Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schlegel, Friedrich von: Ueber die Sprache und Weisheit der Indier. Heidelberg, 1808.

Bild:
<< vorherige Seite

oder die göttlichen Urbilder und Ideen aller
geschaffnen Dinge. Das Gestirn des Tages,
der Freund (Mithras) der Menschen, ist Mittler
zwischen ihnen und der Gottheit; die blutigen
Opfer verschwinden, und die Weihung und Ge-
nießung des reinen Hom und Miezd durch den
Priester am Altare, bedeutet die innige Gemein-
schaft mit Gott durch die edelste Frucht und
Kraft der blühenden Gewächse.

Aber nicht bloß die Elemente sind ein we-
sentlicher Gegenstand der Verehrung in dieser
Religion, sondern auch die Helden. Sie sind
nicht mehr bloß Zerstörer und Ueberwinder, nicht
bloß gewaltige, und als solche göttlich verehrte
Naturkräfte; sondern himmlische Bezwinger der
Riesen, der dunkeln Mächte und höllischen Geister.
Der Kampf zwischen Iran und Turan ist auf
Erden dasselbe wie das Ringen der guten und
bösen Grundkraft im Himmel. Feridun und
Rustan, die vielbesungnen Helden, fesseln die
wilde Kraft des Zohak und Afrasiab; von allen
aber strahlt Dschemschid, das Urbild vollkommner
Könige aus dem Dunkel des Alterthums hervor.
Ein vollkommen glückliches Reich, wo alles Licht

9

oder die goͤttlichen Urbilder und Ideen aller
geſchaffnen Dinge. Das Geſtirn des Tages,
der Freund (Mithras) der Menſchen, iſt Mittler
zwiſchen ihnen und der Gottheit; die blutigen
Opfer verſchwinden, und die Weihung und Ge-
nießung des reinen Hom und Miezd durch den
Prieſter am Altare, bedeutet die innige Gemein-
ſchaft mit Gott durch die edelſte Frucht und
Kraft der bluͤhenden Gewaͤchſe.

Aber nicht bloß die Elemente ſind ein we-
ſentlicher Gegenſtand der Verehrung in dieſer
Religion, ſondern auch die Helden. Sie ſind
nicht mehr bloß Zerſtoͤrer und Ueberwinder, nicht
bloß gewaltige, und als ſolche goͤttlich verehrte
Naturkraͤfte; ſondern himmliſche Bezwinger der
Rieſen, der dunkeln Maͤchte und hoͤlliſchen Geiſter.
Der Kampf zwiſchen Iran und Turan iſt auf
Erden daſſelbe wie das Ringen der guten und
boͤſen Grundkraft im Himmel. Feridun und
Ruſtan, die vielbeſungnen Helden, feſſeln die
wilde Kraft des Zohak und Afraſiab; von allen
aber ſtrahlt Dſchemſchid, das Urbild vollkommner
Koͤnige aus dem Dunkel des Alterthums hervor.
Ein vollkommen gluͤckliches Reich, wo alles Licht

9
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0148" n="129"/>
oder die go&#x0364;ttlichen Urbilder und Ideen aller<lb/>
ge&#x017F;chaffnen Dinge. Das Ge&#x017F;tirn des Tages,<lb/>
der Freund (Mithras) der Men&#x017F;chen, i&#x017F;t Mittler<lb/>
zwi&#x017F;chen ihnen und der Gottheit; die blutigen<lb/>
Opfer ver&#x017F;chwinden, und die Weihung und Ge-<lb/>
nießung des reinen Hom und Miezd durch den<lb/>
Prie&#x017F;ter am Altare, bedeutet die innige Gemein-<lb/>
&#x017F;chaft mit Gott durch die edel&#x017F;te Frucht und<lb/>
Kraft der blu&#x0364;henden Gewa&#x0364;ch&#x017F;e.</p><lb/>
          <p>Aber nicht bloß die Elemente &#x017F;ind ein we-<lb/>
&#x017F;entlicher Gegen&#x017F;tand der Verehrung in die&#x017F;er<lb/>
Religion, &#x017F;ondern auch die Helden. Sie &#x017F;ind<lb/>
nicht mehr bloß Zer&#x017F;to&#x0364;rer und Ueberwinder, nicht<lb/>
bloß gewaltige, und als &#x017F;olche go&#x0364;ttlich verehrte<lb/>
Naturkra&#x0364;fte; &#x017F;ondern himmli&#x017F;che Bezwinger der<lb/>
Rie&#x017F;en, der dunkeln Ma&#x0364;chte und ho&#x0364;lli&#x017F;chen Gei&#x017F;ter.<lb/>
Der Kampf zwi&#x017F;chen Iran und Turan i&#x017F;t auf<lb/>
Erden da&#x017F;&#x017F;elbe wie das Ringen der guten und<lb/>
bo&#x0364;&#x017F;en Grundkraft im Himmel. Feridun und<lb/>
Ru&#x017F;tan, die vielbe&#x017F;ungnen Helden, fe&#x017F;&#x017F;eln die<lb/>
wilde Kraft des Zohak und Afra&#x017F;iab; von allen<lb/>
aber &#x017F;trahlt D&#x017F;chem&#x017F;chid, das Urbild vollkommner<lb/>
Ko&#x0364;nige aus dem Dunkel des Alterthums hervor.<lb/>
Ein vollkommen glu&#x0364;ckliches Reich, wo alles Licht<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">9</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[129/0148] oder die goͤttlichen Urbilder und Ideen aller geſchaffnen Dinge. Das Geſtirn des Tages, der Freund (Mithras) der Menſchen, iſt Mittler zwiſchen ihnen und der Gottheit; die blutigen Opfer verſchwinden, und die Weihung und Ge- nießung des reinen Hom und Miezd durch den Prieſter am Altare, bedeutet die innige Gemein- ſchaft mit Gott durch die edelſte Frucht und Kraft der bluͤhenden Gewaͤchſe. Aber nicht bloß die Elemente ſind ein we- ſentlicher Gegenſtand der Verehrung in dieſer Religion, ſondern auch die Helden. Sie ſind nicht mehr bloß Zerſtoͤrer und Ueberwinder, nicht bloß gewaltige, und als ſolche goͤttlich verehrte Naturkraͤfte; ſondern himmliſche Bezwinger der Rieſen, der dunkeln Maͤchte und hoͤlliſchen Geiſter. Der Kampf zwiſchen Iran und Turan iſt auf Erden daſſelbe wie das Ringen der guten und boͤſen Grundkraft im Himmel. Feridun und Ruſtan, die vielbeſungnen Helden, feſſeln die wilde Kraft des Zohak und Afraſiab; von allen aber ſtrahlt Dſchemſchid, das Urbild vollkommner Koͤnige aus dem Dunkel des Alterthums hervor. Ein vollkommen gluͤckliches Reich, wo alles Licht 9

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_indier_1808
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_indier_1808/148
Zitationshilfe: Schlegel, Friedrich von: Ueber die Sprache und Weisheit der Indier. Heidelberg, 1808, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_indier_1808/148>, abgerufen am 01.05.2024.