Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800.Zweige der Pflanze treten unbegreiflich schön aus der Nacht des Alterthums hervor. Dieses reizend gebildete Chaos ist der Keim, aus welchem die Welt der alten Poesie sich organisirte. Die epische Form verdarb schnell. Statt dessen erhob sich, auch bey den Joniern, die Kunst der Jamben, die im Stoff und in der Behandlung der grade Gegensatz der mythischen Poesie, und eben darum der zweyte Mittelpunkt der hellenischen Poesie war, und an und mit ihr die Elegie, welche sich fast eben so mannichfach verwandelte und umgestaltete wie das Epos. Was Archilochos war, muß uns außer den Bruchstücken, Nachrichten und Nachbildungen des Horatius in den Epoden, die Verwandschaft der Komödie des Aristophanes und selbst die entferntere der römischen Satire vermuthen lassen. Mehr haben wir nicht, die größte Lücke in der Kunstgeschichte auszufüllen. Doch leuchtet es jedem, der nachdenken will, ein, wie es ewig im Wesen der höchsten Poesie liege, auch in heiligen Zorn auszubrechen, und ihre volle Kraft an dem fremdesten Stoff, der gemeinen Gegenwart zu äußern. Dieses sind die Quellen der hellenischen Poesie, Grundlage und Anfang. Die schönste Blüthe umfaßt die melischen, chorischen, tragischen und komischen Werke der Dorer, Aeolier und Athener von Alkman und Sapoho bis zum Aristophanes. Was uns aus dieser wahrhaft goldenen Zeit in den höchsten Gattungen der Poesie übrig geblieben ist, trägt mehr oder minder einen schönen oder großen Styl, die Lebenskraft Zweige der Pflanze treten unbegreiflich schoͤn aus der Nacht des Alterthums hervor. Dieses reizend gebildete Chaos ist der Keim, aus welchem die Welt der alten Poesie sich organisirte. Die epische Form verdarb schnell. Statt dessen erhob sich, auch bey den Joniern, die Kunst der Jamben, die im Stoff und in der Behandlung der grade Gegensatz der mythischen Poesie, und eben darum der zweyte Mittelpunkt der hellenischen Poesie war, und an und mit ihr die Elegie, welche sich fast eben so mannichfach verwandelte und umgestaltete wie das Epos. Was Archilochos war, muß uns außer den Bruchstuͤcken, Nachrichten und Nachbildungen des Horatius in den Epoden, die Verwandschaft der Komoͤdie des Aristophanes und selbst die entferntere der roͤmischen Satire vermuthen lassen. Mehr haben wir nicht, die groͤßte Luͤcke in der Kunstgeschichte auszufuͤllen. Doch leuchtet es jedem, der nachdenken will, ein, wie es ewig im Wesen der hoͤchsten Poesie liege, auch in heiligen Zorn auszubrechen, und ihre volle Kraft an dem fremdesten Stoff, der gemeinen Gegenwart zu aͤußern. Dieses sind die Quellen der hellenischen Poesie, Grundlage und Anfang. Die schoͤnste Bluͤthe umfaßt die melischen, chorischen, tragischen und komischen Werke der Dorer, Aeolier und Athener von Alkman und Sapoho bis zum Aristophanes. Was uns aus dieser wahrhaft goldenen Zeit in den hoͤchsten Gattungen der Poesie uͤbrig geblieben ist, traͤgt mehr oder minder einen schoͤnen oder großen Styl, die Lebenskraft <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0077" n="69"/> Zweige der Pflanze treten unbegreiflich schoͤn aus der Nacht des Alterthums hervor. Dieses reizend gebildete Chaos ist der Keim, aus welchem die Welt der alten Poesie sich organisirte.</p><lb/> <p>Die epische Form verdarb schnell. Statt dessen erhob sich, auch bey den Joniern, die Kunst der Jamben, die im Stoff und in der Behandlung der grade Gegensatz der mythischen Poesie, und eben darum der zweyte Mittelpunkt der hellenischen Poesie war, und an und mit ihr die Elegie, welche sich fast eben so mannichfach verwandelte und umgestaltete wie das Epos.</p><lb/> <p>Was Archilochos war, muß uns außer den Bruchstuͤcken, Nachrichten und Nachbildungen des Horatius in den Epoden, die Verwandschaft der Komoͤdie des Aristophanes und selbst die entferntere der roͤmischen Satire vermuthen lassen. Mehr haben wir nicht, die groͤßte Luͤcke in der Kunstgeschichte auszufuͤllen. Doch leuchtet es jedem, der nachdenken will, ein, wie es ewig im Wesen der hoͤchsten Poesie liege, auch in heiligen Zorn auszubrechen, und ihre volle Kraft an dem fremdesten Stoff, der gemeinen Gegenwart zu aͤußern.</p><lb/> <p>Dieses sind die Quellen der hellenischen Poesie, Grundlage und Anfang. Die schoͤnste Bluͤthe umfaßt die melischen, chorischen, tragischen und komischen Werke der Dorer, Aeolier und Athener von Alkman und Sapoho bis zum Aristophanes. Was uns aus dieser wahrhaft goldenen Zeit in den hoͤchsten Gattungen der Poesie uͤbrig geblieben ist, traͤgt mehr oder minder einen schoͤnen oder großen Styl, die Lebenskraft </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [69/0077]
Zweige der Pflanze treten unbegreiflich schoͤn aus der Nacht des Alterthums hervor. Dieses reizend gebildete Chaos ist der Keim, aus welchem die Welt der alten Poesie sich organisirte.
Die epische Form verdarb schnell. Statt dessen erhob sich, auch bey den Joniern, die Kunst der Jamben, die im Stoff und in der Behandlung der grade Gegensatz der mythischen Poesie, und eben darum der zweyte Mittelpunkt der hellenischen Poesie war, und an und mit ihr die Elegie, welche sich fast eben so mannichfach verwandelte und umgestaltete wie das Epos.
Was Archilochos war, muß uns außer den Bruchstuͤcken, Nachrichten und Nachbildungen des Horatius in den Epoden, die Verwandschaft der Komoͤdie des Aristophanes und selbst die entferntere der roͤmischen Satire vermuthen lassen. Mehr haben wir nicht, die groͤßte Luͤcke in der Kunstgeschichte auszufuͤllen. Doch leuchtet es jedem, der nachdenken will, ein, wie es ewig im Wesen der hoͤchsten Poesie liege, auch in heiligen Zorn auszubrechen, und ihre volle Kraft an dem fremdesten Stoff, der gemeinen Gegenwart zu aͤußern.
Dieses sind die Quellen der hellenischen Poesie, Grundlage und Anfang. Die schoͤnste Bluͤthe umfaßt die melischen, chorischen, tragischen und komischen Werke der Dorer, Aeolier und Athener von Alkman und Sapoho bis zum Aristophanes. Was uns aus dieser wahrhaft goldenen Zeit in den hoͤchsten Gattungen der Poesie uͤbrig geblieben ist, traͤgt mehr oder minder einen schoͤnen oder großen Styl, die Lebenskraft
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Zitationshilfe: | Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1800/77>, abgerufen am 16.02.2025. |