Schlegel, Johann Elias: Canut. Kopenhagen, 1746.Canut, Vierter Auftritt. Estrithe, Canut, Godewin. Estrithe. Ach! eilt man denn so schnell, dein Urtheil zu vollfüh- ren? Canut. Er selber fället es. Godewin. Ach! Herr laß dich doch rühren. Canut. Betrübet mich nicht mehr durch dieß verlorne Flehn. Muß ich nicht schon genug mir selber widerstehn? Jst denn der Kampf so leicht, dieß Urtheil auszu- sprechen, Daß ihr ihn noch verneut, da ich es nicht kann brechen? Jhr wißt, was ihr versucht, ihr seht, was ich gethan. Was män sonst bitten muß, both ich ihm selber an. Mein Eifer wohl zu thun und Güte zu erzeigen Erniedrigte mich fast. Doch sagt, konnt ich ihn beugen? Jhr kennet meinen Schmerz, ihr seht in meinen Sinn. Doch denket, was ich auch der Würde schuldig bin. So wie die Strengigkeit, hat auch die Güte Schran- ken: Wer die nicht fest erhält, macht selbst sein Ansehn wan- ken. Ach! warum kann die Macht, die Menschen zu erfreun, Doch nicht das einzige von unsern Rechten seyn? Von allem, was das Glück den Fürsten übergeben, Jst das betrübteste das Recht auf Tod und Leben. Es
Canut, Vierter Auftritt. Eſtrithe, Canut, Godewin. Eſtrithe. Ach! eilt man denn ſo ſchnell, dein Urtheil zu vollfuͤh- ren? Canut. Er ſelber faͤllet es. Godewin. Ach! Herr laß dich doch ruͤhren. Canut. Betruͤbet mich nicht mehr durch dieß verlorne Flehn. Muß ich nicht ſchon genug mir ſelber widerſtehn? Jſt denn der Kampf ſo leicht, dieß Urtheil auszu- ſprechen, Daß ihr ihn noch verneut, da ich es nicht kann brechen? Jhr wißt, was ihr verſucht, ihr ſeht, was ich gethan. Was maͤn ſonſt bitten muß, both ich ihm ſelber an. Mein Eifer wohl zu thun und Guͤte zu erzeigen Erniedrigte mich faſt. Doch ſagt, konnt ich ihn beugen? Jhr kennet meinen Schmerz, ihr ſeht in meinen Sinn. Doch denket, was ich auch der Wuͤrde ſchuldig bin. So wie die Strengigkeit, hat auch die Guͤte Schran- ken: Wer die nicht feſt erhaͤlt, macht ſelbſt ſein Anſehn wan- ken. Ach! warum kann die Macht, die Menſchen zu erfreun, Doch nicht das einzige von unſern Rechten ſeyn? Von allem, was das Gluͤck den Fuͤrſten uͤbergeben, Jſt das betruͤbteſte das Recht auf Tod und Leben. Es
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Canut,
Vierter Auftritt.
Eſtrithe, Canut, Godewin.
Eſtrithe.
Ach! eilt man denn ſo ſchnell, dein Urtheil zu vollfuͤh-
ren?
Canut.
Er ſelber faͤllet es.
Godewin.
Ach! Herr laß dich doch ruͤhren.
Canut.
Betruͤbet mich nicht mehr durch dieß verlorne Flehn.
Muß ich nicht ſchon genug mir ſelber widerſtehn?
Jſt denn der Kampf ſo leicht, dieß Urtheil auszu-
ſprechen,
Daß ihr ihn noch verneut, da ich es nicht kann brechen?
Jhr wißt, was ihr verſucht, ihr ſeht, was ich gethan.
Was maͤn ſonſt bitten muß, both ich ihm ſelber an.
Mein Eifer wohl zu thun und Guͤte zu erzeigen
Erniedrigte mich faſt. Doch ſagt, konnt ich ihn beugen?
Jhr kennet meinen Schmerz, ihr ſeht in meinen Sinn.
Doch denket, was ich auch der Wuͤrde ſchuldig bin.
So wie die Strengigkeit, hat auch die Guͤte Schran-
ken:
Wer die nicht feſt erhaͤlt, macht ſelbſt ſein Anſehn wan-
ken.
Ach! warum kann die Macht, die Menſchen zu erfreun,
Doch nicht das einzige von unſern Rechten ſeyn?
Von allem, was das Gluͤck den Fuͤrſten uͤbergeben,
Jſt das betruͤbteſte das Recht auf Tod und Leben.
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Zitationshilfe: | Schlegel, Johann Elias: Canut. Kopenhagen, 1746, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_canut_1746/90>, abgerufen am 19.07.2024. |