſchen hinantretende Geſchöpfe kennen lehren, wofür ich gegenwärtig nur
auf den in Frankreich gefundenen foſſilen Affen (Dryopithecus Ton¬
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[50/0060] Dritte Vorleſung. ſtehende Affe, der Orang-Outang, weſentlich abweicht, ſo daß in die¬ ſem Puncte Menſch und Affe ſich weniger unterſcheiden als ein Affe vom andern. — Die ſcheinbaren Unterſchiede zwiſchen dem Menſchen- und Affenfuß und die Handähnlichkeit des Letzteren beruhen nur auf einem mehr oder weniger in denſelben Grundlagen, vorzugsweiſe in der größeren Freiheit und Beweglichkeit der großen Zehe, wodurch ſie im Gebrauch dem Daumen ähnlicher erſcheint. Aber abgeſehen von den einzelnen armloſen Menſchen, die erlernten, ihren Fuß mit großer Ge¬ ſchicklichkeit als Hand zu gebrauchen, haben wir auch ganze beſonders baarfuß gehende Völker, welche eine unendlich größere Beweglichkeit der großen Zehe beſitzen, als die civiliſirten Nationen, denen die frühe Fußbekleidung die Ausbildung der Fußglieder zur Beweglichkeit un¬ möglich macht, während jene uncultivirten Nationen von der größeren Beweglichkeit ihres Fußes den beſten Gebrauch machen, Dinge von der Erde damit aufheben, manche Verrichtungen damit vornehmen u. ſ. w. Selbſt die Chineſiſchen Matroſen ſollen mit den Füßen rudern und die Bengaliſchen Handwerker mit denſelben weben können. Gar mancher Satz in der Naturgeſchichte, den man lange für un¬ umſtößlich hielt, wird oft plötzlich durch eine neue Entdeckung unhalt¬ bar, und ſo wie der neuentdeckte Gorilla mit Hand und Fuß in anato¬ miſch weſentlichen Merkmalen dem Menſchen näher ſteht als den Affen, zu denen er übrigens gehört, ſo iſt auch ſein Wirbel- und Beckenſyſtem dem menſchlichen bei weitem ähnlicher als dem Gibbon. Ja ſelbſt das Gebiß des Gorilla hat in vielen Puncten mehr Aehnlichkeit mit dem der Menſchen als dem der nächſtſtehenden Affen und die Puncte, in denen es abweicht, treten bei anderen Affen in noch viel auffallenderem Grade abweichend hervor. — Nichts macht es unmöglich oder auch nur un¬ wahrſcheinlich, daß nächſte Entdeckungen uns noch näher an den Men¬ ſchen hinantretende Geſchöpfe kennen lehren, wofür ich gegenwärtig nur auf den in Frankreich gefundenen foſſilen Affen (Dryopithecus Ton¬ tani) hinweiſen kann, deſſen Gebiß nach Lartet eine vollkommene Mit¬ telſtufe zwiſchen dem der lebenden Affen und dem Menſchen bilden ſoll.

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Zitationshilfe: Schleiden, Matthias Jacob: Das Alter des Menschengeschlechts, die Entstehung der Arten und die Stellung des Menschen in der Natur. Leipzig, 1863, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiden_menschengeschlecht_1863/60>, abgerufen am 22.11.2024.