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Schleicher, August: Compendium der vergleichenden Grammatik der indogermanischen Sprachen. Bd. 1. Weimar, 1861.

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Lateinisch. Consonantische lautgesetze. Außlaut.
osk. potoros-pid (d. i. utrique) mit p = lat. c, griech. pote-
ros
, älter, ion. koteros, altind. u. grundf. ka-taras.

§. 159.

Außlaut. Im vor ligenden stande der sprache duldet das
lateinische nicht nur die einfachen consonanten fast sämtlich im
außlaute, sondern auch consonantengruppen von zwei ja drei
consonanten, nämlich nasal oder liquida + muta; muta, r, l, m,
n + s; s + t, z. b. ferunt, hunc, volt, fert; scrobs, ars, fers,
puls, hiems (hiemps), ferens; est; nasal oder liquida + muta
+ s, z. b. hiemps, urbs, arx, d. i. arcs, falx, d. i. falcs; ja es
sind dise nun auß lautenden consonanten zum bei weitem grös-
ten teile erst durch verflüchtigung von vocalen in den außlaut
gekommen oder vocallos zusammen gedrängt worden. Doch wird
niemals im außlaute geduldet verdoppelter consonant, z. b. os,
fel, nicht *oss, *fell, vgl. oss-is, fell-is; ferner wird nicht ertra-
gen die verbindung zweier momentanen laute, z. b. lac für *lact,
vgl. lact-is, und rd: cor für *cord, vgl. cord-is; wo dise verbin-
dungen im außlaute stehen solten, wird der lezte consonant ab
geworfen.

Erst mit feststellung der lateinischen schriftsprache der
classischen zeit gewann der außlaut ein festeres wesen. Die
ältere, volkstümliche, archaische sprache zeigt in der schrei-
bung eine große gleichgiltigkeit gegen auß lautende consonan-
ten. Gerade die für die wortbildung wichtigsten consonanti-
schen außlaute s, m, t werden hier bald in der schrift auß
gedrükt, bald nicht, änlich wie diß auch im umbrischen statt
findet. Diß beweist, daß in der älteren zeit (beim nicht ge-
bildeten teile der Römer sicherlich auch später) die auß lau-
tenden consonanten ser schwach zu gehöre gebracht wurden,
etwa so, wie in manchen romanischen sprachen (z. b. das d
im spanischen, t, nt u. a. im französischen). Die correcte schrei-
bung fürte hier nach griechischem vorbilde eine feste regel ein;
der consonant ward nun entweder stäts geschriben (die regel)
oder stäts ab geworfen (der seltnere fall). Wenige beispile
jener schwankenden behandlung des außlautes auch in der schrift
sind bis in die classische zeit gebliben.

Lateinisch. Consonantische lautgesetze. Außlaut.
osk. potoros-pid (d. i. utrique) mit p = lat. c, griech. πότε-
ϱος
, älter, ion. ϰότεϱος, altind. u. grundf. ka-tarás.

§. 159.

Außlaut. Im vor ligenden stande der sprache duldet das
lateinische nicht nur die einfachen consonanten fast sämtlich im
außlaute, sondern auch consonantengruppen von zwei ja drei
consonanten, nämlich nasal oder liquida + muta; muta, r, l, m,
n + s; s + t, z. b. ferunt, hunc, volt, fert; scrobs, ars, fers,
puls, hiems (hiemps), ferens; est; nasal oder liquida + muta
+ s, z. b. hiemps, urbs, arx, d. i. arcs, falx, d. i. falcs; ja es
sind dise nun auß lautenden consonanten zum bei weitem grös-
ten teile erst durch verflüchtigung von vocalen in den außlaut
gekommen oder vocallos zusammen gedrängt worden. Doch wird
niemals im außlaute geduldet verdoppelter consonant, z. b. os,
fel, nicht *oss, *fell, vgl. oss-is, fell-is; ferner wird nicht ertra-
gen die verbindung zweier momentanen laute, z. b. lac für *lact,
vgl. lact-is, und rd: cor für *cord, vgl. cord-is; wo dise verbin-
dungen im außlaute stehen solten, wird der lezte consonant ab
geworfen.

Erst mit feststellung der lateinischen schriftsprache der
classischen zeit gewann der außlaut ein festeres wesen. Die
ältere, volkstümliche, archaische sprache zeigt in der schrei-
bung eine große gleichgiltigkeit gegen auß lautende consonan-
ten. Gerade die für die wortbildung wichtigsten consonanti-
schen außlaute s, m, t werden hier bald in der schrift auß
gedrükt, bald nicht, änlich wie diß auch im umbrischen statt
findet. Diß beweist, daß in der älteren zeit (beim nicht ge-
bildeten teile der Römer sicherlich auch später) die auß lau-
tenden consonanten ser schwach zu gehöre gebracht wurden,
etwa so, wie in manchen romanischen sprachen (z. b. das d
im spanischen, t, nt u. a. im französischen). Die correcte schrei-
bung fürte hier nach griechischem vorbilde eine feste regel ein;
der consonant ward nun entweder stäts geschriben (die regel)
oder stäts ab geworfen (der seltnere fall). Wenige beispile
jener schwankenden behandlung des außlautes auch in der schrift
sind bis in die classische zeit gebliben.

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[216/0230] Lateinisch. Consonantische lautgesetze. Außlaut. osk. potoros-pid (d. i. utrique) mit p = lat. c, griech. πότε- ϱος, älter, ion. ϰότεϱος, altind. u. grundf. ka-tarás. Außlaut. Im vor ligenden stande der sprache duldet das lateinische nicht nur die einfachen consonanten fast sämtlich im außlaute, sondern auch consonantengruppen von zwei ja drei consonanten, nämlich nasal oder liquida + muta; muta, r, l, m, n + s; s + t, z. b. ferunt, hunc, volt, fert; scrobs, ars, fers, puls, hiems (hiemps), ferens; est; nasal oder liquida + muta + s, z. b. hiemps, urbs, arx, d. i. arcs, falx, d. i. falcs; ja es sind dise nun auß lautenden consonanten zum bei weitem grös- ten teile erst durch verflüchtigung von vocalen in den außlaut gekommen oder vocallos zusammen gedrängt worden. Doch wird niemals im außlaute geduldet verdoppelter consonant, z. b. os, fel, nicht *oss, *fell, vgl. oss-is, fell-is; ferner wird nicht ertra- gen die verbindung zweier momentanen laute, z. b. lac für *lact, vgl. lact-is, und rd: cor für *cord, vgl. cord-is; wo dise verbin- dungen im außlaute stehen solten, wird der lezte consonant ab geworfen. Erst mit feststellung der lateinischen schriftsprache der classischen zeit gewann der außlaut ein festeres wesen. Die ältere, volkstümliche, archaische sprache zeigt in der schrei- bung eine große gleichgiltigkeit gegen auß lautende consonan- ten. Gerade die für die wortbildung wichtigsten consonanti- schen außlaute s, m, t werden hier bald in der schrift auß gedrükt, bald nicht, änlich wie diß auch im umbrischen statt findet. Diß beweist, daß in der älteren zeit (beim nicht ge- bildeten teile der Römer sicherlich auch später) die auß lau- tenden consonanten ser schwach zu gehöre gebracht wurden, etwa so, wie in manchen romanischen sprachen (z. b. das d im spanischen, t, nt u. a. im französischen). Die correcte schrei- bung fürte hier nach griechischem vorbilde eine feste regel ein; der consonant ward nun entweder stäts geschriben (die regel) oder stäts ab geworfen (der seltnere fall). Wenige beispile jener schwankenden behandlung des außlautes auch in der schrift sind bis in die classische zeit gebliben.

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Zitationshilfe: Schleicher, August: Compendium der vergleichenden Grammatik der indogermanischen Sprachen. Bd. 1. Weimar, 1861, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleicher_indogermanische01_1861/230>, abgerufen am 02.05.2024.