Menschen eben so sehr als seiner Trägheit. Ist einmal diese große Entdeckung gemacht, diese alles umfassende, alles vernichtende, und doch so leichte Wissenschaft und Vernunft-Weisheit, daß Alles Eins sei, gefunden, so bedarf es weiter keines Suchens und Forschens; alles was andre auf andren Wegen wissen oder glauben, ist nur Irrthum, Täuschung und Verstandesschwäche, so wie alle Veränderung und alles Leben ein leerer Schein.
Freilich wenn noch Kraft und Tiefe des Gefühls vorhanden ist, und die Lehre in vollem Ernst wirklich ausgeführt wird, so nimmt sie einen ganz andern furchtbaren Charakter an; es ent- stehen dann jene in Indien nicht seltene, den kältern Beobachtern so schwer zu begreifende freiwillige, den Geist zerstörende Martern der Yoghuis und Sonnyasis, welche die Selbst- vernichtung als höchstes Gut sich zum Ziele sez- zen. Bei kältern oder geschwächtern Naturen aber führt im Gegentheil die Ueberzeugung, daß alles Böse nur leere Täuschung, und alles weil es Eins, auch gleich vollkommen sei, einen fal-
Menſchen eben ſo ſehr als ſeiner Traͤgheit. Iſt einmal dieſe große Entdeckung gemacht, dieſe alles umfaſſende, alles vernichtende, und doch ſo leichte Wiſſenſchaft und Vernunft-Weisheit, daß Alles Eins ſei, gefunden, ſo bedarf es weiter keines Suchens und Forſchens; alles was andre auf andren Wegen wiſſen oder glauben, iſt nur Irrthum, Taͤuſchung und Verſtandesſchwaͤche, ſo wie alle Veraͤnderung und alles Leben ein leerer Schein.
Freilich wenn noch Kraft und Tiefe des Gefuͤhls vorhanden iſt, und die Lehre in vollem Ernſt wirklich ausgefuͤhrt wird, ſo nimmt ſie einen ganz andern furchtbaren Charakter an; es ent- ſtehen dann jene in Indien nicht ſeltene, den kaͤltern Beobachtern ſo ſchwer zu begreifende freiwillige, den Geiſt zerſtoͤrende Martern der Yoghuis und Sonnyaſis, welche die Selbſt- vernichtung als hoͤchſtes Gut ſich zum Ziele ſez- zen. Bei kaͤltern oder geſchwaͤchtern Naturen aber fuͤhrt im Gegentheil die Ueberzeugung, daß alles Boͤſe nur leere Taͤuſchung, und alles weil es Eins, auch gleich vollkommen ſei, einen fal-
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Menſchen eben ſo ſehr als ſeiner Traͤgheit. Iſt
einmal dieſe große Entdeckung gemacht, dieſe
alles umfaſſende, alles vernichtende, und doch ſo
leichte Wiſſenſchaft und Vernunft-Weisheit, daß
Alles Eins ſei, gefunden, ſo bedarf es weiter
keines Suchens und Forſchens; alles was andre
auf andren Wegen wiſſen oder glauben, iſt nur
Irrthum, Taͤuſchung und Verſtandesſchwaͤche,
ſo wie alle Veraͤnderung und alles Leben ein
leerer Schein.
Freilich wenn noch Kraft und Tiefe des
Gefuͤhls vorhanden iſt, und die Lehre in vollem
Ernſt wirklich ausgefuͤhrt wird, ſo nimmt ſie einen
ganz andern furchtbaren Charakter an; es ent-
ſtehen dann jene in Indien nicht ſeltene, den
kaͤltern Beobachtern ſo ſchwer zu begreifende
freiwillige, den Geiſt zerſtoͤrende Martern der
Yoghuis und Sonnyaſis, welche die Selbſt-
vernichtung als hoͤchſtes Gut ſich zum Ziele ſez-
zen. Bei kaͤltern oder geſchwaͤchtern Naturen
aber fuͤhrt im Gegentheil die Ueberzeugung, daß
alles Boͤſe nur leere Taͤuſchung, und alles weil
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Schlegel, Friedrich von: Ueber die Sprache und Weisheit der Indier. Heidelberg, 1808, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_indier_1808/161>, abgerufen am 22.11.2024.
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