Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schlegel, Friedrich von: Ueber die Sprache und Weisheit der Indier. Heidelberg, 1808.

Bild:
<< vorherige Seite

Geistes noch so viele Spuren finden, bis zur
Erinnrung gemildert und beruhigt war.

Ein Denkmal für die früheste Geschichte
Indiens haben wir, was zuverlässiger und älter
ist als alle, die in Worten abgefaßt und durch
Schrift erhalten sind; dieses ist die indische Ver-
fassung selbst. Konnte eine für die niedern
Stände so harte Verfassung wohl anders als
durch Gewalt und eine Zeit des Kampfs einge-
führt werden, dessen Schwankungen und Gäh-
rungen zahlreiche Stämme zur Auswanderung
zwingen und bewegen konnten und mußten?
Durch die Mischung solcher aus dem Mutter-
lande fliehenden Stämme mit wilden Völker-
schaften liesse sich die entferntere Annäherung
und Verwandtschaft der slavischen an die Familie
der edlen Sprachen erklären. Doch brauchten
es nicht bloß unterdrückte zu sein, die da flohen;
andre konnten bloß, weil sie das Verderben und
die Zerrüttung, die der Einführung einer solchen
Verfassung nothwendig vorhergegangen sein müs-
sen, verabscheuten und rein geblieben waren,
gleichfalls fliehen, um sich in weiter Ferne noch

Geiſtes noch ſo viele Spuren finden, bis zur
Erinnrung gemildert und beruhigt war.

Ein Denkmal fuͤr die fruͤheſte Geſchichte
Indiens haben wir, was zuverlaͤſſiger und aͤlter
iſt als alle, die in Worten abgefaßt und durch
Schrift erhalten ſind; dieſes iſt die indiſche Ver-
faſſung ſelbſt. Konnte eine fuͤr die niedern
Staͤnde ſo harte Verfaſſung wohl anders als
durch Gewalt und eine Zeit des Kampfs einge-
fuͤhrt werden, deſſen Schwankungen und Gaͤh-
rungen zahlreiche Staͤmme zur Auswanderung
zwingen und bewegen konnten und mußten?
Durch die Miſchung ſolcher aus dem Mutter-
lande fliehenden Staͤmme mit wilden Voͤlker-
ſchaften lieſſe ſich die entferntere Annaͤherung
und Verwandtſchaft der ſlaviſchen an die Familie
der edlen Sprachen erklaͤren. Doch brauchten
es nicht bloß unterdruͤckte zu ſein, die da flohen;
andre konnten bloß, weil ſie das Verderben und
die Zerruͤttung, die der Einfuͤhrung einer ſolchen
Verfaſſung nothwendig vorhergegangen ſein muͤſ-
ſen, verabſcheuten und rein geblieben waren,
gleichfalls fliehen, um ſich in weiter Ferne noch

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0201" n="182"/>
Gei&#x017F;tes noch &#x017F;o viele Spuren finden, bis zur<lb/>
Erinnrung gemildert und beruhigt war.</p><lb/>
          <p>Ein Denkmal fu&#x0364;r die fru&#x0364;he&#x017F;te Ge&#x017F;chichte<lb/>
Indiens haben wir, was zuverla&#x0364;&#x017F;&#x017F;iger und a&#x0364;lter<lb/>
i&#x017F;t als alle, die in Worten abgefaßt und durch<lb/>
Schrift erhalten &#x017F;ind; die&#x017F;es i&#x017F;t die indi&#x017F;che Ver-<lb/>
fa&#x017F;&#x017F;ung &#x017F;elb&#x017F;t. Konnte eine fu&#x0364;r die niedern<lb/>
Sta&#x0364;nde &#x017F;o harte Verfa&#x017F;&#x017F;ung wohl anders als<lb/>
durch Gewalt und eine Zeit des Kampfs einge-<lb/>
fu&#x0364;hrt werden, de&#x017F;&#x017F;en Schwankungen und Ga&#x0364;h-<lb/>
rungen zahlreiche Sta&#x0364;mme zur Auswanderung<lb/>
zwingen und bewegen konnten und mußten?<lb/>
Durch die Mi&#x017F;chung &#x017F;olcher aus dem Mutter-<lb/>
lande fliehenden Sta&#x0364;mme mit wilden Vo&#x0364;lker-<lb/>
&#x017F;chaften lie&#x017F;&#x017F;e &#x017F;ich die entferntere Anna&#x0364;herung<lb/>
und Verwandt&#x017F;chaft der &#x017F;lavi&#x017F;chen an die Familie<lb/>
der edlen Sprachen erkla&#x0364;ren. Doch brauchten<lb/>
es nicht bloß unterdru&#x0364;ckte zu &#x017F;ein, die da flohen;<lb/>
andre konnten bloß, weil &#x017F;ie das Verderben und<lb/>
die Zerru&#x0364;ttung, die der Einfu&#x0364;hrung einer &#x017F;olchen<lb/>
Verfa&#x017F;&#x017F;ung nothwendig vorhergegangen &#x017F;ein mu&#x0364;&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en, verab&#x017F;cheuten und rein geblieben waren,<lb/>
gleichfalls fliehen, um &#x017F;ich in weiter Ferne noch<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[182/0201] Geiſtes noch ſo viele Spuren finden, bis zur Erinnrung gemildert und beruhigt war. Ein Denkmal fuͤr die fruͤheſte Geſchichte Indiens haben wir, was zuverlaͤſſiger und aͤlter iſt als alle, die in Worten abgefaßt und durch Schrift erhalten ſind; dieſes iſt die indiſche Ver- faſſung ſelbſt. Konnte eine fuͤr die niedern Staͤnde ſo harte Verfaſſung wohl anders als durch Gewalt und eine Zeit des Kampfs einge- fuͤhrt werden, deſſen Schwankungen und Gaͤh- rungen zahlreiche Staͤmme zur Auswanderung zwingen und bewegen konnten und mußten? Durch die Miſchung ſolcher aus dem Mutter- lande fliehenden Staͤmme mit wilden Voͤlker- ſchaften lieſſe ſich die entferntere Annaͤherung und Verwandtſchaft der ſlaviſchen an die Familie der edlen Sprachen erklaͤren. Doch brauchten es nicht bloß unterdruͤckte zu ſein, die da flohen; andre konnten bloß, weil ſie das Verderben und die Zerruͤttung, die der Einfuͤhrung einer ſolchen Verfaſſung nothwendig vorhergegangen ſein muͤſ- ſen, verabſcheuten und rein geblieben waren, gleichfalls fliehen, um ſich in weiter Ferne noch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_indier_1808
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_indier_1808/201
Zitationshilfe: Schlegel, Friedrich von: Ueber die Sprache und Weisheit der Indier. Heidelberg, 1808, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_indier_1808/201>, abgerufen am 25.11.2024.