Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schlegel, Friedrich von: Ueber die Sprache und Weisheit der Indier. Heidelberg, 1808.

Bild:
<< vorherige Seite

lich göttlichen Ursprung. Und wohl lohnt es sich
der Mühe, es zu verstehen, wäre es auch nur,
weil es die älteste Denkart des menschlichen Geistes
ist, die wir historisch kennen, und die auf die
ganze nachfolgende Entwickelung und Geschichte
desselben einen unübersehlichen Einfluß gehabt hat.
Um es zu verstehen, muß man aber vor allem das
Gefühl ergriffen haben, welches ihm zum Grunde
liegt. Nachdem Monu die Erschaffung aller
Naturkräfte, der lebendigen Wesen, Thiere und
Gewächse besungen hat, die als eben so viele ein-
gehüllte Geister gedacht werden, schließt er mit
der allgemeinen Betrachtung:

Von vielgestaltigem Dunkel umkleidet, ihrer Thaten
Lohn,
Endes bewußt sind diese all, mit Freud' und Leid-
gefühl begabt.

So in Finsterniß gebunden, und doch innig ge-
fühlvoll, des Todes und ihrer Schuld sich bewußt,
wandeln sie auf der Bahn, die der Schöpfer
ihnen von Anfang bestimmte, dem unausweich-
lichen Ziele entgegen.

Diesem Ziel nach nun wandeln sie, aus Gott kom-
mend, bis zur Pflanz' herab,

lich goͤttlichen Urſprung. Und wohl lohnt es ſich
der Muͤhe, es zu verſtehen, waͤre es auch nur,
weil es die aͤlteſte Denkart des menſchlichen Geiſtes
iſt, die wir hiſtoriſch kennen, und die auf die
ganze nachfolgende Entwickelung und Geſchichte
deſſelben einen unuͤberſehlichen Einfluß gehabt hat.
Um es zu verſtehen, muß man aber vor allem das
Gefuͤhl ergriffen haben, welches ihm zum Grunde
liegt. Nachdem Monu die Erſchaffung aller
Naturkraͤfte, der lebendigen Weſen, Thiere und
Gewaͤchſe beſungen hat, die als eben ſo viele ein-
gehuͤllte Geiſter gedacht werden, ſchließt er mit
der allgemeinen Betrachtung:

Von vielgeſtaltigem Dunkel umkleidet, ihrer Thaten
Lohn,
Endes bewußt ſind dieſe all, mit Freud’ und Leid-
gefuͤhl begabt.

So in Finſterniß gebunden, und doch innig ge-
fuͤhlvoll, des Todes und ihrer Schuld ſich bewußt,
wandeln ſie auf der Bahn, die der Schoͤpfer
ihnen von Anfang beſtimmte, dem unausweich-
lichen Ziele entgegen.

Dieſem Ziel nach nun wandeln ſie, aus Gott kom-
mend, bis zur Pflanz’ herab,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0118" n="99"/>
lich go&#x0364;ttlichen Ur&#x017F;prung. Und wohl lohnt es &#x017F;ich<lb/>
der Mu&#x0364;he, es zu ver&#x017F;tehen, wa&#x0364;re es auch nur,<lb/>
weil es die a&#x0364;lte&#x017F;te Denkart des men&#x017F;chlichen Gei&#x017F;tes<lb/>
i&#x017F;t, die wir hi&#x017F;tori&#x017F;ch kennen, und die auf die<lb/>
ganze nachfolgende Entwickelung und Ge&#x017F;chichte<lb/>
de&#x017F;&#x017F;elben einen unu&#x0364;ber&#x017F;ehlichen Einfluß gehabt hat.<lb/>
Um es zu ver&#x017F;tehen, muß man aber vor allem das<lb/>
Gefu&#x0364;hl ergriffen haben, welches ihm zum Grunde<lb/>
liegt. Nachdem <hi rendition="#g">Monu</hi> die Er&#x017F;chaffung aller<lb/>
Naturkra&#x0364;fte, der lebendigen We&#x017F;en, Thiere und<lb/>
Gewa&#x0364;ch&#x017F;e be&#x017F;ungen hat, die als eben &#x017F;o viele ein-<lb/>
gehu&#x0364;llte Gei&#x017F;ter gedacht werden, &#x017F;chließt er mit<lb/>
der allgemeinen Betrachtung:</p><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>Von vielge&#x017F;taltigem Dunkel umkleidet, ihrer Thaten</l><lb/>
            <l>Lohn,</l><lb/>
            <l>Endes bewußt &#x017F;ind die&#x017F;e all, mit Freud&#x2019; und Leid-</l><lb/>
            <l>gefu&#x0364;hl begabt.</l>
          </lg><lb/>
          <p>So in Fin&#x017F;terniß gebunden, und doch innig ge-<lb/>
fu&#x0364;hlvoll, des Todes und ihrer Schuld &#x017F;ich bewußt,<lb/>
wandeln &#x017F;ie auf der Bahn, die der Scho&#x0364;pfer<lb/>
ihnen von Anfang be&#x017F;timmte, dem unausweich-<lb/>
lichen Ziele entgegen.</p><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>Die&#x017F;em Ziel nach nun wandeln &#x017F;ie, aus Gott kom-</l><lb/>
            <l>mend, bis zur Pflanz&#x2019; herab,</l><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[99/0118] lich goͤttlichen Urſprung. Und wohl lohnt es ſich der Muͤhe, es zu verſtehen, waͤre es auch nur, weil es die aͤlteſte Denkart des menſchlichen Geiſtes iſt, die wir hiſtoriſch kennen, und die auf die ganze nachfolgende Entwickelung und Geſchichte deſſelben einen unuͤberſehlichen Einfluß gehabt hat. Um es zu verſtehen, muß man aber vor allem das Gefuͤhl ergriffen haben, welches ihm zum Grunde liegt. Nachdem Monu die Erſchaffung aller Naturkraͤfte, der lebendigen Weſen, Thiere und Gewaͤchſe beſungen hat, die als eben ſo viele ein- gehuͤllte Geiſter gedacht werden, ſchließt er mit der allgemeinen Betrachtung: Von vielgeſtaltigem Dunkel umkleidet, ihrer Thaten Lohn, Endes bewußt ſind dieſe all, mit Freud’ und Leid- gefuͤhl begabt. So in Finſterniß gebunden, und doch innig ge- fuͤhlvoll, des Todes und ihrer Schuld ſich bewußt, wandeln ſie auf der Bahn, die der Schoͤpfer ihnen von Anfang beſtimmte, dem unausweich- lichen Ziele entgegen. Dieſem Ziel nach nun wandeln ſie, aus Gott kom- mend, bis zur Pflanz’ herab,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_indier_1808
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_indier_1808/118
Zitationshilfe: Schlegel, Friedrich von: Ueber die Sprache und Weisheit der Indier. Heidelberg, 1808, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_indier_1808/118>, abgerufen am 01.05.2024.