der Idealismus der Vernunft, so wie ihn grie- chische Selbstdenker aufstellten, würde wohl, an die Fülle der Kraft und des Lichts in dem orien- talischen Idealismus der Religion gehalten, nur als ein schwacher prometheischer Funke gegen die volle himmlische Gluth der Sonne erscheinen, nur geraubt und immer wieder zu erlöschen dro- hend; aber je geringer der Gehalt, desto künstli- cher ward die Form ausgebildet.
Freilich aber ist die orientalische Weisheit bei den Griechen wie bei den Neuern oft aus trüben Quellen geflossen. Wie sehr in den Zeiten der Neu-Platoniker und Gnostiker alles schon in der spätesten Entartung und Mischung der Systeme, in den Kreis der europäischen Bildung gelangt sei, ist zu allgemein bekannt, als daß es weiter angeführt werden dürfte. In dem, was man orientalische Philosophie nennt, ist dem alten Sy- stem der Emanation mehr oder weniger Panthei- stisches und Dualistisches, aus der orientalischen Zahlenphilosophie oder aus der Lehre von den zwei Principien hergenommenes, beigemischt.
Es ist dieß auch wohl nicht bloß in jenen späten Zeiten der Fall, sondern es dürfte schon
der Idealismus der Vernunft, ſo wie ihn grie- chiſche Selbſtdenker aufſtellten, wuͤrde wohl, an die Fuͤlle der Kraft und des Lichts in dem orien- taliſchen Idealismus der Religion gehalten, nur als ein ſchwacher prometheiſcher Funke gegen die volle himmliſche Gluth der Sonne erſcheinen, nur geraubt und immer wieder zu erloͤſchen dro- hend; aber je geringer der Gehalt, deſto kuͤnſtli- cher ward die Form ausgebildet.
Freilich aber iſt die orientaliſche Weisheit bei den Griechen wie bei den Neuern oft aus truͤben Quellen gefloſſen. Wie ſehr in den Zeiten der Neu-Platoniker und Gnoſtiker alles ſchon in der ſpaͤteſten Entartung und Miſchung der Syſteme, in den Kreis der europaͤiſchen Bildung gelangt ſei, iſt zu allgemein bekannt, als daß es weiter angefuͤhrt werden duͤrfte. In dem, was man orientaliſche Philoſophie nennt, iſt dem alten Sy- ſtem der Emanation mehr oder weniger Panthei- ſtiſches und Dualiſtiſches, aus der orientaliſchen Zahlenphiloſophie oder aus der Lehre von den zwei Principien hergenommenes, beigemiſcht.
Es iſt dieß auch wohl nicht bloß in jenen ſpaͤten Zeiten der Fall, ſondern es duͤrfte ſchon
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[208/0227]
der Idealismus der Vernunft, ſo wie ihn grie-
chiſche Selbſtdenker aufſtellten, wuͤrde wohl, an
die Fuͤlle der Kraft und des Lichts in dem orien-
taliſchen Idealismus der Religion gehalten, nur
als ein ſchwacher prometheiſcher Funke gegen die
volle himmliſche Gluth der Sonne erſcheinen,
nur geraubt und immer wieder zu erloͤſchen dro-
hend; aber je geringer der Gehalt, deſto kuͤnſtli-
cher ward die Form ausgebildet.
Freilich aber iſt die orientaliſche Weisheit bei
den Griechen wie bei den Neuern oft aus truͤben
Quellen gefloſſen. Wie ſehr in den Zeiten der
Neu-Platoniker und Gnoſtiker alles ſchon in der
ſpaͤteſten Entartung und Miſchung der Syſteme,
in den Kreis der europaͤiſchen Bildung gelangt
ſei, iſt zu allgemein bekannt, als daß es weiter
angefuͤhrt werden duͤrfte. In dem, was man
orientaliſche Philoſophie nennt, iſt dem alten Sy-
ſtem der Emanation mehr oder weniger Panthei-
ſtiſches und Dualiſtiſches, aus der orientaliſchen
Zahlenphiloſophie oder aus der Lehre von den
zwei Principien hergenommenes, beigemiſcht.
Es iſt dieß auch wohl nicht bloß in jenen
ſpaͤten Zeiten der Fall, ſondern es duͤrfte ſchon
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Schlegel, Friedrich von: Ueber die Sprache und Weisheit der Indier. Heidelberg, 1808, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_indier_1808/227>, abgerufen am 28.11.2024.
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