Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799.

Bild:
<< vorherige Seite

seinen Umrissen an nichts so sehr erinnert als an die Bilder auf den griechischen (ehedem Hetrurisch genannten) Vasen. Doch halte man dieß ja nicht für eine blinde und knechtische Nachahmung. Zwar kann es nicht fehlen, daß unter der großen Menge von Figuren nicht hier und da eine eigentliche Reminiszenz vorkommen sollte; allein im Ganzen hat Flaxman sich den Styl der Vasengemählde selbstständig augeeignet, und nach seinen Bedürfnissen mit Verstand und Eigenthümlichkeit modifizirt. Unstreitig giebt es viele Punkte, worin ihnen der Zeichner von Umrissen besser folgen kann, als den Statuen und Basreliefs, namentlich im Wurf der Gewänder und der Anordnung und dem Putz der Haare. Was in der Natur durch die Leichtigkeit des Stoffes, durch das wechselnde Spiel der Bewegungen, auch wohl der Farben reizend ist, wird der Skulptur zur Masse: sie muß es also durch Form adeln, und die Umgebungen sich bedeutsamer an den Körper anschließen lassen; bauschige Falten und fliegende Wimpel von Stein hat sich nur der fehlerhafte Geschmack neuerer Bildhauer erlaubt. Schon eine gewisse Weitläuftigkeit der Zuthaten, auch wo die Beschaffenheit des Stoffes sich weniger widersetzt, und der Körper nicht dadurch versteckt wird, würde an einer Statue leicht unverhältnißmäßig scheinen; z. B. die gewaltigen Helmbüsche auf unsern Umrissen, wodurch die Figuren nur desto svelter werden. Bey dem in den Vasengemählden häufig vorkommenden und hier daraus entlehnten weiblichen Kopfputze, wo das Haar unten am Ende des Haarwuchses durch ein Band oder eine festere Stütze getragen, oder sonst verhindert

seinen Umrissen an nichts so sehr erinnert als an die Bilder auf den griechischen (ehedem Hetrurisch genannten) Vasen. Doch halte man dieß ja nicht fuͤr eine blinde und knechtische Nachahmung. Zwar kann es nicht fehlen, daß unter der großen Menge von Figuren nicht hier und da eine eigentliche Reminiszenz vorkommen sollte; allein im Ganzen hat Flaxman sich den Styl der Vasengemaͤhlde selbststaͤndig augeeignet, und nach seinen Beduͤrfnissen mit Verstand und Eigenthuͤmlichkeit modifizirt. Unstreitig giebt es viele Punkte, worin ihnen der Zeichner von Umrissen besser folgen kann, als den Statuen und Basreliefs, namentlich im Wurf der Gewaͤnder und der Anordnung und dem Putz der Haare. Was in der Natur durch die Leichtigkeit des Stoffes, durch das wechselnde Spiel der Bewegungen, auch wohl der Farben reizend ist, wird der Skulptur zur Masse: sie muß es also durch Form adeln, und die Umgebungen sich bedeutsamer an den Koͤrper anschließen lassen; bauschige Falten und fliegende Wimpel von Stein hat sich nur der fehlerhafte Geschmack neuerer Bildhauer erlaubt. Schon eine gewisse Weitlaͤuftigkeit der Zuthaten, auch wo die Beschaffenheit des Stoffes sich weniger widersetzt, und der Koͤrper nicht dadurch versteckt wird, wuͤrde an einer Statue leicht unverhaͤltnißmaͤßig scheinen; z. B. die gewaltigen Helmbuͤsche auf unsern Umrissen, wodurch die Figuren nur desto svelter werden. Bey dem in den Vasengemaͤhlden haͤufig vorkommenden und hier daraus entlehnten weiblichen Kopfputze, wo das Haar unten am Ende des Haarwuchses durch ein Band oder eine festere Stuͤtze getragen, oder sonst verhindert

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0243" n="233"/>
seinen Umrissen an nichts so sehr erinnert als an die Bilder auf den griechischen (ehedem Hetrurisch genannten) Vasen. Doch halte man dieß ja nicht fu&#x0364;r eine blinde und knechtische Nachahmung. Zwar kann es nicht fehlen, daß unter der großen Menge von Figuren nicht hier und da eine eigentliche Reminiszenz vorkommen sollte; allein im Ganzen hat Flaxman sich den Styl der Vasengema&#x0364;hlde selbststa&#x0364;ndig augeeignet, und nach seinen Bedu&#x0364;rfnissen mit Verstand und Eigenthu&#x0364;mlichkeit modifizirt. Unstreitig giebt es viele Punkte, worin ihnen der Zeichner von Umrissen besser folgen kann, als den Statuen und Basreliefs, namentlich im Wurf der Gewa&#x0364;nder und der Anordnung und dem Putz der Haare. Was in der Natur durch die Leichtigkeit des Stoffes, durch das wechselnde Spiel der Bewegungen, auch wohl der Farben reizend ist, wird der Skulptur zur Masse: sie muß es also durch Form adeln, und die Umgebungen sich bedeutsamer an den Ko&#x0364;rper anschließen lassen; bauschige Falten und fliegende Wimpel von Stein hat sich nur der fehlerhafte Geschmack neuerer Bildhauer erlaubt. Schon eine gewisse Weitla&#x0364;uftigkeit der Zuthaten, auch wo die Beschaffenheit des Stoffes sich weniger widersetzt, und der Ko&#x0364;rper nicht dadurch versteckt wird, wu&#x0364;rde an einer Statue leicht unverha&#x0364;ltnißma&#x0364;ßig scheinen; z. B. die gewaltigen Helmbu&#x0364;sche auf unsern Umrissen, wodurch die Figuren nur desto svelter werden. Bey dem in den Vasengema&#x0364;hlden ha&#x0364;ufig vorkommenden und hier daraus entlehnten weiblichen Kopfputze, wo das Haar unten am Ende des Haarwuchses durch ein Band oder eine festere Stu&#x0364;tze getragen, oder sonst verhindert
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[233/0243] seinen Umrissen an nichts so sehr erinnert als an die Bilder auf den griechischen (ehedem Hetrurisch genannten) Vasen. Doch halte man dieß ja nicht fuͤr eine blinde und knechtische Nachahmung. Zwar kann es nicht fehlen, daß unter der großen Menge von Figuren nicht hier und da eine eigentliche Reminiszenz vorkommen sollte; allein im Ganzen hat Flaxman sich den Styl der Vasengemaͤhlde selbststaͤndig augeeignet, und nach seinen Beduͤrfnissen mit Verstand und Eigenthuͤmlichkeit modifizirt. Unstreitig giebt es viele Punkte, worin ihnen der Zeichner von Umrissen besser folgen kann, als den Statuen und Basreliefs, namentlich im Wurf der Gewaͤnder und der Anordnung und dem Putz der Haare. Was in der Natur durch die Leichtigkeit des Stoffes, durch das wechselnde Spiel der Bewegungen, auch wohl der Farben reizend ist, wird der Skulptur zur Masse: sie muß es also durch Form adeln, und die Umgebungen sich bedeutsamer an den Koͤrper anschließen lassen; bauschige Falten und fliegende Wimpel von Stein hat sich nur der fehlerhafte Geschmack neuerer Bildhauer erlaubt. Schon eine gewisse Weitlaͤuftigkeit der Zuthaten, auch wo die Beschaffenheit des Stoffes sich weniger widersetzt, und der Koͤrper nicht dadurch versteckt wird, wuͤrde an einer Statue leicht unverhaͤltnißmaͤßig scheinen; z. B. die gewaltigen Helmbuͤsche auf unsern Umrissen, wodurch die Figuren nur desto svelter werden. Bey dem in den Vasengemaͤhlden haͤufig vorkommenden und hier daraus entlehnten weiblichen Kopfputze, wo das Haar unten am Ende des Haarwuchses durch ein Band oder eine festere Stuͤtze getragen, oder sonst verhindert

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1799
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1799/243
Zitationshilfe: Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1799/243>, abgerufen am 21.11.2024.