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Schlegel, Friedrich von: Ueber die Sprache und Weisheit der Indier. Heidelberg, 1808.

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fach aber seelig wandelte, und in der Fülle des
klaren Gefühls und der unmittelbaren Anschau-
ung der künstlicheren Ausbildung seiner Kräfte
noch leicht entbehrt, oder aber mit einem Zu-
stande begann, der wirklich an thierische Dumpf-
heit grenzte. Mehre der andern Sprachen schei-
nen in der That nicht als ein organisches Kunst-
gebilde bedeutender Sylben und fruchtbarer Kei-
me, sondern ihrem größern Theile nach wirklich
aus mancherlei Schallnachahmungen und Schall-
spielen, dem bloßen Geschrei des Gefühls, und
endlich den endeiktischen Ausrufungen oder In-
terjectionen der Hinweisung und Verdeutlichung
entstanden zu sein, wo durch Uebung immer mehr
conventionelles Einverständniß und willkührliche
Bestimmung hinzukam.

Daß die indische Sprache älter sei als die
griechische und römische, geschweige denn die deut-
sche und persische, scheint aus allem angeführten
wohl mit Gewißheit hervor zu gehen. In wel-
chem Verhältniß, als die älteste der abgeleiteten,
sie aber eigentlich zu der gemeinschaftlichen Ur-
sprache stehe; darüber wird sich vielleicht dann
etwas näheres bestimmen lassen, wenn wir die

fach aber ſeelig wandelte, und in der Fuͤlle des
klaren Gefuͤhls und der unmittelbaren Anſchau-
ung der kuͤnſtlicheren Ausbildung ſeiner Kraͤfte
noch leicht entbehrt, oder aber mit einem Zu-
ſtande begann, der wirklich an thieriſche Dumpf-
heit grenzte. Mehre der andern Sprachen ſchei-
nen in der That nicht als ein organiſches Kunſt-
gebilde bedeutender Sylben und fruchtbarer Kei-
me, ſondern ihrem groͤßern Theile nach wirklich
aus mancherlei Schallnachahmungen und Schall-
ſpielen, dem bloßen Geſchrei des Gefuͤhls, und
endlich den endeiktiſchen Ausrufungen oder In-
terjectionen der Hinweiſung und Verdeutlichung
entſtanden zu ſein, wo durch Uebung immer mehr
conventionelles Einverſtaͤndniß und willkuͤhrliche
Beſtimmung hinzukam.

Daß die indiſche Sprache aͤlter ſei als die
griechiſche und roͤmiſche, geſchweige denn die deut-
ſche und perſiſche, ſcheint aus allem angefuͤhrten
wohl mit Gewißheit hervor zu gehen. In wel-
chem Verhaͤltniß, als die aͤlteſte der abgeleiteten,
ſie aber eigentlich zu der gemeinſchaftlichen Ur-
ſprache ſtehe; daruͤber wird ſich vielleicht dann
etwas naͤheres beſtimmen laſſen, wenn wir die

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[66/0085] fach aber ſeelig wandelte, und in der Fuͤlle des klaren Gefuͤhls und der unmittelbaren Anſchau- ung der kuͤnſtlicheren Ausbildung ſeiner Kraͤfte noch leicht entbehrt, oder aber mit einem Zu- ſtande begann, der wirklich an thieriſche Dumpf- heit grenzte. Mehre der andern Sprachen ſchei- nen in der That nicht als ein organiſches Kunſt- gebilde bedeutender Sylben und fruchtbarer Kei- me, ſondern ihrem groͤßern Theile nach wirklich aus mancherlei Schallnachahmungen und Schall- ſpielen, dem bloßen Geſchrei des Gefuͤhls, und endlich den endeiktiſchen Ausrufungen oder In- terjectionen der Hinweiſung und Verdeutlichung entſtanden zu ſein, wo durch Uebung immer mehr conventionelles Einverſtaͤndniß und willkuͤhrliche Beſtimmung hinzukam. Daß die indiſche Sprache aͤlter ſei als die griechiſche und roͤmiſche, geſchweige denn die deut- ſche und perſiſche, ſcheint aus allem angefuͤhrten wohl mit Gewißheit hervor zu gehen. In wel- chem Verhaͤltniß, als die aͤlteſte der abgeleiteten, ſie aber eigentlich zu der gemeinſchaftlichen Ur- ſprache ſtehe; daruͤber wird ſich vielleicht dann etwas naͤheres beſtimmen laſſen, wenn wir die

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Zitationshilfe: Schlegel, Friedrich von: Ueber die Sprache und Weisheit der Indier. Heidelberg, 1808, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_indier_1808/85>, abgerufen am 03.05.2024.