Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800.Lothario. Darum sind die innersten Mysterien aller Künste und Wissenschaften ein Eigenthum der Poesie. Von da ist alles ausgegangen, und dahin muß alles zurückfließen. Jn einem idealischen Zustande der Menschheit würde es nur Poesie geben; nämlich die Künste und Wissenschaften sind alsdann noch eins. Jn unserm Zustande würde nur der wahre Dichter ein idealischer Mensch seyn und ein universeller Künstler. Antonio. Oder die Mittheilung und Darstellung aller Künste und aller Wissenschaften kann nicht ohne einen poetischen Bestandtheil seyn. Ludoviko. Jch bin Lothario's Meynung, daß die Kraft aller Künste und Wissenschaften sich in einem Centralpunkt begegnet, und hoffe zu den Göttern, Euch sogar aus der Mathematik Nahrung für Euren Enthusiasmus zu schaffen, und Euren Geist durch ihre Wunder zu entflammen. Jch zog die Physik aber auch darum vor, weil hier die Berührung am sichtbarsten ist. Die Physik kann kein Experiment machen ohne Hypothese, jede Hypothese auch die beschränkteste, wenn sie mit Consequenz gedacht wird, führt zu Hypothesen über das Ganze, ruht eigentlich auf solchen, wenn gleich ohne Bewußtseyn dessen der sie gebraucht. -- Es ist in der That wunderbar, wie die Physik, sobald es ihr nicht um technische Zwecke, sondern um allgemeine Resultate zu thun ist, ohne es zu wissen, in Kosmogonie geräth, in Astrologie, Theosophie oder wie Jhrs sonst nennen wollt, kurz in eine mystische Wissenschaft vom Ganzen. Lothario. Darum sind die innersten Mysterien aller Kuͤnste und Wissenschaften ein Eigenthum der Poesie. Von da ist alles ausgegangen, und dahin muß alles zuruͤckfließen. Jn einem idealischen Zustande der Menschheit wuͤrde es nur Poesie geben; naͤmlich die Kuͤnste und Wissenschaften sind alsdann noch eins. Jn unserm Zustande wuͤrde nur der wahre Dichter ein idealischer Mensch seyn und ein universeller Kuͤnstler. Antonio. Oder die Mittheilung und Darstellung aller Kuͤnste und aller Wissenschaften kann nicht ohne einen poetischen Bestandtheil seyn. Ludoviko. Jch bin Lothario's Meynung, daß die Kraft aller Kuͤnste und Wissenschaften sich in einem Centralpunkt begegnet, und hoffe zu den Goͤttern, Euch sogar aus der Mathematik Nahrung fuͤr Euren Enthusiasmus zu schaffen, und Euren Geist durch ihre Wunder zu entflammen. Jch zog die Physik aber auch darum vor, weil hier die Beruͤhrung am sichtbarsten ist. Die Physik kann kein Experiment machen ohne Hypothese, jede Hypothese auch die beschraͤnkteste, wenn sie mit Consequenz gedacht wird, fuͤhrt zu Hypothesen uͤber das Ganze, ruht eigentlich auf solchen, wenn gleich ohne Bewußtseyn dessen der sie gebraucht. — Es ist in der That wunderbar, wie die Physik, sobald es ihr nicht um technische Zwecke, sondern um allgemeine Resultate zu thun ist, ohne es zu wissen, in Kosmogonie geraͤth, in Astrologie, Theosophie oder wie Jhrs sonst nennen wollt, kurz in eine mystische Wissenschaft vom Ganzen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0116" n="108"/> <p><hi rendition="#g">Lothario</hi>. Darum sind die innersten Mysterien aller Kuͤnste und Wissenschaften ein Eigenthum der Poesie. Von da ist alles ausgegangen, und dahin muß alles zuruͤckfließen. Jn einem idealischen Zustande der Menschheit wuͤrde es nur Poesie geben; naͤmlich die Kuͤnste und Wissenschaften sind alsdann noch eins. Jn unserm Zustande wuͤrde nur der wahre Dichter ein idealischer Mensch seyn und ein universeller Kuͤnstler.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Antonio</hi>. Oder die Mittheilung und Darstellung aller Kuͤnste und aller Wissenschaften kann nicht ohne einen poetischen Bestandtheil seyn.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Ludoviko</hi>. Jch bin Lothario's Meynung, daß die Kraft aller Kuͤnste und Wissenschaften sich in einem Centralpunkt begegnet, und hoffe zu den Goͤttern, Euch sogar aus der Mathematik Nahrung fuͤr Euren Enthusiasmus zu schaffen, und Euren Geist durch ihre Wunder zu entflammen. Jch zog die Physik aber auch darum vor, weil hier die Beruͤhrung am sichtbarsten ist. Die Physik kann kein Experiment machen ohne Hypothese, jede Hypothese auch die beschraͤnkteste, wenn sie mit Consequenz gedacht wird, fuͤhrt zu Hypothesen uͤber das Ganze, ruht eigentlich auf solchen, wenn gleich ohne Bewußtseyn dessen der sie gebraucht. — Es ist in der That wunderbar, wie die Physik, sobald es ihr nicht um technische Zwecke, sondern um allgemeine Resultate zu thun ist, ohne es zu wissen, in Kosmogonie geraͤth, in Astrologie, Theosophie oder wie Jhrs sonst nennen wollt, kurz in eine mystische Wissenschaft vom Ganzen.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [108/0116]
Lothario. Darum sind die innersten Mysterien aller Kuͤnste und Wissenschaften ein Eigenthum der Poesie. Von da ist alles ausgegangen, und dahin muß alles zuruͤckfließen. Jn einem idealischen Zustande der Menschheit wuͤrde es nur Poesie geben; naͤmlich die Kuͤnste und Wissenschaften sind alsdann noch eins. Jn unserm Zustande wuͤrde nur der wahre Dichter ein idealischer Mensch seyn und ein universeller Kuͤnstler.
Antonio. Oder die Mittheilung und Darstellung aller Kuͤnste und aller Wissenschaften kann nicht ohne einen poetischen Bestandtheil seyn.
Ludoviko. Jch bin Lothario's Meynung, daß die Kraft aller Kuͤnste und Wissenschaften sich in einem Centralpunkt begegnet, und hoffe zu den Goͤttern, Euch sogar aus der Mathematik Nahrung fuͤr Euren Enthusiasmus zu schaffen, und Euren Geist durch ihre Wunder zu entflammen. Jch zog die Physik aber auch darum vor, weil hier die Beruͤhrung am sichtbarsten ist. Die Physik kann kein Experiment machen ohne Hypothese, jede Hypothese auch die beschraͤnkteste, wenn sie mit Consequenz gedacht wird, fuͤhrt zu Hypothesen uͤber das Ganze, ruht eigentlich auf solchen, wenn gleich ohne Bewußtseyn dessen der sie gebraucht. — Es ist in der That wunderbar, wie die Physik, sobald es ihr nicht um technische Zwecke, sondern um allgemeine Resultate zu thun ist, ohne es zu wissen, in Kosmogonie geraͤth, in Astrologie, Theosophie oder wie Jhrs sonst nennen wollt, kurz in eine mystische Wissenschaft vom Ganzen.
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Zitationshilfe: | Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1800/116>, abgerufen am 27.07.2024. |