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Schlegel, Friedrich von: Ueber die Sprache und Weisheit der Indier. Heidelberg, 1808.

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größere Unruhen und Veränderungen geben.
Auch, nachdem die unbezwingliche Uebermacht des
erblichen Priesterstandes einmal entschieden war,
blieb dem Kriegerstande desto freierer Spielraum
zu einzelnen Fehden unter sich, die der Ver-
fassung ja doch keinen wesentlichen Eintrag thun
konnten. Und wovon handelt eine der ältesten
indischen Dichtersagen im Mohabharot anders
als von dem großen Bürgerkriege zweier ver-
wandten uralten göttlichen Königs- und Hel-
denstämme? Ehe sich aber die Kshetrya's, die
ursprünglich derselben Abkunft waren, von den
erblichen Priestern absonderten, und das Ver-
hältniß der beiden Stände ganz so bestimmt
ward, wie es nachher blieb, mußte mancher harte
Kampf und manche Erschütterung vorangehn.
Nicht umsonst wird vom Pocosramo gerühmt,
daß er die bösen Könige vertilgt, den verwilder-
ten Adel bestraft und seine Macht beschränkt
habe.

In den Stammverzeichnissen der Indier
wird nicht selten von einem oder dem andern
Geschlecht bemerkt, daß sie ausgeartet und Bar-
baren -- Mleccha's -- geworden, d. h. zu an-

groͤßere Unruhen und Veraͤnderungen geben.
Auch, nachdem die unbezwingliche Uebermacht des
erblichen Prieſterſtandes einmal entſchieden war,
blieb dem Kriegerſtande deſto freierer Spielraum
zu einzelnen Fehden unter ſich, die der Ver-
faſſung ja doch keinen weſentlichen Eintrag thun
konnten. Und wovon handelt eine der aͤlteſten
indiſchen Dichterſagen im Mohabharot anders
als von dem großen Buͤrgerkriege zweier ver-
wandten uralten goͤttlichen Koͤnigs- und Hel-
denſtaͤmme? Ehe ſich aber die Kſhetrya’s, die
urſpruͤnglich derſelben Abkunft waren, von den
erblichen Prieſtern abſonderten, und das Ver-
haͤltniß der beiden Staͤnde ganz ſo beſtimmt
ward, wie es nachher blieb, mußte mancher harte
Kampf und manche Erſchuͤtterung vorangehn.
Nicht umſonſt wird vom Pocosramo geruͤhmt,
daß er die boͤſen Koͤnige vertilgt, den verwilder-
ten Adel beſtraft und ſeine Macht beſchraͤnkt
habe.

In den Stammverzeichniſſen der Indier
wird nicht ſelten von einem oder dem andern
Geſchlecht bemerkt, daß ſie ausgeartet und Bar-
baren — Mleccha’s — geworden, d. h. zu an-

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[184/0203] groͤßere Unruhen und Veraͤnderungen geben. Auch, nachdem die unbezwingliche Uebermacht des erblichen Prieſterſtandes einmal entſchieden war, blieb dem Kriegerſtande deſto freierer Spielraum zu einzelnen Fehden unter ſich, die der Ver- faſſung ja doch keinen weſentlichen Eintrag thun konnten. Und wovon handelt eine der aͤlteſten indiſchen Dichterſagen im Mohabharot anders als von dem großen Buͤrgerkriege zweier ver- wandten uralten goͤttlichen Koͤnigs- und Hel- denſtaͤmme? Ehe ſich aber die Kſhetrya’s, die urſpruͤnglich derſelben Abkunft waren, von den erblichen Prieſtern abſonderten, und das Ver- haͤltniß der beiden Staͤnde ganz ſo beſtimmt ward, wie es nachher blieb, mußte mancher harte Kampf und manche Erſchuͤtterung vorangehn. Nicht umſonſt wird vom Pocosramo geruͤhmt, daß er die boͤſen Koͤnige vertilgt, den verwilder- ten Adel beſtraft und ſeine Macht beſchraͤnkt habe. In den Stammverzeichniſſen der Indier wird nicht ſelten von einem oder dem andern Geſchlecht bemerkt, daß ſie ausgeartet und Bar- baren — Mleccha’s — geworden, d. h. zu an-

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Zitationshilfe: Schlegel, Friedrich von: Ueber die Sprache und Weisheit der Indier. Heidelberg, 1808, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_indier_1808/203>, abgerufen am 22.11.2024.