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Schleiden, Matthias Jacob: Das Alter des Menschengeschlechts, die Entstehung der Arten und die Stellung des Menschen in der Natur. Leipzig, 1863.

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Das Alter des Menschengeschlechts.
auf welche Weise der Geognost zur Bestimmung der Zeiten, in denen
ein Ereigniß stattfand, gelangt. Natürlich ist die Berechnung für jede
einzelne Oertlichkeit, für jede einzelne Erscheinung immer nach den be¬
sonderen Umständen und Erwägungen eine sehr verschiedene, beruht
aber immer auf ebenso sicheren, ja meistentheils noch sicherern Grund¬
lagen als die Angaben der Historiker für Ereignisse, die auch nur eini¬
germaßen weit in der Geschichte zurückliegen. -- Auf diese Weise kön¬
nen wir nun feststellen, daß die Formation der Neuzeit zum allerwenig¬
sten einen Zeitraum von 100,000 Jahren und die postpliocäne Forma¬
tion jedenfalls einen ebenso langen oder noch längeren umfaßt, daß wir
daher schon mit den letzten Formationen der tertiären Epoche in Zei¬
ten die mehr als 300,000 Jahre hinter der Gegenwart zurückliegen,
eingeführt werden.

Ich gehe nun zu einer etwas genaueren Darstellung der wichtig¬
sten der oben erwähnten Entdeckungen über und zwar will ich dieselben
nach ihrem Alter in drei Gruppen ordnen, die ersten, welche noch den
Menschen in der Neuzeit, in den uns vertrauten Umgebungen betrach¬
ten, die zweiten, welche das Vorhandensein des Menschen in der zwei¬
ten Hälfte der Postpliocänformation als Zeitgenossen des Mammuth
und Rhinoceros darthun und endlich die dritten, die ihn als gleichzei¬
tig mit den mächtigen Gletscherentwickelungen der älteren postpliocänen
Formation, der sogenannten Eiszeit erscheinen lassen.

Die ersten interessanten Thatsachen bieten uns die Torfmoore der
Dänischen Inseln und die an ihren Ostküsten sich findenden oft 2 Mil¬
lionen Cubikfuß umfassenden Bänke von Austern- und anderen Mu¬
schelschalen, Knochenresten, Steinwaffen und dergleichen, welche die
Dänen Kjökken-möddings ("Küchenkehricht") nennen. Die Unter¬
suchungen dieser Acten der Vergangenheit erzählen uns die Geschichte
einer Bevölkerung, welche vor wenigstens 10,000 Jahren in diesen
Gegenden unter mächtigen Kiefernwäldern, eine Baumart, die jetzt
ganz aus Skandinavien verschwunden ist, von Jagd und Fisch¬
fang lebte. Die Bearbeitung dieser Entdeckungen verdanken wir

Das Alter des Menſchengeſchlechts.
auf welche Weiſe der Geognoſt zur Beſtimmung der Zeiten, in denen
ein Ereigniß ſtattfand, gelangt. Natürlich iſt die Berechnung für jede
einzelne Oertlichkeit, für jede einzelne Erſcheinung immer nach den be¬
ſonderen Umſtänden und Erwägungen eine ſehr verſchiedene, beruht
aber immer auf ebenſo ſicheren, ja meiſtentheils noch ſicherern Grund¬
lagen als die Angaben der Hiſtoriker für Ereigniſſe, die auch nur eini¬
germaßen weit in der Geſchichte zurückliegen. — Auf dieſe Weiſe kön¬
nen wir nun feſtſtellen, daß die Formation der Neuzeit zum allerwenig¬
ſten einen Zeitraum von 100,000 Jahren und die poſtpliocäne Forma¬
tion jedenfalls einen ebenſo langen oder noch längeren umfaßt, daß wir
daher ſchon mit den letzten Formationen der tertiären Epoche in Zei¬
ten die mehr als 300,000 Jahre hinter der Gegenwart zurückliegen,
eingeführt werden.

Ich gehe nun zu einer etwas genaueren Darſtellung der wichtig¬
ſten der oben erwähnten Entdeckungen über und zwar will ich dieſelben
nach ihrem Alter in drei Gruppen ordnen, die erſten, welche noch den
Menſchen in der Neuzeit, in den uns vertrauten Umgebungen betrach¬
ten, die zweiten, welche das Vorhandenſein des Menſchen in der zwei¬
ten Hälfte der Poſtpliocänformation als Zeitgenoſſen des Mammuth
und Rhinoceros darthun und endlich die dritten, die ihn als gleichzei¬
tig mit den mächtigen Gletſcherentwickelungen der älteren poſtpliocänen
Formation, der ſogenannten Eiszeit erſcheinen laſſen.

Die erſten intereſſanten Thatſachen bieten uns die Torfmoore der
Däniſchen Inſeln und die an ihren Oſtküſten ſich findenden oft 2 Mil¬
lionen Cubikfuß umfaſſenden Bänke von Auſtern- und anderen Mu¬
ſchelſchalen, Knochenreſten, Steinwaffen und dergleichen, welche die
Dänen Kjökken-möddings („Küchenkehricht“) nennen. Die Unter¬
ſuchungen dieſer Acten der Vergangenheit erzählen uns die Geſchichte
einer Bevölkerung, welche vor wenigſtens 10,000 Jahren in dieſen
Gegenden unter mächtigen Kiefernwäldern, eine Baumart, die jetzt
ganz aus Skandinavien verſchwunden iſt, von Jagd und Fiſch¬
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[13/0023] Das Alter des Menſchengeſchlechts. auf welche Weiſe der Geognoſt zur Beſtimmung der Zeiten, in denen ein Ereigniß ſtattfand, gelangt. Natürlich iſt die Berechnung für jede einzelne Oertlichkeit, für jede einzelne Erſcheinung immer nach den be¬ ſonderen Umſtänden und Erwägungen eine ſehr verſchiedene, beruht aber immer auf ebenſo ſicheren, ja meiſtentheils noch ſicherern Grund¬ lagen als die Angaben der Hiſtoriker für Ereigniſſe, die auch nur eini¬ germaßen weit in der Geſchichte zurückliegen. — Auf dieſe Weiſe kön¬ nen wir nun feſtſtellen, daß die Formation der Neuzeit zum allerwenig¬ ſten einen Zeitraum von 100,000 Jahren und die poſtpliocäne Forma¬ tion jedenfalls einen ebenſo langen oder noch längeren umfaßt, daß wir daher ſchon mit den letzten Formationen der tertiären Epoche in Zei¬ ten die mehr als 300,000 Jahre hinter der Gegenwart zurückliegen, eingeführt werden. Ich gehe nun zu einer etwas genaueren Darſtellung der wichtig¬ ſten der oben erwähnten Entdeckungen über und zwar will ich dieſelben nach ihrem Alter in drei Gruppen ordnen, die erſten, welche noch den Menſchen in der Neuzeit, in den uns vertrauten Umgebungen betrach¬ ten, die zweiten, welche das Vorhandenſein des Menſchen in der zwei¬ ten Hälfte der Poſtpliocänformation als Zeitgenoſſen des Mammuth und Rhinoceros darthun und endlich die dritten, die ihn als gleichzei¬ tig mit den mächtigen Gletſcherentwickelungen der älteren poſtpliocänen Formation, der ſogenannten Eiszeit erſcheinen laſſen. Die erſten intereſſanten Thatſachen bieten uns die Torfmoore der Däniſchen Inſeln und die an ihren Oſtküſten ſich findenden oft 2 Mil¬ lionen Cubikfuß umfaſſenden Bänke von Auſtern- und anderen Mu¬ ſchelſchalen, Knochenreſten, Steinwaffen und dergleichen, welche die Dänen Kjökken-möddings („Küchenkehricht“) nennen. Die Unter¬ ſuchungen dieſer Acten der Vergangenheit erzählen uns die Geſchichte einer Bevölkerung, welche vor wenigſtens 10,000 Jahren in dieſen Gegenden unter mächtigen Kiefernwäldern, eine Baumart, die jetzt ganz aus Skandinavien verſchwunden iſt, von Jagd und Fiſch¬ fang lebte. Die Bearbeitung dieſer Entdeckungen verdanken wir

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Zitationshilfe: Schleiden, Matthias Jacob: Das Alter des Menschengeschlechts, die Entstehung der Arten und die Stellung des Menschen in der Natur. Leipzig, 1863, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiden_menschengeschlecht_1863/23>, abgerufen am 23.11.2024.