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Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799.

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Denn wenn Fichte mit allen Kräften seines Wesens Philosoph und für unser Zeitalter auch von Gesinnung und Charakter Urbild und Repräsentant der Gattung ist, so kann man ihn nicht ganz begreifen, ohne diese zu kennen, und zwar nicht bloß philosophisch, sondern auch historisch. So lange er aber Fichten selbst, wie er ist, und wird, nicht begriffe, würde der beste Dilettant zwar einiges in seiner Philosophie vollkommen fassen, in andres sich aber gar nicht finden können.

Vieleicht hieltest Du es aber für rathsamer, Dein Studium nicht mit der Philosophie des Zeitalters anzufangen, oder es doch nicht auf sie einzuschränken? -- Jch würde im Ganzen nichts dagegen haben. Nur ist da bey den Philosophen des vorigen Jahrhunderts das scholastische Latein, und bey den alten, außer der Schlechtigkeit der Uebersetzungen, auch noch die Nothwendigkeit so vieler historischen Kenntnisse und Notizen.

Wie man es anfangen müßte, um Dilettanten in den Plato einzuweihen, darüber bin ich noch nicht ins Klare, so viel ich auch hin und her gedacht habe. Doch bey Gott ist kein Ding unmöglich, man muß nur recht wollen, und übrigens das Beste hoffen.

Den Spinosa kann ich Dir schon eher mit Zuversicht versprechen. Nicht so wohl etwas über ihn, als ihn selbst; eine Mittelgattung zwischen Auszug, Erklärung und Charakteristik. Eine vollständige Uebersetzung halte ich für zweckwidrig, weil die mathematische Form doch nicht bleiben darf, und auch ohne allen

Denn wenn Fichte mit allen Kraͤften seines Wesens Philosoph und fuͤr unser Zeitalter auch von Gesinnung und Charakter Urbild und Repraͤsentant der Gattung ist, so kann man ihn nicht ganz begreifen, ohne diese zu kennen, und zwar nicht bloß philosophisch, sondern auch historisch. So lange er aber Fichten selbst, wie er ist, und wird, nicht begriffe, wuͤrde der beste Dilettant zwar einiges in seiner Philosophie vollkommen fassen, in andres sich aber gar nicht finden koͤnnen.

Vieleicht hieltest Du es aber fuͤr rathsamer, Dein Studium nicht mit der Philosophie des Zeitalters anzufangen, oder es doch nicht auf sie einzuschraͤnken? — Jch wuͤrde im Ganzen nichts dagegen haben. Nur ist da bey den Philosophen des vorigen Jahrhunderts das scholastische Latein, und bey den alten, außer der Schlechtigkeit der Uebersetzungen, auch noch die Nothwendigkeit so vieler historischen Kenntnisse und Notizen.

Wie man es anfangen muͤßte, um Dilettanten in den Plato einzuweihen, daruͤber bin ich noch nicht ins Klare, so viel ich auch hin und her gedacht habe. Doch bey Gott ist kein Ding unmoͤglich, man muß nur recht wollen, und uͤbrigens das Beste hoffen.

Den Spinosa kann ich Dir schon eher mit Zuversicht versprechen. Nicht so wohl etwas uͤber ihn, als ihn selbst; eine Mittelgattung zwischen Auszug, Erklaͤrung und Charakteristik. Eine vollstaͤndige Uebersetzung halte ich fuͤr zweckwidrig, weil die mathematische Form doch nicht bleiben darf, und auch ohne allen

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[32/0040] Denn wenn Fichte mit allen Kraͤften seines Wesens Philosoph und fuͤr unser Zeitalter auch von Gesinnung und Charakter Urbild und Repraͤsentant der Gattung ist, so kann man ihn nicht ganz begreifen, ohne diese zu kennen, und zwar nicht bloß philosophisch, sondern auch historisch. So lange er aber Fichten selbst, wie er ist, und wird, nicht begriffe, wuͤrde der beste Dilettant zwar einiges in seiner Philosophie vollkommen fassen, in andres sich aber gar nicht finden koͤnnen. Vieleicht hieltest Du es aber fuͤr rathsamer, Dein Studium nicht mit der Philosophie des Zeitalters anzufangen, oder es doch nicht auf sie einzuschraͤnken? — Jch wuͤrde im Ganzen nichts dagegen haben. Nur ist da bey den Philosophen des vorigen Jahrhunderts das scholastische Latein, und bey den alten, außer der Schlechtigkeit der Uebersetzungen, auch noch die Nothwendigkeit so vieler historischen Kenntnisse und Notizen. Wie man es anfangen muͤßte, um Dilettanten in den Plato einzuweihen, daruͤber bin ich noch nicht ins Klare, so viel ich auch hin und her gedacht habe. Doch bey Gott ist kein Ding unmoͤglich, man muß nur recht wollen, und uͤbrigens das Beste hoffen. Den Spinosa kann ich Dir schon eher mit Zuversicht versprechen. Nicht so wohl etwas uͤber ihn, als ihn selbst; eine Mittelgattung zwischen Auszug, Erklaͤrung und Charakteristik. Eine vollstaͤndige Uebersetzung halte ich fuͤr zweckwidrig, weil die mathematische Form doch nicht bleiben darf, und auch ohne allen

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Zitationshilfe: Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1799/40>, abgerufen am 24.04.2024.