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Schleicher, August: Compendium der vergleichenden Grammatik der indogermanischen Sprachen. Bd. 2. Weimar, 1862.

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Verba. II. pers. sing.
§. 272.latein. vel, sive); si-r = latein. si-s auß sie-s. Der imperat.
hat die endung -tu (wol -tau) = lateinisch to, ved. -tat, z. b.
piha-tu = latein. pia-to, fu-tu (esto).

Im altirischen ist das s der zweiten person, das hier
wol zulezt noch allein vorhanden war, auch in den primären
formen verloren, z. b. praes. bir, grundf. bhara-si, auß welchem
zunächst ein *beri-si, *biri-s (vgl. latein. vehi-s), *biri gewor-
den sein mag; der formen der verwanten sprachen wegen und
da auß lautende kurze vocale ser frühe zu schwinden pflegen,
mögen wir nicht bir auß *birei und diß, mit außfall des s, auß
biri-si (§. 170, 2) erklären, da das lautgesetz, nach welchem
s zwischen vocalen schwindet, höchst warscheinlich jünger ist,
als das, nach welchem das auß lautende i sich verflüchtigte;
conjunctiv bera, der imperativ entbert der endung wie in den
andern sprachen; in den temporibus secundariis -tha (d. i. ta),
z. b. no-char-tha; nach dem kymrischen zu schließen ligt hier
jedoch ein suffigiertes pronomen vor.

Altbulgarisch. Es findet sich noch mit archaistisch er-
haltenem i (§. 88, 3) die volle primäre endung si, z. b. jesi
für *jes-si, grundf. as-si, ja-si für *jad-si; grundf. ad-si u. a.;
nach dem praesensstammaußlaute urspr. a ist diß -si in -chi
gewandelt, für welches -si ein treten muß (§. 182, A. 6), also
z. b. veze-si = urspr. vagha-si.

s der secundären form fält im slawischen nach dem auß-
lautsgesetze ab, z. b. aorist. simpl. by, d. i. *bu-s, altindisch
a-bhau-s, griech. ephu-s; veze, grundf. avagha-s. Im imperativ,
d. i. im optativ, stehen formen wie vezi für *veze auß *veze-s
d. i. vaghai-s (§. 88, 8).

Litauisch. si ist ser selten und völlig veraltet bei so
genanten bindevocallosen praesensformen, z. b. ei-si zu wurz.
i (ire); gelb-si, wurz. gelb (auxilium ferre; jezt lauten dise bei-
spile eini, gelbi); die zweite pers. sing. endigt sich nunmer
überall auf i, älter e, z. b. veze-s (veheris), e ist aber vertre-
ter eines früheren ai, so daß also auß der grundf. vagha-si
durch außfall des s zunächst *vaghai ward, welches nun re-
gelrecht (§. 101, 1) in *veze, vezi über gieng; auß der häufi-

Verba. II. pers. sing.
§. 272.latein. vel, sive); si-r = latein. si-s auß siê-s. Der imperat.
hat die endung -tu (wol -tû) = lateinisch to, vêd. -tât, z. b.
piha-tu = latein. pia-to, fu-tu (esto).

Im altirischen ist das s der zweiten person, das hier
wol zulezt noch allein vorhanden war, auch in den primären
formen verloren, z. b. praes. bir, grundf. bhara-si, auß welchem
zunächst ein *beri-si, *biri-s (vgl. latein. vehi-s), *biri gewor-
den sein mag; der formen der verwanten sprachen wegen und
da auß lautende kurze vocale ser frühe zu schwinden pflegen,
mögen wir nicht bir auß *birî und diß, mit außfall des s, auß
biri-si (§. 170, 2) erklären, da das lautgesetz, nach welchem
s zwischen vocalen schwindet, höchst warscheinlich jünger ist,
als das, nach welchem das auß lautende i sich verflüchtigte;
conjunctiv bera, der imperativ entbert der endung wie in den
andern sprachen; in den temporibus secundariis -tha (d. i. tâ),
z. b. no-char-tha; nach dem kymrischen zu schließen ligt hier
jedoch ein suffigiertes pronomen vor.

Altbulgarisch. Es findet sich noch mit archaistisch er-
haltenem i (§. 88, 3) die volle primäre endung si, z. b. jesi
für *jes-si, grundf. as-si, ja-si für *jad-si; grundf. ad-si u. a.;
nach dem praesensstammaußlaute urspr. a ist diß -si in -chi
gewandelt, für welches -ši ein treten muß (§. 182, A. 6), also
z. b. veze-ši = urspr. vagha-si.

s der secundären form fält im slawischen nach dem auß-
lautsgesetze ab, z. b. aorist. simpl. by, d. i. *bu-s, altindisch
á-bhû-s, griech. ἔφυ-ς; veze, grundf. avagha-s. Im imperativ,
d. i. im optativ, stehen formen wie vezi für *vezĕ auß *vezĕ-s
d. i. vaghai-s (§. 88, 8).

Litauisch. si ist ser selten und völlig veraltet bei so
genanten bindevocallosen praesensformen, z. b. ei-sì zu wurz.
i (ire); gélb-si, wurz. gelb (auxilium ferre; jezt lauten dise bei-
spile einì, gélbi); die zweite pers. sing. endigt sich nunmer
überall auf i, älter ë, z. b. veżë́-s (veheris), ë ist aber vertre-
ter eines früheren ai, so daß also auß der grundf. vagha-si
durch außfall des s zunächst *vaghai ward, welches nun re-
gelrecht (§. 101, 1) in *veżë́, veżì über gieng; auß der häufi-

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[516/0242] Verba. II. pers. sing. latein. vel, sive); si-r = latein. si-s auß siê-s. Der imperat. hat die endung -tu (wol -tû) = lateinisch to, vêd. -tât, z. b. piha-tu = latein. pia-to, fu-tu (esto). §. 272. Im altirischen ist das s der zweiten person, das hier wol zulezt noch allein vorhanden war, auch in den primären formen verloren, z. b. praes. bir, grundf. bhara-si, auß welchem zunächst ein *beri-si, *biri-s (vgl. latein. vehi-s), *biri gewor- den sein mag; der formen der verwanten sprachen wegen und da auß lautende kurze vocale ser frühe zu schwinden pflegen, mögen wir nicht bir auß *birî und diß, mit außfall des s, auß biri-si (§. 170, 2) erklären, da das lautgesetz, nach welchem s zwischen vocalen schwindet, höchst warscheinlich jünger ist, als das, nach welchem das auß lautende i sich verflüchtigte; conjunctiv bera, der imperativ entbert der endung wie in den andern sprachen; in den temporibus secundariis -tha (d. i. tâ), z. b. no-char-tha; nach dem kymrischen zu schließen ligt hier jedoch ein suffigiertes pronomen vor. Altbulgarisch. Es findet sich noch mit archaistisch er- haltenem i (§. 88, 3) die volle primäre endung si, z. b. jesi für *jes-si, grundf. as-si, ja-si für *jad-si; grundf. ad-si u. a.; nach dem praesensstammaußlaute urspr. a ist diß -si in -chi gewandelt, für welches -ši ein treten muß (§. 182, A. 6), also z. b. veze-ši = urspr. vagha-si. s der secundären form fält im slawischen nach dem auß- lautsgesetze ab, z. b. aorist. simpl. by, d. i. *bu-s, altindisch á-bhû-s, griech. ἔφυ-ς; veze, grundf. avagha-s. Im imperativ, d. i. im optativ, stehen formen wie vezi für *vezĕ auß *vezĕ-s d. i. vaghai-s (§. 88, 8). Litauisch. si ist ser selten und völlig veraltet bei so genanten bindevocallosen praesensformen, z. b. ei-sì zu wurz. i (ire); gélb-si, wurz. gelb (auxilium ferre; jezt lauten dise bei- spile einì, gélbi); die zweite pers. sing. endigt sich nunmer überall auf i, älter ë, z. b. veżë́-s (veheris), ë ist aber vertre- ter eines früheren ai, so daß also auß der grundf. vagha-si durch außfall des s zunächst *vaghai ward, welches nun re- gelrecht (§. 101, 1) in *veżë́, veżì über gieng; auß der häufi-

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Zitationshilfe: Schleicher, August: Compendium der vergleichenden Grammatik der indogermanischen Sprachen. Bd. 2. Weimar, 1862, S. 516. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleicher_indogermanische02_1862/242>, abgerufen am 21.11.2024.