Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799.

Bild:
<< vorherige Seite
II. Die Gemählde.


Gespräch.



Louise. Sie gehen so gedankenvoll unter den Antiken auf und ab, Waller; dichten Sie etwa einen Hymnus auf die alten Götter?

Waller. Jch weiß nicht, wie es ist: so oft ich in diesen Saal trete, fühle ich mich zur Rückkehr in mein Jnnres eingeladen, und bin unter den jungen Künstlern, die hier arbeiten, auch wohl unter dem Gewühl begaffender Fremden, wie in der tiefsten Einsamkeit.

Louise. Es ist der Nachahmungstrieb, lieber Freund; Sie wollen selbst zur Bildsäule werden.

Waller. Unandächtige! Jhr Spott trifft näher an die Wahrheit als Sie glauben. Müssen Sie nicht gestehn, daß sich viele Menschen nicht wenig dünken, die herzlich schlechte Statuen abgeben würden?

Louise. Ganz gewiß; und ich habe mir oft das Unheil gedacht, wenn plötzlich ein Perseus mit dem

II. Die Gemaͤhlde.


Gespraͤch.



Louise. Sie gehen so gedankenvoll unter den Antiken auf und ab, Waller; dichten Sie etwa einen Hymnus auf die alten Goͤtter?

Waller. Jch weiß nicht, wie es ist: so oft ich in diesen Saal trete, fuͤhle ich mich zur Ruͤckkehr in mein Jnnres eingeladen, und bin unter den jungen Kuͤnstlern, die hier arbeiten, auch wohl unter dem Gewuͤhl begaffender Fremden, wie in der tiefsten Einsamkeit.

Louise. Es ist der Nachahmungstrieb, lieber Freund; Sie wollen selbst zur Bildsaͤule werden.

Waller. Unandaͤchtige! Jhr Spott trifft naͤher an die Wahrheit als Sie glauben. Muͤssen Sie nicht gestehn, daß sich viele Menschen nicht wenig duͤnken, die herzlich schlechte Statuen abgeben wuͤrden?

Louise. Ganz gewiß; und ich habe mir oft das Unheil gedacht, wenn ploͤtzlich ein Perseus mit dem

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0047" n="39"/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#b"><hi rendition="#g"><hi rendition="#aq">II</hi></hi>. <hi rendition="#g">Die Gema&#x0364;hlde</hi>.</hi><lb/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/><hi rendition="#g">Gespra&#x0364;ch</hi>.</head><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Louise</hi>. Sie gehen so gedankenvoll unter den Antiken auf und ab, Waller; dichten Sie etwa einen Hymnus auf die alten Go&#x0364;tter?</p><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Waller</hi>. Jch weiß nicht, wie es ist: so oft ich in diesen Saal trete, fu&#x0364;hle ich mich zur Ru&#x0364;ckkehr in mein Jnnres eingeladen, und bin unter den jungen Ku&#x0364;nstlern, die hier arbeiten, auch wohl unter dem Gewu&#x0364;hl begaffender Fremden, wie in der tiefsten Einsamkeit.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Louise</hi>. Es ist der Nachahmungstrieb, lieber Freund; Sie wollen selbst zur Bildsa&#x0364;ule werden.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Waller</hi>. Unanda&#x0364;chtige! Jhr Spott trifft na&#x0364;her an die Wahrheit als Sie glauben. Mu&#x0364;ssen Sie nicht gestehn, daß sich viele Menschen nicht wenig du&#x0364;nken, die herzlich schlechte Statuen abgeben wu&#x0364;rden?</p><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Louise</hi>. Ganz gewiß; und ich habe mir oft das Unheil gedacht, wenn plo&#x0364;tzlich ein Perseus mit dem
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[39/0047] II. Die Gemaͤhlde. Gespraͤch. Louise. Sie gehen so gedankenvoll unter den Antiken auf und ab, Waller; dichten Sie etwa einen Hymnus auf die alten Goͤtter? Waller. Jch weiß nicht, wie es ist: so oft ich in diesen Saal trete, fuͤhle ich mich zur Ruͤckkehr in mein Jnnres eingeladen, und bin unter den jungen Kuͤnstlern, die hier arbeiten, auch wohl unter dem Gewuͤhl begaffender Fremden, wie in der tiefsten Einsamkeit. Louise. Es ist der Nachahmungstrieb, lieber Freund; Sie wollen selbst zur Bildsaͤule werden. Waller. Unandaͤchtige! Jhr Spott trifft naͤher an die Wahrheit als Sie glauben. Muͤssen Sie nicht gestehn, daß sich viele Menschen nicht wenig duͤnken, die herzlich schlechte Statuen abgeben wuͤrden? Louise. Ganz gewiß; und ich habe mir oft das Unheil gedacht, wenn ploͤtzlich ein Perseus mit dem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1799
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1799/47
Zitationshilfe: Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1799/47>, abgerufen am 20.04.2024.