Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schlegel, Friedrich von: Lucinde. Berlin, 1799.

Bild:
<< vorherige Seite

ich nun fühle, und eine solche Frau,
die mir zugleich die zärtlichste Ge-
liebte und die beste Gesellschaft wäre
und auch eine vollkommene Freun-
din. Denn in der Freundschaft be-
sonders suchte ich alles, was ich ent-
behrte und was ich in keinem weib-
lichen Wesen zu finden hoffte. In
dir habe ich es alles gefunden und
mehr als ich zu wünschen vermochte:
aber du bist auch nicht wie die an-
dern. Was Gewohnheit oder Ei-
gensinn weiblich nennen, davon
weißt du nichts. Außer den kleinen
Eigenheiten besteht die Weiblichkeit
deiner Seele bloß darin, daß Leben
und Lieben für sie gleich viel bedeu-
tet; du fühlst alles ganz und un-
endlich, du weißt von keinen Ab-

ich nun fühle, und eine ſolche Frau,
die mir zugleich die zärtlichſte Ge-
liebte und die beſte Geſellſchaft wäre
und auch eine vollkommene Freun-
din. Denn in der Freundſchaft be-
ſonders ſuchte ich alles, was ich ent-
behrte und was ich in keinem weib-
lichen Weſen zu finden hoffte. In
dir habe ich es alles gefunden und
mehr als ich zu wünſchen vermochte:
aber du biſt auch nicht wie die an-
dern. Was Gewohnheit oder Ei-
genſinn weiblich nennen, davon
weißt du nichts. Außer den kleinen
Eigenheiten beſteht die Weiblichkeit
deiner Seele bloß darin, daß Leben
und Lieben für ſie gleich viel bedeu-
tet; du fühlſt alles ganz und un-
endlich, du weißt von keinen Ab-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0025" n="20"/>
ich nun fühle, und eine &#x017F;olche Frau,<lb/>
die mir zugleich die zärtlich&#x017F;te Ge-<lb/>
liebte und die be&#x017F;te Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft wäre<lb/>
und auch eine vollkommene Freun-<lb/>
din. Denn in der Freund&#x017F;chaft be-<lb/>
&#x017F;onders &#x017F;uchte ich alles, was ich ent-<lb/>
behrte und was ich in keinem weib-<lb/>
lichen We&#x017F;en zu finden hoffte. In<lb/>
dir habe ich es alles gefunden und<lb/>
mehr als ich zu wün&#x017F;chen vermochte:<lb/>
aber du bi&#x017F;t auch nicht wie die an-<lb/>
dern. Was Gewohnheit oder Ei-<lb/>
gen&#x017F;inn weiblich nennen, davon<lb/>
weißt du nichts. Außer den kleinen<lb/>
Eigenheiten be&#x017F;teht die Weiblichkeit<lb/>
deiner Seele bloß darin, daß Leben<lb/>
und Lieben für &#x017F;ie gleich viel bedeu-<lb/>
tet; du fühl&#x017F;t alles ganz und un-<lb/>
endlich, du weißt von keinen Ab-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[20/0025] ich nun fühle, und eine ſolche Frau, die mir zugleich die zärtlichſte Ge- liebte und die beſte Geſellſchaft wäre und auch eine vollkommene Freun- din. Denn in der Freundſchaft be- ſonders ſuchte ich alles, was ich ent- behrte und was ich in keinem weib- lichen Weſen zu finden hoffte. In dir habe ich es alles gefunden und mehr als ich zu wünſchen vermochte: aber du biſt auch nicht wie die an- dern. Was Gewohnheit oder Ei- genſinn weiblich nennen, davon weißt du nichts. Außer den kleinen Eigenheiten beſteht die Weiblichkeit deiner Seele bloß darin, daß Leben und Lieben für ſie gleich viel bedeu- tet; du fühlſt alles ganz und un- endlich, du weißt von keinen Ab-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Darüber hinaus sind keine weiteren Teile erschien… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_lucinde_1799
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_lucinde_1799/25
Zitationshilfe: Schlegel, Friedrich von: Lucinde. Berlin, 1799, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_lucinde_1799/25>, abgerufen am 22.11.2024.