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Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800.

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will, daß er sagt: damals übertrieb ich in allen meinen Empfindungen, ich bin jetzt zu einer grössern Aufrichtigkeit mit mir selber gekommen, so bin ich geneigt, seine erste Meinung anzunehmen, wenigstens lieber, als die er jetzt hat, und die sich so vornehm vor jener brüstet. Denn ich glaube immer noch mehr an die Wahrheit der frühern Empfindung als an die der spätern Betrachtung. Ueberhaupt sollten nur die Menschen einsehen, daß sie sich nie herzhafter betrügen, als wenn sie sich ihre ehemalige Lügen vorrücken.

Wie viel Schaden thun die Menschen, welche die Moral lehren, der höhern Moral. Jst es nicht betrübt und verächtlich, der ganzen Welt zu sagen: es ist etwas großes und edles eine Summe Geld wegzuschenken? oder sich seiner Eltern nicht zu schämen, oder wenn sie alt und schwach sind, für sie zu sorgen, oder wenn sich eine bequeme Gelegenheit darbietet, und man auch noch so sicher ist, doch nicht zu stehlen? -- und doch ist dies beinah alles, was von einem modernen Edelmüthigen gefordert wird; lauter Dinge, die sich von selbst verstehen, so daß gar kein einziger Mensch darauf kommen sollte, sie zu verletzen. Und doch wird es nicht nur gewagt diese Dinge als bewundernswürdige Tugenden aufzustellen, sondern was noch schlimmer ist, wer diese Lehren verbreitet, wird von dem allergrößten Haufen als ein grosser Mann, oder wenn er ihnen eine poetische Form giebt, als ein großer Dichter verehrt. Und was nun den Menschen am allermeisten betrüben sollte, die Wenigen, denen die Erkenntniß gekommen ist, überheben sich ihrer bessern

will, daß er sagt: damals uͤbertrieb ich in allen meinen Empfindungen, ich bin jetzt zu einer groͤssern Aufrichtigkeit mit mir selber gekommen, so bin ich geneigt, seine erste Meinung anzunehmen, wenigstens lieber, als die er jetzt hat, und die sich so vornehm vor jener bruͤstet. Denn ich glaube immer noch mehr an die Wahrheit der fruͤhern Empfindung als an die der spaͤtern Betrachtung. Ueberhaupt sollten nur die Menschen einsehen, daß sie sich nie herzhafter betruͤgen, als wenn sie sich ihre ehemalige Luͤgen vorruͤcken.

Wie viel Schaden thun die Menschen, welche die Moral lehren, der hoͤhern Moral. Jst es nicht betruͤbt und veraͤchtlich, der ganzen Welt zu sagen: es ist etwas großes und edles eine Summe Geld wegzuschenken? oder sich seiner Eltern nicht zu schaͤmen, oder wenn sie alt und schwach sind, fuͤr sie zu sorgen, oder wenn sich eine bequeme Gelegenheit darbietet, und man auch noch so sicher ist, doch nicht zu stehlen? — und doch ist dies beinah alles, was von einem modernen Edelmuͤthigen gefordert wird; lauter Dinge, die sich von selbst verstehen, so daß gar kein einziger Mensch darauf kommen sollte, sie zu verletzen. Und doch wird es nicht nur gewagt diese Dinge als bewundernswuͤrdige Tugenden aufzustellen, sondern was noch schlimmer ist, wer diese Lehren verbreitet, wird von dem allergroͤßten Haufen als ein grosser Mann, oder wenn er ihnen eine poetische Form giebt, als ein großer Dichter verehrt. Und was nun den Menschen am allermeisten betruͤben sollte, die Wenigen, denen die Erkenntniß gekommen ist, uͤberheben sich ihrer bessern

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[212/0224] will, daß er sagt: damals uͤbertrieb ich in allen meinen Empfindungen, ich bin jetzt zu einer groͤssern Aufrichtigkeit mit mir selber gekommen, so bin ich geneigt, seine erste Meinung anzunehmen, wenigstens lieber, als die er jetzt hat, und die sich so vornehm vor jener bruͤstet. Denn ich glaube immer noch mehr an die Wahrheit der fruͤhern Empfindung als an die der spaͤtern Betrachtung. Ueberhaupt sollten nur die Menschen einsehen, daß sie sich nie herzhafter betruͤgen, als wenn sie sich ihre ehemalige Luͤgen vorruͤcken. Wie viel Schaden thun die Menschen, welche die Moral lehren, der hoͤhern Moral. Jst es nicht betruͤbt und veraͤchtlich, der ganzen Welt zu sagen: es ist etwas großes und edles eine Summe Geld wegzuschenken? oder sich seiner Eltern nicht zu schaͤmen, oder wenn sie alt und schwach sind, fuͤr sie zu sorgen, oder wenn sich eine bequeme Gelegenheit darbietet, und man auch noch so sicher ist, doch nicht zu stehlen? — und doch ist dies beinah alles, was von einem modernen Edelmuͤthigen gefordert wird; lauter Dinge, die sich von selbst verstehen, so daß gar kein einziger Mensch darauf kommen sollte, sie zu verletzen. Und doch wird es nicht nur gewagt diese Dinge als bewundernswuͤrdige Tugenden aufzustellen, sondern was noch schlimmer ist, wer diese Lehren verbreitet, wird von dem allergroͤßten Haufen als ein grosser Mann, oder wenn er ihnen eine poetische Form giebt, als ein großer Dichter verehrt. Und was nun den Menschen am allermeisten betruͤben sollte, die Wenigen, denen die Erkenntniß gekommen ist, uͤberheben sich ihrer bessern

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Zitationshilfe: Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1800/224>, abgerufen am 24.11.2024.