Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schlegel, Friedrich von: Ueber die Sprache und Weisheit der Indier. Heidelberg, 1808.

Bild:
<< vorherige Seite

ben. Nähern Aufschluß als die Gesetze des
Monu geben, darf man ausser den Veda's viel-
leicht von der ältesten indischen Philosophie er-
warten, welche Mimanso genannt wird, und
vom Joimini, dem Verfasser des Samoved,
gestiftet ward.

Wie genau und nothwendig Emanation,
wenn sie nur in dem ursprünglichen und ältesten
Sinn genommen wird, mit Metempsychose zu-
sammenhänge, werden wir sogleich deutlich ma-
chen. Nur muß man freilich den Gedanken an
alles dasjenige entfernen, was bei Chaldäern
oder Griechen in spätern Zeiten Emanation hieß,
da kein System mehr in seiner ursprünglichen
Reinheit vorgetragen, sondern eine aus allen
zusammengeflossene Mischung mit dem unbestimm-
ten Namen der orientalischen Philosophie be-
zeichnet ward. Besonders darf man das System
der Emanation nicht mit dem Pantheismus ver-
wechseln. Demjenigen, der bloß an die dialekti-
sche Form der jüngern europäischen Philosophie
gewohnt ist, erscheint zwar die größere Kühnheit
und Fantasie jedes orientalischen Systems leicht
pantheistisch, und allerdings finden sich der Ver-

ben. Naͤhern Aufſchluß als die Geſetze des
Monu geben, darf man auſſer den Veda’s viel-
leicht von der aͤlteſten indiſchen Philoſophie er-
warten, welche Mimanſo genannt wird, und
vom Joimini, dem Verfaſſer des Samoved,
geſtiftet ward.

Wie genau und nothwendig Emanation,
wenn ſie nur in dem urſpruͤnglichen und aͤlteſten
Sinn genommen wird, mit Metempſychoſe zu-
ſammenhaͤnge, werden wir ſogleich deutlich ma-
chen. Nur muß man freilich den Gedanken an
alles dasjenige entfernen, was bei Chaldaͤern
oder Griechen in ſpaͤtern Zeiten Emanation hieß,
da kein Syſtem mehr in ſeiner urſpruͤnglichen
Reinheit vorgetragen, ſondern eine aus allen
zuſammengefloſſene Miſchung mit dem unbeſtimm-
ten Namen der orientaliſchen Philoſophie be-
zeichnet ward. Beſonders darf man das Syſtem
der Emanation nicht mit dem Pantheismus ver-
wechſeln. Demjenigen, der bloß an die dialekti-
ſche Form der juͤngern europaͤiſchen Philoſophie
gewohnt iſt, erſcheint zwar die groͤßere Kuͤhnheit
und Fantaſie jedes orientaliſchen Syſtems leicht
pantheiſtiſch, und allerdings finden ſich der Ver-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0115" n="96"/>
ben. Na&#x0364;hern Auf&#x017F;chluß als die Ge&#x017F;etze des<lb/>
Monu geben, darf man au&#x017F;&#x017F;er den Veda&#x2019;s viel-<lb/>
leicht von der a&#x0364;lte&#x017F;ten indi&#x017F;chen Philo&#x017F;ophie er-<lb/>
warten, welche <hi rendition="#g">Miman&#x017F;o</hi> genannt wird, und<lb/>
vom <hi rendition="#g">Joimini</hi>, dem Verfa&#x017F;&#x017F;er des <hi rendition="#g">Samoved</hi>,<lb/>
ge&#x017F;tiftet ward.</p><lb/>
          <p>Wie genau und nothwendig Emanation,<lb/>
wenn &#x017F;ie nur in dem ur&#x017F;pru&#x0364;nglichen und a&#x0364;lte&#x017F;ten<lb/>
Sinn genommen wird, mit Metemp&#x017F;ycho&#x017F;e zu-<lb/>
&#x017F;ammenha&#x0364;nge, werden wir &#x017F;ogleich deutlich ma-<lb/>
chen. Nur muß man freilich den Gedanken an<lb/>
alles dasjenige entfernen, was bei Chalda&#x0364;ern<lb/>
oder Griechen in &#x017F;pa&#x0364;tern Zeiten Emanation hieß,<lb/>
da kein Sy&#x017F;tem mehr in &#x017F;einer ur&#x017F;pru&#x0364;nglichen<lb/>
Reinheit vorgetragen, &#x017F;ondern eine aus allen<lb/>
zu&#x017F;ammengeflo&#x017F;&#x017F;ene Mi&#x017F;chung mit dem unbe&#x017F;timm-<lb/>
ten Namen der orientali&#x017F;chen Philo&#x017F;ophie be-<lb/>
zeichnet ward. Be&#x017F;onders darf man das Sy&#x017F;tem<lb/>
der Emanation nicht mit dem Pantheismus ver-<lb/>
wech&#x017F;eln. Demjenigen, der bloß an die dialekti-<lb/>
&#x017F;che Form der ju&#x0364;ngern europa&#x0364;i&#x017F;chen Philo&#x017F;ophie<lb/>
gewohnt i&#x017F;t, er&#x017F;cheint zwar die gro&#x0364;ßere Ku&#x0364;hnheit<lb/>
und Fanta&#x017F;ie jedes orientali&#x017F;chen Sy&#x017F;tems leicht<lb/>
panthei&#x017F;ti&#x017F;ch, und allerdings finden &#x017F;ich der Ver-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[96/0115] ben. Naͤhern Aufſchluß als die Geſetze des Monu geben, darf man auſſer den Veda’s viel- leicht von der aͤlteſten indiſchen Philoſophie er- warten, welche Mimanſo genannt wird, und vom Joimini, dem Verfaſſer des Samoved, geſtiftet ward. Wie genau und nothwendig Emanation, wenn ſie nur in dem urſpruͤnglichen und aͤlteſten Sinn genommen wird, mit Metempſychoſe zu- ſammenhaͤnge, werden wir ſogleich deutlich ma- chen. Nur muß man freilich den Gedanken an alles dasjenige entfernen, was bei Chaldaͤern oder Griechen in ſpaͤtern Zeiten Emanation hieß, da kein Syſtem mehr in ſeiner urſpruͤnglichen Reinheit vorgetragen, ſondern eine aus allen zuſammengefloſſene Miſchung mit dem unbeſtimm- ten Namen der orientaliſchen Philoſophie be- zeichnet ward. Beſonders darf man das Syſtem der Emanation nicht mit dem Pantheismus ver- wechſeln. Demjenigen, der bloß an die dialekti- ſche Form der juͤngern europaͤiſchen Philoſophie gewohnt iſt, erſcheint zwar die groͤßere Kuͤhnheit und Fantaſie jedes orientaliſchen Syſtems leicht pantheiſtiſch, und allerdings finden ſich der Ver-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_indier_1808
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_indier_1808/115
Zitationshilfe: Schlegel, Friedrich von: Ueber die Sprache und Weisheit der Indier. Heidelberg, 1808, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_indier_1808/115>, abgerufen am 21.11.2024.