gewählt und hatte sich gegeben; ihr Freund war auch der seinige, und lebte ihrer Liebe würdig. Julius war der Vertraute, er wußte daher alles genau, was ihn unglücklich machte, und urtheilte mit Strenge über seinen eignen Unwerth. Gegen diesen wandte sich die ganze Kraft seiner Leidenschaft. Er entsagte der Hoffnung und dem Glück, aber er beschloß, es zu verdienen, und Herr über sich selbst zu werden. Nichts verabscheute er so sehr, als den Ge- danken, das Geringste von dem was ihn erfüllte, auch nur durch ein un- deutliches Wort durch einen verstohl- nen Seufzer zu verrathen. Gewiß wäre auch jede Äußerung widersinnig gewesen, und da er so heftig, sie so
gewählt und hatte ſich gegeben; ihr Freund war auch der ſeinige, und lebte ihrer Liebe würdig. Julius war der Vertraute, er wußte daher alles genau, was ihn unglücklich machte, und urtheilte mit Strenge über ſeinen eignen Unwerth. Gegen dieſen wandte ſich die ganze Kraft ſeiner Leidenſchaft. Er entſagte der Hoffnung und dem Glück, aber er beſchloß, es zu verdienen, und Herr über ſich ſelbſt zu werden. Nichts verabſcheute er ſo ſehr, als den Ge- danken, das Geringſte von dem was ihn erfüllte, auch nur durch ein un- deutliches Wort durch einen verſtohl- nen Seufzer zu verrathen. Gewiß wäre auch jede Äußerung widerſinnig geweſen, und da er ſo heftig, ſie ſo
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0175"n="170"/>
gewählt und hatte ſich gegeben; ihr<lb/>
Freund war auch der ſeinige, und<lb/>
lebte ihrer Liebe würdig. Julius<lb/>
war der Vertraute, er wußte daher<lb/>
alles genau, was ihn unglücklich<lb/>
machte, und urtheilte mit Strenge<lb/>
über ſeinen eignen Unwerth. Gegen<lb/>
dieſen wandte ſich die ganze Kraft<lb/>ſeiner Leidenſchaft. Er entſagte der<lb/>
Hoffnung und dem Glück, aber er<lb/>
beſchloß, es zu verdienen, und Herr<lb/>
über ſich ſelbſt zu werden. Nichts<lb/>
verabſcheute er ſo ſehr, als den Ge-<lb/>
danken, das Geringſte von dem was<lb/>
ihn erfüllte, auch nur durch ein un-<lb/>
deutliches Wort durch einen verſtohl-<lb/>
nen Seufzer zu verrathen. Gewiß<lb/>
wäre auch jede Äußerung widerſinnig<lb/>
geweſen, und da er ſo heftig, ſie ſo<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[170/0175]
gewählt und hatte ſich gegeben; ihr
Freund war auch der ſeinige, und
lebte ihrer Liebe würdig. Julius
war der Vertraute, er wußte daher
alles genau, was ihn unglücklich
machte, und urtheilte mit Strenge
über ſeinen eignen Unwerth. Gegen
dieſen wandte ſich die ganze Kraft
ſeiner Leidenſchaft. Er entſagte der
Hoffnung und dem Glück, aber er
beſchloß, es zu verdienen, und Herr
über ſich ſelbſt zu werden. Nichts
verabſcheute er ſo ſehr, als den Ge-
danken, das Geringſte von dem was
ihn erfüllte, auch nur durch ein un-
deutliches Wort durch einen verſtohl-
nen Seufzer zu verrathen. Gewiß
wäre auch jede Äußerung widerſinnig
geweſen, und da er ſo heftig, ſie ſo
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schlegel, Friedrich von: Lucinde. Berlin, 1799, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_lucinde_1799/175>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.