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Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799.

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von allem macht, was er will, was er verehrt und liebt. Welch ein herrliches Gemüth und ernstes großes Streben offenbaren sich da! Wie weihet sich der junge Mann, zu werden was er seitdem wurde, der erste Geschichtschreiber der Neueren, oder vielmehr der letzte der Alten, wie Brutus der letzte Römer war! Solche Andacht, solche Arbeit, und eine beständige Gegenwart des höchsten und würdigsten Zieles. Den ganzen Menschen in sich bildet er zu dem erwählten Berufe seiner Kunst Die Briefe sind allein schon wegen der schönen Harmonie merkwürdig, die sie darlegen, zwischen dem was er gewollt und was er geleistet hat. Jmmer war ihm aber die Verkettung der Umstände zuwider. Damals kämpfte er mit Noth, mit Abhängigkeit, mit der Schwierigkeit durchzudringen; als Mann von festgegründetem Ruhme dient er Verhältnissen, die seines Genius nicht bedurften, wenn die Gesinnungen des Helveziers sich auch zu ihnen bequemen konnten. Die Nachwelt, wenn sie ihn im Gemählde früherer Zeiten erkennt, wird ihn in der Geschichte der unsrigen vermissen, denn die große Betrachtungsart der Begebenheiten scheint die gültigste Vollmacht bey großen Gelegenheiten zu handeln. Ehedem konnte er seinem Vaterlande nicht auf eine würdige Art angehören: "es schlummere," hat er prophezeyt, "und sein Erwachen werde tödtlich seyn;" jetzt hat er vielleicht kein Vaterland mehr. -- Der Jüngling arbeitete für die Zukunft, ja für die Ewigkeit, während ihn der Mangel des Augenblicks niederdrückte; "er war nur glücklich, indem er komponirte," die übrige Zeit gehörte der Sorge: und doch konnte er sich nie überwinden

von allem macht, was er will, was er verehrt und liebt. Welch ein herrliches Gemuͤth und ernstes großes Streben offenbaren sich da! Wie weihet sich der junge Mann, zu werden was er seitdem wurde, der erste Geschichtschreiber der Neueren, oder vielmehr der letzte der Alten, wie Brutus der letzte Roͤmer war! Solche Andacht, solche Arbeit, und eine bestaͤndige Gegenwart des hoͤchsten und wuͤrdigsten Zieles. Den ganzen Menschen in sich bildet er zu dem erwaͤhlten Berufe seiner Kunst Die Briefe sind allein schon wegen der schoͤnen Harmonie merkwuͤrdig, die sie darlegen, zwischen dem was er gewollt und was er geleistet hat. Jmmer war ihm aber die Verkettung der Umstaͤnde zuwider. Damals kaͤmpfte er mit Noth, mit Abhaͤngigkeit, mit der Schwierigkeit durchzudringen; als Mann von festgegruͤndetem Ruhme dient er Verhaͤltnissen, die seines Genius nicht bedurften, wenn die Gesinnungen des Helveziers sich auch zu ihnen bequemen konnten. Die Nachwelt, wenn sie ihn im Gemaͤhlde fruͤherer Zeiten erkennt, wird ihn in der Geschichte der unsrigen vermissen, denn die große Betrachtungsart der Begebenheiten scheint die guͤltigste Vollmacht bey großen Gelegenheiten zu handeln. Ehedem konnte er seinem Vaterlande nicht auf eine wuͤrdige Art angehoͤren: “es schlummere,” hat er prophezeyt, “und sein Erwachen werde toͤdtlich seyn;” jetzt hat er vielleicht kein Vaterland mehr. — Der Juͤngling arbeitete fuͤr die Zukunft, ja fuͤr die Ewigkeit, waͤhrend ihn der Mangel des Augenblicks niederdruͤckte; “er war nur gluͤcklich, indem er komponirte,” die uͤbrige Zeit gehoͤrte der Sorge: und doch konnte er sich nie uͤberwinden

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[314/0324] von allem macht, was er will, was er verehrt und liebt. Welch ein herrliches Gemuͤth und ernstes großes Streben offenbaren sich da! Wie weihet sich der junge Mann, zu werden was er seitdem wurde, der erste Geschichtschreiber der Neueren, oder vielmehr der letzte der Alten, wie Brutus der letzte Roͤmer war! Solche Andacht, solche Arbeit, und eine bestaͤndige Gegenwart des hoͤchsten und wuͤrdigsten Zieles. Den ganzen Menschen in sich bildet er zu dem erwaͤhlten Berufe seiner Kunst Die Briefe sind allein schon wegen der schoͤnen Harmonie merkwuͤrdig, die sie darlegen, zwischen dem was er gewollt und was er geleistet hat. Jmmer war ihm aber die Verkettung der Umstaͤnde zuwider. Damals kaͤmpfte er mit Noth, mit Abhaͤngigkeit, mit der Schwierigkeit durchzudringen; als Mann von festgegruͤndetem Ruhme dient er Verhaͤltnissen, die seines Genius nicht bedurften, wenn die Gesinnungen des Helveziers sich auch zu ihnen bequemen konnten. Die Nachwelt, wenn sie ihn im Gemaͤhlde fruͤherer Zeiten erkennt, wird ihn in der Geschichte der unsrigen vermissen, denn die große Betrachtungsart der Begebenheiten scheint die guͤltigste Vollmacht bey großen Gelegenheiten zu handeln. Ehedem konnte er seinem Vaterlande nicht auf eine wuͤrdige Art angehoͤren: “es schlummere,” hat er prophezeyt, “und sein Erwachen werde toͤdtlich seyn;” jetzt hat er vielleicht kein Vaterland mehr. — Der Juͤngling arbeitete fuͤr die Zukunft, ja fuͤr die Ewigkeit, waͤhrend ihn der Mangel des Augenblicks niederdruͤckte; “er war nur gluͤcklich, indem er komponirte,” die uͤbrige Zeit gehoͤrte der Sorge: und doch konnte er sich nie uͤberwinden

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Zitationshilfe: Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799, S. 314. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1799/324>, abgerufen am 17.05.2024.