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Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799.

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wie in der Menschheit selbst. Und darum finde ich's auch sehr wahr, daß die Schönheit des Weibes eigentlich nur die höchste seyn kann: denn das Menschliche ist überall das Höchste, und höher als das Göttliche. Dies hat vielleicht einige Theoretiker der Weiblichkeit veranlaßt, ausdruckslose Schönheit als die wesentlichste Pflicht vom weiblichen Körper zu fordern und zur Erfüllung derselben nachdrücklich zu ermahnen.

Nächst der Mütterlichkeit scheint mir keine Eigenschaft der weiblichen Organisation so ursprünglich und wesentlich, wie die zartere weibliche Sympathie. Bey dem Anblicke des vollkommenen Mannes würde gleich jeder sagen: "dieser ist bestimmt die Erde zu bilden, und die Welt den Befehlen der Gottheit zu unterwerfen." Bey der ersten Ansicht eines schönen Weibes würde man denken: "Jn diesem Gefäße soll die oft zu ungestüme Musik dieses raschen reichen Lebens sanfter und schöner nachklingen, so wie die Blume was sie aus dem umgebenden Gemische einsaugt, in harmonische Farben zersetzt, und in wollüstigem Dufte zurück giebt." Und ist nicht diese Jnnerlichkeit, diese stille Regsamkeit alles Dichtens und Trachtens die wesentliche Anlage zur Religion, oder vielmehr sie selbst? Freylich, wenn man Seele und Leib für ursprünglich und ewig verschieden hält, und denn doch jene Sympathie und ihre sinnliche Aeußerung als die wahre Tugend vergöttert; das ist nur ein Thierdienst in feinerer Gestalt. Aber wer heißt auch so thörigt unterscheiden und die ewige Harmonie des Universums kindisch zerreißen und zerspalten wollen?

wie in der Menschheit selbst. Und darum finde ich's auch sehr wahr, daß die Schoͤnheit des Weibes eigentlich nur die hoͤchste seyn kann: denn das Menschliche ist uͤberall das Hoͤchste, und hoͤher als das Goͤttliche. Dies hat vielleicht einige Theoretiker der Weiblichkeit veranlaßt, ausdruckslose Schoͤnheit als die wesentlichste Pflicht vom weiblichen Koͤrper zu fordern und zur Erfuͤllung derselben nachdruͤcklich zu ermahnen.

Naͤchst der Muͤtterlichkeit scheint mir keine Eigenschaft der weiblichen Organisation so urspruͤnglich und wesentlich, wie die zartere weibliche Sympathie. Bey dem Anblicke des vollkommenen Mannes wuͤrde gleich jeder sagen: “dieser ist bestimmt die Erde zu bilden, und die Welt den Befehlen der Gottheit zu unterwerfen.” Bey der ersten Ansicht eines schoͤnen Weibes wuͤrde man denken: “Jn diesem Gefaͤße soll die oft zu ungestuͤme Musik dieses raschen reichen Lebens sanfter und schoͤner nachklingen, so wie die Blume was sie aus dem umgebenden Gemische einsaugt, in harmonische Farben zersetzt, und in wolluͤstigem Dufte zuruͤck giebt.” Und ist nicht diese Jnnerlichkeit, diese stille Regsamkeit alles Dichtens und Trachtens die wesentliche Anlage zur Religion, oder vielmehr sie selbst? Freylich, wenn man Seele und Leib fuͤr urspruͤnglich und ewig verschieden haͤlt, und denn doch jene Sympathie und ihre sinnliche Aeußerung als die wahre Tugend vergoͤttert; das ist nur ein Thierdienst in feinerer Gestalt. Aber wer heißt auch so thoͤrigt unterscheiden und die ewige Harmonie des Universums kindisch zerreißen und zerspalten wollen?

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[11/0019] wie in der Menschheit selbst. Und darum finde ich's auch sehr wahr, daß die Schoͤnheit des Weibes eigentlich nur die hoͤchste seyn kann: denn das Menschliche ist uͤberall das Hoͤchste, und hoͤher als das Goͤttliche. Dies hat vielleicht einige Theoretiker der Weiblichkeit veranlaßt, ausdruckslose Schoͤnheit als die wesentlichste Pflicht vom weiblichen Koͤrper zu fordern und zur Erfuͤllung derselben nachdruͤcklich zu ermahnen. Naͤchst der Muͤtterlichkeit scheint mir keine Eigenschaft der weiblichen Organisation so urspruͤnglich und wesentlich, wie die zartere weibliche Sympathie. Bey dem Anblicke des vollkommenen Mannes wuͤrde gleich jeder sagen: “dieser ist bestimmt die Erde zu bilden, und die Welt den Befehlen der Gottheit zu unterwerfen.” Bey der ersten Ansicht eines schoͤnen Weibes wuͤrde man denken: “Jn diesem Gefaͤße soll die oft zu ungestuͤme Musik dieses raschen reichen Lebens sanfter und schoͤner nachklingen, so wie die Blume was sie aus dem umgebenden Gemische einsaugt, in harmonische Farben zersetzt, und in wolluͤstigem Dufte zuruͤck giebt.” Und ist nicht diese Jnnerlichkeit, diese stille Regsamkeit alles Dichtens und Trachtens die wesentliche Anlage zur Religion, oder vielmehr sie selbst? Freylich, wenn man Seele und Leib fuͤr urspruͤnglich und ewig verschieden haͤlt, und denn doch jene Sympathie und ihre sinnliche Aeußerung als die wahre Tugend vergoͤttert; das ist nur ein Thierdienst in feinerer Gestalt. Aber wer heißt auch so thoͤrigt unterscheiden und die ewige Harmonie des Universums kindisch zerreißen und zerspalten wollen?

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Zitationshilfe: Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1799/19>, abgerufen am 23.04.2024.