Schleiden, Matthias Jacob: Das Alter des Menschengeschlechts, die Entstehung der Arten und die Stellung des Menschen in der Natur. Leipzig, 1863.Das Alter des Menschengeschlechts. rohe Steinmesser benutzte, die ebenso unkünstlerisch geformt waren alsdie von ihm benutzten steinernen Beile und Streitäxte. Schon 1715 hatte man in dem sogenannten Londoner Thon, Erst die, wie schon Eingangs erwähnt, anfänglich geradezu ver¬ Ich will nur auf einen dieser Funde etwas näher eingehen, da 2*
Das Alter des Menſchengeſchlechts. rohe Steinmeſſer benutzte, die ebenſo unkünſtleriſch geformt waren alsdie von ihm benutzten ſteinernen Beile und Streitäxte. Schon 1715 hatte man in dem ſogenannten Londoner Thon, Erſt die, wie ſchon Eingangs erwähnt, anfänglich geradezu ver¬ Ich will nur auf einen dieſer Funde etwas näher eingehen, da 2*
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Das Alter des Menſchengeſchlechts.
rohe Steinmeſſer benutzte, die ebenſo unkünſtleriſch geformt waren als
die von ihm benutzten ſteinernen Beile und Streitäxte.
Schon 1715 hatte man in dem ſogenannten Londoner Thon,
einem Gliede der poſtpliocänen Formation, zwiſchen den Knochen un¬
tergegangener Thiere eine ſteinerne Art gefunden, dieſen Fund aber als
völlig gleichgültig und werthlos bei Seite gelegt und vergeſſen. Nicht
beſſer ging es den Entdeckungen von Frere in Suffolk (1801), von
Tournal im Departement de l'Aube (1828) und von Chriſtol bei
Nismes (1829). Auch die ſchönen Funde von Dr. Schmerling,
der in den Knochenhöhlen von Engis und Engihoul bei Lüttich
(1831—33) viele Menſchenknochen und faſt ganz erhaltene Schädel
fand, wurden nicht einmal von ihm ſelbſt ihrem wahren Werthe nach
gewürdigt und von den Geognoſten, wie ſelbſt Lyell jetzt zugeſteht, mit
ſehr ungerechtfertigter Gleichgültigkeit unbeachtet gelaſſen.
Erſt die, wie ſchon Eingangs erwähnt, anfänglich geradezu ver¬
lachten Unterſuchungen von Boucher de Perthes brachen endlich
für dieſe neuen Anſchauungsweiſen Bahn. Die neuen Entdeckungen
und die Wiederaufnahme älterer Unterſuchungen folgten ſich ſchnell und
alte wurden nun in der richtigen Weiſe verwerthet. So zeigte ſich, daß
das ganze mittlere wie nördliche Frankreich ſo wie das ſüdliche
England in den maſſenhaften Kieſelgeſchieben und Thonlagern,
welche bald nach der Eiszeit abgelagert wurden und die man gewöhn¬
lich Diluvialgebilde nennt, überall in Geſellſchaft mit den ſchon vor
unſerer neueſten Erdbildungsperiode untergegangenen Thieren auch
Menſchenknochen oder menſchliche Kunſtprodukte umſchließe. Aber der¬
artige Entdeckungen blieben keineswegs auf die genannten Länder be¬
ſchränkt. Sicilien, Sardinien, die Pyrenäen wie das Ohio¬
thal ſtellten ihr Contingent zu dieſen längſt untergegangenen Völker¬
ſchaften, deren Lebenszeit jedenfalls noch weit über 100,000 Jahre
hinter uns liegt.
Ich will nur auf einen dieſer Funde etwas näher eingehen, da
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