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Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799.

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Nur noch eine Bemerkung über die Prosa des Cervantes, von der ich schon vorhin erwähnte, daß auch Poesie in ihr sey, und daß der Uebersetzer ihren Charakter sehr glücklich nachgebildet habe. Jch glaube, es ist die einzige moderne, welche wir der Prosa eines Tacitus, Demosthenes oder Plato entgegenstellen können. Eben weil sie so durchaus modern, wie jene antik und doch in ihrer Art eben so kunstreich ausgebildet ist. Jn keiner andern Prosa ist die Stellung der Worte so ganz Symmetrie und Musik; keine andre braucht die Verschiedenheiten des Styls so ganz, wie Massen von Farbe und Licht; keine ist in den allgemeinen Ausdrücken der geselligen Bildung so frisch, so lebendig und darstellend. Jmmer edel und immer zierlich bildet sie bald den schärfsten Scharfsinn bis zur äußersten Spitze, und verirrt bald in kindlich süße Tändeleyen. Darum ist auch die spanische Prosa dem Roman, der die Musik des Lebens fantasiren soll, und verwandten Kunstarten, so eigenthümlich angemessen, wie die Prosa der Alten den Werken der Rhetorik oder der Historie. Laßt uns die populäre Schreiberey der Franzosen und Engländer vergessen, und diesen Vorbildern nachstreben!

Versteht sich, die spanische Prosa des Cervantes. Denn dieser war wohl auch hierin einzig. Die Prosa seines Zeitgenossen Lope de Vega ist roh und gemein; die des wenig spätern Quevedo schon durch das Uebertriebene herbe und hart, und von einer kaum genießbaren Künstlichkeit.

Nur noch eine Bemerkung uͤber die Prosa des Cervantes, von der ich schon vorhin erwaͤhnte, daß auch Poesie in ihr sey, und daß der Uebersetzer ihren Charakter sehr gluͤcklich nachgebildet habe. Jch glaube, es ist die einzige moderne, welche wir der Prosa eines Tacitus, Demosthenes oder Plato entgegenstellen koͤnnen. Eben weil sie so durchaus modern, wie jene antik und doch in ihrer Art eben so kunstreich ausgebildet ist. Jn keiner andern Prosa ist die Stellung der Worte so ganz Symmetrie und Musik; keine andre braucht die Verschiedenheiten des Styls so ganz, wie Massen von Farbe und Licht; keine ist in den allgemeinen Ausdruͤcken der geselligen Bildung so frisch, so lebendig und darstellend. Jmmer edel und immer zierlich bildet sie bald den schaͤrfsten Scharfsinn bis zur aͤußersten Spitze, und verirrt bald in kindlich suͤße Taͤndeleyen. Darum ist auch die spanische Prosa dem Roman, der die Musik des Lebens fantasiren soll, und verwandten Kunstarten, so eigenthuͤmlich angemessen, wie die Prosa der Alten den Werken der Rhetorik oder der Historie. Laßt uns die populaͤre Schreiberey der Franzosen und Englaͤnder vergessen, und diesen Vorbildern nachstreben!

Versteht sich, die spanische Prosa des Cervantes. Denn dieser war wohl auch hierin einzig. Die Prosa seines Zeitgenossen Lope de Vega ist roh und gemein; die des wenig spaͤtern Quevedo schon durch das Uebertriebene herbe und hart, und von einer kaum genießbaren Kuͤnstlichkeit.

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[327/0337] Nur noch eine Bemerkung uͤber die Prosa des Cervantes, von der ich schon vorhin erwaͤhnte, daß auch Poesie in ihr sey, und daß der Uebersetzer ihren Charakter sehr gluͤcklich nachgebildet habe. Jch glaube, es ist die einzige moderne, welche wir der Prosa eines Tacitus, Demosthenes oder Plato entgegenstellen koͤnnen. Eben weil sie so durchaus modern, wie jene antik und doch in ihrer Art eben so kunstreich ausgebildet ist. Jn keiner andern Prosa ist die Stellung der Worte so ganz Symmetrie und Musik; keine andre braucht die Verschiedenheiten des Styls so ganz, wie Massen von Farbe und Licht; keine ist in den allgemeinen Ausdruͤcken der geselligen Bildung so frisch, so lebendig und darstellend. Jmmer edel und immer zierlich bildet sie bald den schaͤrfsten Scharfsinn bis zur aͤußersten Spitze, und verirrt bald in kindlich suͤße Taͤndeleyen. Darum ist auch die spanische Prosa dem Roman, der die Musik des Lebens fantasiren soll, und verwandten Kunstarten, so eigenthuͤmlich angemessen, wie die Prosa der Alten den Werken der Rhetorik oder der Historie. Laßt uns die populaͤre Schreiberey der Franzosen und Englaͤnder vergessen, und diesen Vorbildern nachstreben! Versteht sich, die spanische Prosa des Cervantes. Denn dieser war wohl auch hierin einzig. Die Prosa seines Zeitgenossen Lope de Vega ist roh und gemein; die des wenig spaͤtern Quevedo schon durch das Uebertriebene herbe und hart, und von einer kaum genießbaren Kuͤnstlichkeit.

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Zitationshilfe: Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799, S. 327. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1799/337>, abgerufen am 25.11.2024.